Bernd Christopher Kunze: Rasante Anstieg der Inflation sorgt für einige Bedenken

Interview mit Bernd Christopher Kunze
Bernd Christopher Kunze ist Inhaber Kühn an Rat Vermögensverwaltung UG in Dresden. Mit ihm sprechen wir über Konjunkturdaten, Angst vor Stagflation sowie Ende des Post-Corona-Booms.

Konjunkturdaten signalisieren immer öfter, dass der Post-Pandemie-Boom abebbt. Simultan steigt die Inflation aber noch ungebrochen. Die Angst vor Stagflation steigt. Welche Anzeichen gibt es hierfür?

Bernd Christopher Kunze: Aktuell sehen wir, wie eine Vielzahl von Preisindizes in Deutschland ansteigen. So gibt das Statistische Bundesamt einen Anstieg der Verbraucherpreise von November 2021 zum Vorjahr von über 5,2 % an. Auch der Index für Einzelhandelspreise verzeichnet einen Anstieg von über 5,9 % zum Vorjahr. Dieser extreme Anstieg begann im Frühling dieses Jahrs. Der rasante Anstieg der Inflation, den wir aktuell sehen, sorgt für einige Bedenken. Es bleibt spannend, wie die EZB die Preisniveaustabilität sicherstellen will. Aktuell belasten aber die erhöhte Nachfrage, sowie Material- und Transportknappheit die Zahlen. Ein wirklicher Post-Corona-Boom stellt sich allerdings noch nicht ein. Zwar zeigt die Arbeitslosenzahl von nur noch 5,1 % in Deutschland den richtigen Weg und entspricht damit dem Vor-Corona Niveau. Die geringe Arbeitslosenquote hat sich die Bundesregierung allerdings bisher teuer erkauft.

Das Ende des Post-Corona-Booms kündigt sich an. So fiel der vielbeachtete ifo-Indikator im September zum dritten Mal in Folge. Woraus resultierte die Schwäche der Wirtschaft?

Bernd Christopher Kunze: Ich möchte hierzu mehrere Probleme benennen. Die Politik hat in den vergangenen Jahren mithilfe der Zentralbank die Wirtschaft in der Corona-Zeit gestützt, in dem sie mit Kurzarbeitergeld oder Stabilisierungshilfen die fehlende Nachfrage abfingen. Der Staat hat damit viele Unternehmen und Arbeitsplätze auf eigene Kosten gerettet, wobei die Kosten letztlich die Steuerzahler tragen. Diese Gelder vom Staat sind jetzt ins System geflossen, um die fehlenden Einnahmen auszugleichen. Allerdings gingen in der Wirtschaft durch die Hilfen trotzdem das Angebot und die Nachfrage zurück. Jetzt wo das Geld im Markt ist und die Nachfrage wieder ansteigt, das Angebot aber noch aufgebaut wird, sehen wir wie die Inflation in Fahrt kommt. Keynes sprach bei Inflation, von einer willkürlichen Verschiebung des Reichtums, welcher sowohl die Sicherheit als auch das Vertrauen auf die bestehende Gerechtigkeit der Verteilung zerstört. Denn durch die Inflation gerät das Verhältnis zwischen Schuldnern und Gläubigern, welche die Grundlagen für den kapitalistischen Prozess sind, in Unordnung. Ich möchte hier den Fokus besonders auf die Inflation setzen und deren Bedeutung hervorheben. Eine hohe Inflation ist sowohl wirtschaftlicher als auch politischer Sprengstoff. Darum sehe ich die aktuelle Schwäche besonders in diesem Punkt, auf den sich die Wirtschaft einstellen muss.

In manchen Teilen der Wirtschaft scheint die Pandemie hingegen überwunden. Welche Marktsegmente boomen derzeit besonders?

Bernd Christopher Kunze: Mich begeistert immer stark die Börse. Dort finden wir viele Unternehmen, die sich erfolgreich durch die Pandemie in den vergangenen zwei Jahren gekämpft haben. Die meisten börsennotierten Unternehmen haben in der Zeit der Pandemie besonders die Digitalisierung vorangetrieben. Deswegen verzeichnen aktuell gerade die IT Unternehmen gute wirtschaftliche Bilanzen. Auch Unternehmen im Gesundheitssektor sind durch den pandemiebedingten Fokus besonders gut weggekommen.

Dies sind Nachrichten, die uns nicht überraschen. Ich persönlich liebe, aber auch deutsche Mittelstandsunternehmen, welche an der Börse handelbar sind. Da finden wir auch eine Menge von Unternehmen in – sagen wir weniger attraktiven und interessanten – Branchen, welche Ihre Struktur und Ausrichtung in der Pandemie festigen konnten und mit guten Zahlen jetzt vergleichbar stark am Markt auftreten. Da haben wir beispielsweise bei Produzenten und Vertreibern von weinhaltigen Produkten Gewinne auf Vorkrisenniveau und höher. Diese Unternehmen mussten zwar stärker vom B2B und Offline Geschäft sich in den digitalen Markt verschieben, das Geschäftsmodell war dennoch immer intakt. Auch haben wir in Deutschland eine Vielzahl an Unternehmen, die Produkte im Heim- und Handwerkerbereich anbieten. Diese Unternehmen kämpfen natürlich auch mit Lieferengpässen, können sich aber bisher guter Nachfragen am Markt erfreuen.

Was muss jetzt passieren, damit das Risiko einer Stagflation eingedämmt wird?

Bernd Christopher Kunze: Die Wirtschaftsmaschine ist ein sehr komplexes Konstrukt, sodass die Beantwortung dieser Frage nicht mit einer einfachen Ursache-Wirkungskette kausal argumentiert werden kann. Hier reicht es nicht aus, wenn wir den deutschen oder europäischen Markt mit seinen Rahmenparametern betrachten. Wir unterliegen immer den globalen Marktbedingungen und Aktionsmechanismen. „Wie schaffen wir den Weg raus aus der Stagflation in ein gesundes Wirtschaftswachstum?“ – das ist wohl die aktuelle Gretchenfrage, die sich keiner traut zu beantworten.

Wie realistisch ist es Ihrer Meinung nach, dass es in naher Zukunft wirklich zum Mix aus niedrigem Wachstum und hohem Preisauftrieb kommt?

Bernd Christopher Kunze: Ob die Stagflation wahrscheinlich ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Offensichtlich ist jedenfalls, dass viele Unsicherheiten im Markt sind. Der wirtschaftliche Schock, den wir vor zwei Jahren durch den Beginn der Corona-Zeit erlebt haben, hat nachhaltig die Wirtschaft und Politik verändert. Aktuell kämpfen wir daher mit den Problemen, die sich dadurch angestaut haben. Darunter zählen wie schon angesprochen die ansteigende Staatsverschuldung, die ansteigende Inflation, die sich verändernde Arbeitswelt als auch die vermeintliche Zahl der Zombieunternehmen. Und das sind nur die Probleme, über die aktuell gesprochen wird. Ich denke aber nicht, dass aus diesen Marktherausforderungen die nächste Krise erwachsen wird. Wie wir immer in der Vergangenheit gesehen haben, entstehen Krisen nicht aus bekannten Problemen, sondern erwachsen aus einem plötzlichen unvorhergesehenen Ereignis. Teilweise ist dies ein sich anwachsendes Problem, bevor es zur Krise wird. Nichtsdestotrotz sind Krisen schwarze Schwäne.

Herr Kunze, vielen Dank für das Gespräch!

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