Bildungs- und Verhaltensstand rückläufig- Ronald Person (ZAL Berlin-Brandenburg GmbH)

Interview mit Ronald Person
Ronald Person ist Geschäftsführer der ZAL Berlin-Brandenburg GmbH. Im Interview spricht er über Veränderungen in der Durchführung von Bildungsangeboten und den sinkenden Bildungsstand neuer Teilnehmer.

Bildung im Wandel: Die Anforderungen an Bildungseinrichtungen und Lehrer/innen haben sich im digitalen Zeitalter verändert. Wie haben Sie das in den letzten Jahren wahrgenommen?

Ronald Person: Neben unseren klassischen Bildungsangeboten vor Ort bieten wir schon seit Jahren mit großem Erfolg Schulungen im Rahmen unserer Online-Akademie an. Grund der Einführung dieser Angebote war seinerzeit, dass wir damit sehr viele spezialisierte Inhalte anbieten können, für die es sonst an einem Standort keinen (Teilnehmer-) Markt gäbe. Diese Schulungsform trifft auf große Akzeptanz und wird von Teilnehmern aller Altersklassen gern genutzt. Grenzen bei der Ausbreitung dieser Angebote sind vor allem im Bereich der praktischen Tätigkeiten im gewerblichen Bereich gegeben. Maschinen- und Handarbeit sind für die erfolgreiche Umschulung/Qualifizierung unbedingt notwendig und lassen sich nur sehr eingeschränkt digital vermitteln.

Die Veränderung in der Bevölkerungsstruktur mit Flüchtlingen und mehr Migranten führt zu veränderten Lerninhalten. Wie reagiert Ihre Einrichtung darauf?

Ronald Person: Wir als Bildungsträger waren schon vor der großen Flüchtlingswelle „bunt“ und international. Deshalb ist die Umstellung in der praktischen Qualifizierung nur marginal ausgefallen. Wir betrachten die Qualifikation von Migranten als sinnvolle, lösbare und notwendige Aufgabe. Unsere Teilnehmerschaft ist unabhängig der Herkunft heutzutage ohnehin sehr inhomogen. Dabei haben wir auch Bewerber mit deutscher Schulausbildung, die große Lücken in Sprache, Allgemeinbildung und Grundbildung mitbringen. Leider hat die Arbeitsverwaltung keine Möglichkeiten einer besonderen Förderung für Migranten geschaffen: Nach wie vor dürfen im Rahmen von Umschulungen keine sprachlichen Inhalte vermittelt werden, eine Verlängerung von Bildungsangeboten für Migranten wurde ebenfalls nicht ermöglicht. Im Ergebnis wurde Migranten von der Arbeitsverwaltung eine nachhaltige Qualifizierung (Umschulung) nach unseren Erfahrungen oft verwehrt, häufig mit dem Hinweis auf angeblich mangelhafte Sprachkenntnisse. Zwischenzeitlich hatten wir auch BAMF-Sprachkurse für die Migranten angeboten mit der Idee, ein Gesamtpaket bis zur beruflichen Eingliederung anzubieten.

In der Bildungsbranche gibt es auch ein sogenanntes Qualitätsmanagement. Welchen Anforderungen muss der Qualitätsbeauftragte eines Bildungsinstituts in der Praxis gerecht werden?

Ronald Person: Bildungsträger in Deutschland müssen sich und ihre Bildungsmaßnahmen über AZAV zertifizieren lassen, wenn sie für Kunden der Jobcenter und Arbeitsagenturen tätig werden wollen. Die AZAV basiert in vereinfachter Form auf der DIN ISO 9001 und ist um Besonderheiten rund um die Bildung angereichert. Deshalb kann sich ein QMB mit Erfahrungen mit der DIN ISO 9001 relativ schnell auf die AZAV einarbeiten.

Man sagt, dass Lehrer/innen und Ausbilder/innen dem Stress in den Bildungseinrichtungen mit den Schülern kaum noch gewachsen sind. Haben Sie ähnliche Erfahrungen oder kennen Sie Beispiele dafür?

Ronald Person: Uns gelingt es in unserem Hause noch immer, auch schwierigen Teilnehmern gewachsen zu sein. Das mag auch daran liegen, dass unsere Teilnehmer in der Regel erkennen, dass Sie bei uns etwas erhalten, was sie wollen oder brauchen. Der Schwerpunkt auf praktischer Ausbildung gibt uns dabei ebenfalls Spielräume. Insgesamt fahren wir sehr gut damit, dass wir Teilnehmer aller Alters- und Qualifikationsstrukturen (vom Umschüler über den AZUBI bis zum Schüler) in der Ausbildung nicht trennen, woraus sich ein Arbeitsklima entwickelt hat, bei der sich sie Teilnehmer gegenseitig motivieren, erziehen, beflügeln. Der sehr ansprechende Nebeneffekt ist, dass unsere Teilnehmer auch im späteren Arbeitsleben nach der Zeit bei uns ohne soziale Konflikte mit anderen Mitarbeitern zurechtkommen. Insgesamt müssen wir aber schon feststellen, dass der Bildungs- und Verhaltensstand unserer eingehenden Teilnehmer von Jahr zu Jahr abnimmt.

Der „nationale Bildungsbericht für Deutschland“ benennt alle 2 Jahre Leistungen und Herausforderungen im deutschen Bildungssystem. Können Sie über Zweck und Nutzen kurz etwas sagen?

Ronald Person: Dem „nationalen Bildungsbericht für Deutschland“ kann ich persönlich nicht besonders viel abgewinnen. Nach meiner Erfahrung wird Bildung in Deutschland nicht an Qualität sondern an (möglichst einzusparenden) Kosten festgemacht. Wir erkennen das am Zustand vieler Schulen, dem Alleinlassen der (teilweise völlig resignierten) Lehrerschaft mit den Problemen – ohne wirkliche Unterstützung durch die Gesellschaft. Im Ergebnis sinken Leistungsbereitschaft und -willen unserer Schulabgänger immer weiter. Hier wäre ein völliges Umdenken erforderlich, da greift der „nationale Bildungsbericht für Deutschland“ viel zu kurz. In der beruflichen Qualifizierung sieht es nicht besser aus – Stichwort Berufsschulen. Auch die berufliche Qualifizierung bei privaten Bildungsträgern ist unterfinanziert und kann deshalb nicht genügend auf die Probleme der Teilnehmer eingehen.

Man spricht gerne vom „Recht auf Bildung“ und „Lebenslangem Lernen“. Wird Deutschland diesem Anspruch Ihrer Meinung nach voll gerecht?

Ronald Person: Klares nein – siehe Punkt 5. Es gibt natürlich viele tolle Angebote für Interessierte, dabei sehe ich vor allem die Volkshochschulen mit ihren Angeboten. Gerade bei der beruflichen Weiterbildung aber sehe ich Probleme. Die Förderung durch die Arbeitsverwaltung ist willkürlich und oft nicht nachvollziehbar. Bleiben die Unternehmen: Eine Bereitschaft, nachhaltig Geld und Mühe in die Qualifizierung der Mitarbeiter zu stecken, ist immer noch die große Ausnahme, vor allem in KMU. Hierbei sollte also nicht nur auf die Politik gezeigt werden – die Verantwortung der Unternehmen für ihre Mitarbeiter ist eine große. Müsste ihnen vielleicht auch mal gesagt werden.

Herr Person, vielen Dank für das Gespräch.

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