Dr. Florian Haagen: Finanz- und Versicherungsbranche wird zunehmend digitaler

Interview mit Dr. Florian Haagen
Wir sprechen mit Dr. Florian Haagen, Gründer und Geschäftsführer der finAPI GmbH, über Kontoinformationsdienste und die Nutzung von Bankdaten in verschiedenen Online-Anwendungen.

Die Fintech-Szene ist angetreten, um den etablierten Wettbewerbern in der Finanz- und Versicherungsbranche den Rang abzulaufen. In welchen Bereichen konnten Fintechs signifikante Marktanteile gewinnen?

Dr. Florian Haagen: Die Finanz- und Versicherungsbranche wird zunehmend digitaler. Dabei übernehmen FinTechs oft Services, die bisher ausschließlich von Banken und Versicherungen angeboten wurden, oder sie realisieren neue Ideen, die erst jetzt durch die Digitalisierung möglich wurden. Finanz-Apps zur Verwaltung und Kategorisierung der persönlichen Finanzen oder praktische Buchhaltungs-Tools für Selbstständige und Unternehmen sind nur zwei heute schon bekannte Beispiele.   

Andere Fintechs unterstützen etablierte Unternehmen und andere FinTechs bei der Realisierung dieser neuen Produkte und Services. So bietet finAPI mit dem Kontoinformationsdienst einen online Zugriff auf Bankdaten, die in Online-Anwendungen und Apps genutzt werden können.

Dieser Zugriff auf die Bankdaten wurden erst durch das Inkrafttreten der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) im Januar 2018 und die damit einhergehende Öffnung bisher geschlossener Bankkonten für neue Dienstleistungen in der Bankeninfrastruktur möglich. Banken sind seither verpflichtet, anderen Banken und spezialisierten Dienstleistern mit BaFin-Erlaubnis, wie finAPI, Datenschnittstellen zur Verfügung zu stellen und Dateneinsicht zu geben. Dienstleister können so neue Services auf Basis von Bankdaten für Verbraucher bereitstellen. In Abhängigkeit vom Nutzen der Services entscheidet der Nutzer, was mit seinen Daten passiert und wer diese wann zu welchem Zweck einsehen kann.

Was ist Ihr Kerngeschäft, welche die wichtigsten Alleinstellungsmerkmale Ihres Unternehmens?

Dr. Florian Haagen: finAPI hat als eines der ersten Fintechs die notwendige Erlaubnis zur Erbringung von Kontoinformations- und Zahlungsauslösediensten von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (kurz BaFin) erhalten. Mit unserer Open Banking API erhalten Unternehmen einen „Kontoblick“ auch Access-to-Account oder „XS2A“ genannt und damit Zugriff auf Daten von Girokonten, Sparkonten, Krediten, Depots, Bausparverträgen und Kreditkarten nahezu aller Banken aus Deutschland, Österreich, der Tschechischen Republik sowie der Slowakei – vorausgesetzt natürlich der Kontoinhaber hat zugestimmt. Über die zahlreichen REST-Services (Representational State Transfer) können Kontoinhaber verifiziert sowie Kontotransaktionen abgerufen und mit Zusatzinformationen innerhalb kürzester Zeit in ihre bestehenden Anwendungen integriert werden. Banken können dadurch beispielsweise Multibanking anbieten und Konten, die der Kunden bei anderen Fremdbanken hat, im eigenen Online-Banking anzeigen. Versicherungen könnten Kontoumsätze analysieren und dem Kunden passgenaue Angebote machen. Auch bei anderen Dienstleistungen dienen Kontoinformationen und Data Intelligence als Basis zur Verifizierung der Identität und der Bonität. Im E-Commerce, in ERP-Systemen und generell in der Buchhaltung können dadurch Buchhaltungsprozesse automatisiert und vereinfacht werden und Zahlungen ausgelöst werden.

Welchen Mehrwert bieten Sie Kunden im Vergleich zu ihren etablierten Wettbewerbern?

Dr. Florian Haagen: finAPI ist bereits seit 2008 am Markt – entsprechend verfügen wir für ein FinTech über langjährige Erfahrung, kennen den Markt sehr gut und reagieren mit innovativen Entwicklungen laufend auf Veränderungen und neue Anforderungen des Marktes. Im Bereich der XS2A-basierten Anwendungen kooperieren wir außerdem eng mit der Schufa, die 2019 eine Mehrheitsbeteiligung an finAPI erworben hat. Die erste gemeinsame Lösung, GiroIdent GwG, vereinfacht Unternehmen die Identifikation von Kunden und Geschäftspartnern und erfüllt die Anforderungen zur Geldwäsche-Prävention und Compliance. Die Verifikation erfolgt über die Kontoeinsicht und den zusätzlichen Abgleich der Kontodaten mit dem Datenbestand der SCHUFA. Diese gebündelte Expertise bietet unseren Kunden in vielen Bereichen einen echten Mehrwert.

Es gibt zwei Ansätze in der Fintech-Szene: Übernahme des Marktes oder Kooperation mit etablierten Unternehmen. Welchen Ansatz halten Sie für zielführender, wie agiert ihr Unternehmen?

Dr. Florian Haagen: Die Übernahme des Marktes halte ich für sehr schwierig. Deshalb haben wir uns bei einigen Projekten bereits für die Kooperation entschieden und profitieren von wechselseitigen Synergie-Effekten und gegenseitigem Know-how-Transfer mit der Schufa.

Wie schnell reagieren Ihre Wettbewerber auf neue Trends, wie hoch ist der Innovationdruck?

Dr. Florian Haagen: Wie Eingangs bereits gesagt, verändert sich der Markt stetig durch die steigende Digitalisierung – in diesem Jahr Corona-bedingt in einigen Bereichen sogar besonders stark. Darauf muss man schnell reagieren, denn „die Konkurrenz schläft nicht“. Für die Vergabe von Soforthilfen, Förderprogrammen und Krediten hat finAPI in Kooperation mit der Schufa und Clarilab im Frühjahr daher einen digitalen Prozess zur Prüfung von Kreditanträgen lanciert. Damit können jegliche Kredite in rund 15 Minuten ganz ohne Papierkram online beantragt und ausgezahlt werden.

Welche Innovationen dürfen wir von Ihnen in nächster Zeit erwarten?

Dr. Florian Haagen: Vor allem im Bereich Data Intelligence sehen wir noch viele Anwendungsmöglichkeiten für Unternehmen. Datenintegration und Datenanalyse, basierend auf Technologien der künstlichen Intelligenz, vor allem Machine Learning, sind bei uns ein Schwerpunkt für aktuelle Produktentwicklungen, die wir aktuell für und gemeinsam mit Kunden realisieren.

Herr Dr. Haagen, vielen Dank für das Gespräch.

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