Dr. Guido Zimmermann: Je größer der Anteil (Stake) ist, desto größer ist das Verlustrisiko

Interview mit Dr. Guido Zimmermann
Dr. Guido Zimmermann ist Senior Economist der Landesbank Baden-Württemberg. Mit ihm sprechen wir über Kryptowährungen, Blockchain sowie Staking-Markt.

Kryptowährungen können nicht nur durch Schürfen verdient werden, sondern auch durch Staking. Was versteht man unter diesem Begriff?

Dr. Guido Zimmermann: Eine Blockchain ist eine dezentral verteilte Datenbank, über die ein Wertetransfer via digitale Wertschriften (Tokens) stattfinden kann, ohne dabei auf Intermediäre rekurrieren zu müssen. Die traditionelle Vertrauensbildung zwischen Kontrahenten durch zentralisierte Intermediäre wie Banken wird hier durch die dezentralisierte Organisation via Algorithmen ersetzt: Vernetzte Computer erzielen Konsens über die Wahrhaftigkeit geteilter Daten. Wie kann man aber Anreize zur Konsensbildung in einem dezentralen Netzwerk schaffen? Die Antwort ist, dass man die Netzwerkknoten für ihre Leistung der Validierung von Transaktionen mit den Tokens der jeweiligen Blockchain entlohnt (z. B. in Bitcoin (BTC) oder Ether (ETH)). Eine Möglichkeit besteht darin, dass im Prinzip jeder an der Konsensbildung teilnehmen und damit Tokens verdienen kann, wenn er nur genügend Elektrizität einsetzt, um mit seinen Computern die in das Netzwerk gespeisten Transaktionen zu validieren. Denn derjenige, der am meisten Rechnerkapazitäten hat, wird als erster einen gültigen Block kreieren und dann diese Tokens verdienen. Diesen Prozess nennt man in Anlehnung an den Goldbergbau auch Mining (Schürfen), weil im Fall von Bitcoin über diesen Prozess im Zeitablauf 21 Mio. Stück Bitcoin „abgebaut“ bzw. in das System eingespeist werden. Die Miner beweisen mit dem Einsatz von Kosten der Elektrizität und der Mining-Hardware (Proof-of-Work), dass sie an der Richtigkeit der Transaktionen interessiert sind. Ein alternatives Anreizmuster zur Selbstorganisation einer Blockchain wäre, dass nur derjenige Netzwerkknoten Blöcke kreieren darf, der zuvor Anteile an der Blockchain in Form der nativen Kryptowährung der Blockchain (z. B. ETH) hat. Je größer der Anteil (Stake) ist, desto größer ist das Verlustrisiko, sollten Transaktionen falsch validiert worden sein. 

Wer oder was sind Validatoren? Kann jeder Validator werden und welche Anforderungen gibt es?

Dr. Guido Zimmermann: Validatoren von Proof-of-Stake-Blockchains haben die gleichen Aufgaben wie die Miner von Proof-of-Work-Blockchains. Beim Proof-of-Work kann im Prinzip jeder mitmachen, sofern er über genügend Ressourcen verfügt, im Wettbewerb der Miner teilzunehmen. Vor ein paar Jahren hätte hier jeder mit seinem Laptop mitmachen können. Heute benötigt es hierfür riesige Rechnerfarmen. Beim Proof-of-Stake kann auch jeder teilnehmen, er muss aber zuvor Anteile an der Blockchain erworben haben: Jeder, der über einen Mindestvolumen an nativen Tokens der Blockchain verfügt, kann im Prinzip ein Validator werden, indem er Anteile temporär in einem offiziellen Einlagenkonto verwahrt. Dieser Anteil geht bei falscher Validierung verloren.

Wo liegt der Unterschied zwischen Proof-of-Work-Blockchain (PoW) und Proof-of-Stake-Algorithmen (PoS)?

Dr. Guido Zimmermann: In PoW-basierten öffentlichen Blockchains (z. B. Bitcoin und die aktuelle Implementierung von Ethereum) belohnt der Algorithmus den Miner, der als erstes ein energieaufwändiges kryptographische Rätsel gelöst hat, damit, einen neuen Block zu erstellen und folglich native Coins zu verdienen. In PoS-basierten Blockchains wählt der Algorithmus Stakeholder per Zufallsmechanismus als Validatoren aus.

Ist PoS evtl. eine nachhaltigere Variante als das konventionelle Schürfen?

Dr. Guido Zimmermann: Der Energieverbrauch zwischen beiden Verfahren unterscheidet sich ganz erheblich. Beim PoW konkurrieren viele Miner um die Erstellung von Blöcken, aber nur einer kann gewinnen. Der Stromverbrauch der Verlierer wurde folglich umsonst eingesetzt. Dagegen ist der PoS umweltschonender, weil von vornherein nur diejenigen partizipieren können, die Stakes erworben haben und ein Stakeholder per Zufall ausgewählt wird. Auch wird weniger elektronischer Müll produziert, da nun kein Wettbewerb der Computer mehr um das Privileg der Erstellung der Blöcke besteht.

Inwiefern zieht der Validator einen Vorteil? Was für eine Belohnung erhält er? Wie sieht der Gewinn aus?

Dr. Guido Zimmermann: Dies hängt von der Ausgestaltung der Entlohnung auf den Blockchains ab. Bei den beiden populärsten Blockchains Bitcoin und Ethereum werden die Miner bzw. Validatoren zum einen durch die nativen Tokens der Blockchain entlohnt, zum anderen erhalten sie eine Transaktionsgebühr.

Trägt ein Validator ein Risiko? Wenn ja, wie äußert es sich?

Dr. Guido Zimmermann: Beim PoW trägt der Miner das Risiko, dass er seine Ressourcen umsonst eingesetzt hat. Der Preis der Kryptowährung, die Transaktionsgebühren und die Stromkosten bestimmen das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Validierung. Beim PoS besteht das Risiko für den Validator, dass die im Einlagenkonto hinterlegten Coins gehackt werden oder einer hohen Volatilität unterliegen.

Prognose zum Staking-Markt: Wie sicher ist die Zukunft des Markts?

Dr. Guido Zimmermann: Das ist sehr schwer zu sagen. Ethereum möchte alsbald kleineren Blockchains folgen und vom PoW auf PoS wechseln. Bei Bitcoin dürfte dieser Wechsel aufgrund der hohen Dezentralität der Governance der Blockchain schwierig werden. Bitcoin dürfte daher auf absehbare Zeit mit dem PoW operieren. Da die Regulierung bei einer zunehmenden Bedeutung des Blockchain-basierten Decentralized-Finance-Marktes konkrete Ansprechpartner haben möchte, die Identität der Stakeholder beim PoS im Prinzip bekannt ist, die Debatte um die Energie-Nachhaltigkeit von PoW-basierten Blockchains weiter an Lautstärke gewinnen dürfte, und DeFi-Anwendungen v. a. auf Ethereum gebaut werden, ist davon auszugehen, dass PoS eher eine Zukunft haben dürfte als PoW. Bitcoin kann in diesem Zusammenhang vielleicht mit dem ersten Auto verglichen werden: Schmutzig, langsam, unausgereift, aber eine geniale Erfindung. Allerdings fahren wir heute auch nicht mehr mit der Technik des ersten Autos.

Herr Zimmermann, vielen Dank für das Gespräch!

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