Hansjörg Fetzer: Deutschland ist eine Bildungsnation

Interview mit Hansjörg Fetzer
Hansjörg Fetzer ist Geschäftsführer der Haufe Akademie, einem der führenden Anbieter für digitale Arbeitsplatzlösungen und Weiterbildung in Deutschland. Mit ihm sprechen wir über die aktuell verpasste Schulzeit der Kinder, flächendeckende Digitalisierung sowie die digitale Zukunft Deutschlands.

Die Kinder sind Zuhause und das bereits ungewöhnlich lange, die verpasste Schulzeit ist nur schwer aufzuholen. Zeigt sich jetzt, dass Deutschland die Digitalisierung verschlafen hat?

Hansjörg Fetzer: Die Pandemie trifft die Schulen in allen Ländern. Die Schülerinnen und Schüler haben dadurch erhebliche Nachteile, weil der Lernstoff nicht wie gewohnt vermittelt werden kann und der Austausch mit den Lehrenden und Klassenkameraden fehlt. Beim ersten Lockdown hat sich gezeigt, dass unsere Schulen für den digitalen Unterricht nicht ausreichend vorbereitet waren. Inzwischen hat sich die Lage gebessert, es wurden IT-Systeme für Lehrende und Schüler angeschafft, es gibt zahlreiche Lernplattformen, über die der Unterricht organisiert wird. Allerdings besteht weiterhin Nachholbedarf bei den digitalen Kompetenzen der Lehrkräfte, einen ansprechenden und zielführenden digitalen Unterricht durchzuführen.

Es klingt nach einer großen Aufgabe, das Bildungswesen beispielsweise flächendeckend zu digitalisieren. Was muss geschehen, dass es kurzfristig besser wird?

Hansjörg Fetzer: Wir müssen zwischen den unterschiedlichen Bildungsstätten unterscheiden. Bei vielen Hochschulen läuft der Lehrbetrieb überwiegend online und wird gut umgesetzt. Die Studierenden sitzen nicht mehr im Hörsaal, sondern lernen in ihrer Studentenwohnung. Der Austausch läuft über Chats, die aber den Austausch im Seminarraum oder in der Mensa nicht ersetzen können. Das ist kein Zukunftsmodell, sondern eine Notlösung für die Überbrückung der Pandemie.

Bei den Schulen ist zu differenzieren. In der gymnasialen Oberstufe können die Schülerinnen und Schüler weitgehend eigenverantwortlich lernen, das kann gut funktionieren, wenn die Lehrenden über umfangreiche IT-Kenntnisse verfügen und die nötige IT-Lerninfrastruktur zur Verfügung steht. Das ist leider nicht durchgängig der Fall und muss dringend verbessert werden. An den Grundschulen, wo die Kinder lesen und schreiben lernen, brauchen wir vorwiegend Präsenzunterricht. Die Lernziele können sonst kaum erreicht werden, die Schüler müssen ans Lernen herangeführt werden und brauchen die direkte Unterstützung der Lehrkräfte.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat als Folge der Pandemie das digitale Lernangebot ausgeweitet. Wie zielführend sind solche Initiativen?

Hansjörg Fetzer: Die BBC ist mit ihrem Angebot voranmarschiert, der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat nachgezogen und kommt damit seinem Bildungsauftrag nach. Wie gut die Angebote sind, lässt sich derzeit noch nicht bewerten. Wir kennen weder Nutzerzahlen, noch wissen wir, in welchem Umfang die Schulen und Lehrkräfte diese Angebote in das digitale Unterrichtsangebot einbauen. Doch davon wird es letztlich abhängen, ob die Initiative Erfolg hat. Das Bereitstellen von Lerninhalten auf digitalen Plattformen reicht eben nicht aus, um Lernen möglich zu machen. Das sind unsere Erfahrungen als einer der führenden Anbieter von betrieblicher Weiterbildung.

Kann Unterricht oder Berufsbildung in Zukunft ausschließlich digital stattfinden?

Hansjörg Fetzer: Der Ort für die Ausbildung unserer Kinder sind die Schulen. Alle pädagogischen Konzepte basieren auf einer Lehrer-Schüler-Beziehung, die ein wichtiger Faktor für den Lernerfolg, gerade jüngerer Kinder, darstellt. Das soll aber nicht als Ausrede gelten, warum wir nicht ausreichend Kompetenzen beim digitalen Lernen aufgebaut haben. Die Schulen brauchen eine Infrastruktur mit IT-Ausstattung und Lernplattformen, die Lehrkräfte brauchen Unterstützung von IT-Fachkräften und Kollegen, die schon über viel Erfahrung mit digitalem Unterricht verfügen. Beispiele aus anderen Ländern wie z.B. Dänemark zeigen, dass explizit Stellen für IT-Fachkräfte geschaffen worden sind. Da besteht bei uns weiterhin Nachholbedarf.

Wie sieht für Sie das digitale Deutschland der Zukunft aus?

Hansjörg Fetzer: Deutschland ist eine Bildungsnation. Wir sind das Land der Dichter und Denker. Wir waren lange Zeit Vorbild für klassische Bildung. Die Idee der Universitäten wurde bei uns begründet. Wir wünschen uns, dass Deutschland auch Vorreiter für digitale Bildung werden kann. 

Herr Fetzer, vielen Dank für das Gespräch!

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