Bildung im Wandel: Die Anforderungen an Bildungseinrichtungen und Lehrer/innen haben sich im digitalen Zeitalter verändert. Wie haben Sie das in den letzten Jahren wahrgenommen?
Annette Kusche: Wir haben festgestellt, dass sich vor allem der Zugang zu unserem Lernangebot von vormals analogen Medien, wie dem Katalogversand, mehr und mehr auf das Internet verlagert hat. Unsere Website www.campusnaturalis.de ist zur zentralen Anlaufstelle für Interessierte geworden. Darüber hinaus haben wir unsere E-Learning Plattform Moodle weiter gestärkt. Alle Kurse fanden aber ausschließlich an unseren 6 Standorten in Berlin, Essen, Frankfurt, Hamburg, Leipzig und München in Präsenz statt. Dies hat sich mit dem Corona-Shutdown im März diesen Jahres schlagartig geändert: Innerhalb kürzester Zeit haben wir das gesamte Kursprogramm zunächst über Live-E-Learning fortgeführt. Und es hat geklappt – alle haben mitgezogen und die Teilnehmenden, Dozierenden und unser Campus-Team waren sehr froh, dass es weitergeht. Nachdem wir die Standorte mit den geforderten Hygienekonzepten bundesweit wieder öffnen konnten, haben wir das virtuelle Klassenzimmer als Ergänzung zu unserem Kursangebot aufgenommen.
Die Veränderung in der Bevölkerungsstruktur mit Flüchtlingen und mehr Migranten führt zu veränderten Lerninhalten. Wie reagiert Ihre Einrichtung darauf?
Annette Kusche: Campus naturalis hat nach dem starken Zugang an Flüchtlingen in 2015 und 2016 eine eigene Ausbildung zum/ zur Flüchtlingsberater*in entwickelt. Wir haben dann auch unsere Traumatherapie-Ausbildung weiterentwickelt und inhaltlich mit diesen neuen Anforderungen gestärkt. Wir nehmen bei uns auch Migrant*innen mit guter Vorqualifikation in die Kurse auf, die teilweise gefördert durch Bildungsgutscheine die Chance bekommen, in Deutschland einen neuen Beruf zu erlernen oder sich weiterzuqualifizieren.
In der Bildungsbranche gibt es auch ein sogenanntes Qualitätsmanagement. Welchen Anforderungen muss der Qualitätsbeauftragte eines Bildungsinstituts in der Praxis gerecht werden?
Annette Kusche: Unser Qualitätsmanagement unterliegt strengen Vorgaben. Wir werden jährlich geprüft, dass wir diesen mehr als genügen. Die Lernenden stehen dabei im Mittelpunkt und das Qualitätsmanagement trägt dafür Sorge, dass die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen werden kann und die Zertifizierung im bundesweiten Vergleich Bestand hat. Das umfasst alles von der Konzeption und Durchführung von Bildungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, den Methoden zur Förderung der individuellen Lernprozesse, regelmäßige Evaluationen, bis hin zur Messung der Zielerreichung und Steuerung fortlaufender Optimierungsprozesse.
Man sagt, dass Lehrer/innen und Ausbilder/innen dem Stress in den Bildungseinrichtungen mit den Schülern kaum noch gewachsen sind. Haben Sie ähnliche Erfahrungen oder kennen Sie Beispiele dafür?
Annette Kusche: Nun, wir bilden genau in diesen Bereichen aus: Stressmanagement, Burnout Prävention, Psychotherapie. Unsere Dozentinnen und Dozenten sind also hervorragend geschult und sehr Praxis erfahren. Daher kennen wir bei campus naturalis solche Probleme nicht.
Der „nationale Bildungsbericht für Deutschland“ benennt alle 2 Jahre Leistungen und Herausforderungen im deutschen Bildungssystem. Können Sie über Zweck und Nutzen kurz etwas sagen?
Annette Kusche: Der Bildungsbericht zeigt den Status quo und eine Tendenz und Entwicklung auf, die sich bei uns widerspiegelt. Es ist sicherlich eine Referenz, um für Deutschland eine Aussage zu treffen. Wir sind jedoch als Institut für Erwachsenenbildung viel näher dran an den Menschen mit ihren Wünschen nach einer bestimmten Ausbildung, die ihnen den gewünschten Erfolg bringt, sei es in der persönlichen Weiterentwicklung oder ganz gezielt, um den nächsten Karrieresprung zu machen oder die Berufung zum Beruf zu machen.
Man spricht gerne vom „Recht auf Bildung“ und „Lebenslangem Lernen“. Wird Deutschland diesem Anspruch Ihrer Meinung nach voll gerecht?
Annette Kusche: Ich persönlich bin der Meinung, dass wir in Deutschland trotz der vielen Kritik ein vergleichsweise gutes Bildungsangebot haben und viele Anstrengungen unternehmen, den Zugang zur Bildung allen gleichermaßen zu ermöglichen. Die Herausforderungen bestehen sicherlich noch in dem steigenden Engpass an gut ausgebildeten Pädagogen, der adäquaten Berücksichtigung der Potenziale im E-Learning, und einer noch komplexen Bildungspolitik bedingt durch das föderale Bildungssystem mit aufwendigen Entscheidungsprozessen.