Bernhard Rauch: Ein qualifizierter Honorarberater analysiert vollumfänglich die Kundensituation

Interview mit Bernhard Rauch
Bernhard Rauch ist Gesellschafter-Geschäftsführer der BVS-Finanz KG. Mit ihm sprechen wir über Honorarberatung, Hilfe für Klienten sowie Handlungsspielraum.

Die Honorarberatung ist in Deutschland noch wenig bekannt. Viele halten sie für eine andere Form der Provisionsberatung. Honorarberater stellen ihr Fachwissen und ihre Zeit zur Verfügung, um ihren Klienten zu helfen. Aber wie unterscheiden sich die Honorar- und Provisionsberatung denn genau?

Bernhard Rauch: Bei der Honorarberatung ist im Gegensatz zur Provisionsberatung kein Erfolg geschuldet. Mit Erfolg ist in diesem Zusammenhang die erfolgreiche Vermittlung eines Vertrages gemeint. Die Herangehensweise beider Beratungsansätze (Provision- und Honorarberatung) ist eingangs allerdings nahezu identisch. Beide müssen die individuelle Kundensituation (Familiensituation, Beruf, Einkommen, Ausgaben, Vermögen und Schulden etc.) analysieren. Der wesentliche Unterschied eines Provisionsberaters zum Honorarberater dürfte das Vermittlungsinteresse sein, da ausschließlich dadurch Umsatz erzielt werden kann. Beim Honorarberater wird die reine Beratung bzw. Beratungszeit vergütet. Dies führt häufig zu politischen Diskussionen, da unterstellt wird, dass das Kundeninteresse und somit der Verbraucherschutz aufgrund des Vermittlungsinteresses eines Provisionsberaters von diesem nur nachrangig berücksichtigt wird.

Genauso unbekannt sind die Tätigkeiten von Honorarberatern. Können Sie uns sagen, was eine qualifizierte konkrete Honorarberatung leistet?

Bernhard Rauch: Ein qualifizierter Honorarberater analysiert vollumfänglich die Kundensituation und bewertet, ob vorliegende Verträge bedarfsgerecht sind. Hierbei kann eine unabhängigere Haltung eines Honorarberaters zu einem Provisionsberater unterstellt werden, da dieser vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Vertrages unabhängig ist. Überdies sollte ein qualifizierter Honorarberater konkrete Handlungsempfehlungen geben können.

Eine Honorarberatung ist dennoch nicht allmächtig. Welchen Handlungsspielraum hat eine Honorarberatung und für welche Produktarten ist sie zugelassen?

Bernhard Rauch: Der Handlungsspielraum eines Honorarberaters beschränkt sich auf die Bewertung vorliegender Verträge in Bezug auf die Kundensituation. Einem Honorarberater ist es hingegen nicht möglich, auch ohne den Erhalt von Provisionen, Verträge zu vermitteln. Er kann den Abschluss von Verträgen lediglich empfehlen.

Eine Beschränkung der Honorarberatung auf Produktarten existiert nicht.

Interessenten wissen oft nicht, wie man eine gut arbeitende Honorarberatung findet. Haben Sie Tipps, wie man eine qualifizierte und seriöse Honorarberatung ausfindig macht?

Bernhard Rauch: Honorarberatung ist in Deutschland eine genehmigungspflichtige Tätigkeit. Voraussetzung für die Genehmigung ist ein einwandfreier Leumund, Bonität, Nachweis der entsprechenden Sachkunde sowie eine Berufshaftpflichtversicherung. Personen die diese Voraussetzungen erfüllen, werden im Vermittlerregister der Industrie- und Handelskammer aufgeführt.

Nimmt man eine Honorarberatung in Anspruch und handelt nach gegebenen Ratschlägen, kann es immer noch zu Verlusten kommen. Was kann man tun, wenn eine Beratung fehlerhaft war?

Bernhard Rauch: Auch Honorarberaten können Fehler unterlaufen, aus denen sich Vermögensschäden von Kunden ergeben. Aus diesem Grund müssen auch Honorarberater zwingend eine Berufshaftpflichtversicherung unterhalten. Ferner gehört es zu den verpflichtenden Angaben eines Honorarberaters beim Erstkontakt dem Kunden die Versicherung und die Versicherungsnummer seiner Berufshaftpflichtversicherung mitzuteilen. Sollte es zu Vermögensschäden durch Falschberatung kommen, kann sich der Kunde direkt an die Versicherung des Honorarberaters wenden.

Finanzexperten warnen vor Honorarberatungen, weil gesetzliche Vorgaben und staatliche Überwachung noch nicht ausreichend sind. Was halten Sie persönlich von Honorarberatungen? Empfehlenswert oder nicht?

Bernhard Rauch: Dass Finanzexperten vor Honorarberatung warnen, würde ich so nicht unterschreiben. Aus meiner Sicht wird die Honorarberatung vielmehr aufgrund verschiedener Interessen kontrovers diskutiert. Es gibt zum einen die Argumentation aus dem Lager der Versicherungen und deren Vertriebsvorstände, wenn die Honorarberatung in Deutschland die Provisionsberatung als Vergütungssystem ablöst, dass sich Kunden mit geringerem Einkommen eine Beratung nicht mehr leisten könnten. Diese Argumentation sehe ich, wenn diese auch eine der wenigen ist, als begründet an. Allerdings unterstelle ich den Versicherungen auch, dass sie diesen Grund vorschieben um das vorrangige Verkaufs- und Vertriebsinteresse (Verkauf gewisse Stückzahlen und Versicherungssummen, um den wirtschaftlichen Erfolg der Versicherungsgesellschaft zu garantieren), welches durch die Provisionsberatung einfach und rigoros kontrolliert und gesteuert werden kann, zu schützen und zu festigen. Zweifelsfrei ist die Verkaufs- und Vertriebssteuerung im Rahmen der Provisionsberatung für Versicherungsgesellschaften einfacher und effektiver. Argumentationen der Gegenseite, dass hierbei das Kundeninteresse nachrangig und bei intensiver Verkaufsförderung sogar vollständig unberücksichtigt bleiben kann, ist ebenso schlüssig und nachvollziehbar. Dies begründet unter anderem auch den schlechten Ruf der Branche. Allerdings sehe ich die reine Honorarberatung, was eine Abschaffung der Provisionsberatung zur Folge hätte, auch nicht als Allheilmittel, da wie oben bereits erwähnt es Situationen gibt bei denen für Kunden die Provisionsberatung günstiger ist. Wichtig wäre im Rahmen der Provisionsberatung eine echte Transparenz hinsichtlich der für den Vermittler zu erwartenden Provisionen zu installieren. Die bisher von Verbraucherschützer über die Politik installierten Versuche, Produkte und deren Provisionen transparenter zu gestalten sind aus meiner Sicht aufgrund mangelnder Sachkenntnis sowie Lobbyismus vollständig gescheitert. Konkret meine ich damit, dass es Verbraucherschützern und deren politische Lager aufgrund mangelnder theoretischer aber auch praktischer Erfahrung nicht möglich ist, sinnvolle Instrumente zu installieren. Als Beispiel möchte ich hierfür die öffentlich zugänglichen Muster-Riester-Produktinformationsblätter nennen, deren Kostenausweise für Kunden praktisch nichtssagend sind. Aus meiner Sicht wäre eine Kombination beider Beratungsansätze, sowohl die Provision- als auch die Honorarberatung die sinnvollste Lösung, wobei im Rahmen der Provisionsberatung eine absolute Transparenz hinsichtlich zu erwartender Provisionen bei Vermittlung erforderlich ist. Viele Vermittler entgegnen dieser Transparenz das andere Berufsgruppen (zum Beispiel Handwerker) auch nicht ihre Gewinne offen legen müssen. Dies ist insoweit eine Fehlinterpretation, da es sich bei der Provision lediglich um einen Umsatz und nicht um einen Gewinn handelt. Um bei diesem Beispiel zu bleiben, kann man anführen, dass auch ein Handwerker zum einen ein Angebot und zum Schluss dem Kunden eine Rechnung offeriert. Dies wäre auch ein Ansatz, wie Provisionen transparent gestalten werden könnten, wenn diese in Form einer Rechnung an den Kunden (was es dem Grunde nach auch ist) ausgewiesen werden würden. Ein weiterer Vorteil der Kombination beider Beratungsansätze wäre, dass gerade kleinere Unternehmen wieder wirtschaftlich wären, da häufig viele Arbeiten für den Kunden im Rahmen der Provisionsberatung eben nicht vergütet werden, diese aber dem Grunde nach und den Erwartungen des Kunden nach zu leisten sind. Als Beispiel kann man hier die Tätigkeit eines Maklers im Rahmen eines Schadenfalls anführen, welche grundsätzlich über Provisionen generell nicht vergütet wird. Nachvollziehbarer Weise ist die Motivation für Tätigkeiten, welche nicht vergütet werden gering, was zur Folge hat, dass Kunden sich bei Schäden häufig allein gelassen fühlen. Hierbei unterstelle ich wiederum die Interessen von Versicherungsgesellschaften, dass Kunden bei Schäden möglichst laienhaft auftreten, um nicht alle Ansprüche geltend zu machen. Es ist naturgemäß nicht im Interesse von Versicherungen, professionelle Berater zu installieren, welche im Kundeninteresse bei Schäden tätig werden. Aber genau dies wäre erforderlich. Als letztes möchte ich noch auf die staatliche Überwachung bzw. gesetzlichen Vorgaben für Honorarberatungen eingehen. Die Honorarberatung ist ein klassischer Vertrag zwischen dem Auftraggeber, dem Kunden und dem Dienstleister, dem Berater. Nicht nur die bereits oben erwähnten Regularien für die Zulassung als Honorarberater, sondern auch viele Vorschriften für übliche Dienstleistungsverträge aus BGB, existieren bereits. Aus diesen Gründen sehe ich hier keinen gesetzlichen Regulierungsbedarf. Vielmehr müsste die Honorarberatung neben der Provisionsberatung (oder besser MIT der Provisionsberatung) schlichte Anerkennung finden.

Als einzige, in meinen Augen allerdings unverzichtbare Regularien sehe ich eine Vergütungsverordnung analog anderer vergleichbarer Berufe. Solch eine Vergütungsverordnung wäre deshalb sehr sinnvoll und wichtig, da viele, insbesondere kleinere Betriebe bisher nie eine wirtschaftliche Kalkulation ihrer Geschäftstätigkeit durchführen mussten. Es war bisher immer üblich, dass ausschließlich Provisionen die Wirtschaftlichkeit bestimmten. Ob ein Betrieb wirtschaftlich überleben konnte, war bzw. ist allein abhängig von der Höhe der Provision und deren Anzahl, was zwangsläufig den oben beschriebenen Interessenkonflikt zwischen Kundenbedarf und wirtschaftlichen Erfolg des Beraters auslöst. Gäbe es eine Vergütungsverordnung, deren Inhalt Mindestgebühren für verschiedene Tätigkeiten (z.B. Vermittlung, Verwaltung, Korrespondenz, Schadenmanagement etc.) analog einem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder Steuerberatervergütungsverordnung vorsehen würde, wären die Kosten für Kunden zum einen wesentlich transparenter aber viel mehr wäre sichergestellt, dass Aufträge und Tätigkeiten nur noch unter vernünftigen wirtschaftlichen Gesichtspunkten angenommen bzw. ausgeführt werden. Eine solche Verordnung sollte auch Regeln über Gewährleistungen, insbesondere über Haftungszeiträume beinhalten. Berater, die auf die Erzielung von Provisionen angewiesen sind, müssen auf Druck der Versicherungswirtschaft mittlerweile einen Haftungszeitraum von bis zu 8 Jahren hinnehmen. In anderen Branchen endet die gesetzliche Gewährleistung üblicherweise nach 2 Jahren. Selbst in der Baubranche endet die Haftung im Höchstfall nach 5 Jahren. Ferner Bedarf es für ein Haftung auslösendes Ereignis üblicherweise Kausalität. Gemeint ist, dass ein Schaden ursächlich auf die Tätigkeit der Beratung oder Vermittlung zurückzuführen ist. Auch dies ist in der Provisionsberatung nicht erforderlich. Berater haften bis zu 8 Jahre für Stornierungen, auch wenn diese ursächlich nicht auf die Beratungs- und/oder Vermittlungstätigkeit zurückzuführen ist. Häufig begründen Lebensereignisse wie Scheidung, Arbeitslosigkeit oder der Tod einer Person die Stornierung eines Vertrages. Dennoch müssen hierfür Berater und Vermittler einstehen. Dies wird von vielen Provisionsberatern (aus meiner Sicht teilweise durch die Gier nach hohen Provisionen und der Einstellung, „es wird schon gut gehen“) billigend in Kauf genommen.

Herr Rauch, vielen Dank für das Gespräch!

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