Claus Walter kritisiert Werbegeschrei der großen Vertriebsmaschinerien

Interview mit Claus Walter
Claus Walter ist Vorsitzender der Geschäftsleitung der Freiburger Vermögensmanagement GmbH. Im Interview spricht er über die mangelnde Bereitschaft der Deutschen für unabhängige Beratung in Finanzfragen zu zahlen.

Vermögensverwaltung ist nur etwas für Superreiche oder doch nicht? Wie hoch ist üblicherweise das von Ihnen verwaltete Vermögen?

Claus Walter: Strategisch Geld zu investieren und dafür unabhängige Expertise zu nutzen, muss kein Privileg für Millionäre sein. Über unseren Fonds FVM-Classic UI bieten wir jedem die Möglichkeit, auch kleinere Beträge breit gestreut und nach den gleichen Kriterien anzulegen, die wir auch in unseren Einzelmandaten – ab 500.000 Euro – als Vermögensverwalter anwenden. Hier betreuen wir Stiftungen, Unternehmen und vermögende Privatkunden ganz individuell rund um Finanzthemen. Das verwaltete Gesamtvermögen unserer rund 300 Mandanten liegt bei über 200 Millionen Euro.

Was sind Ihre favorisierten Asset-Klassen?

Claus Walter: Unser oberstes Ziel ist es, das Vermögen vor Unwägbarkeiten zu schützen und immer eine Balance zwischen Chancen und Risiken zu wahren. Hier hat sich eine ausgewogene Mischung aus Aktien, Renten, Edelmetallen und eine flexible Barreserve bewährt. Im Rahmen des stringenten FVM-Investmentprozesses achten wir bei der Selektion von Aktien und Rentenpapieren auf eine breite Mischung von Branchen, Regionen, Währungsräumen, Schuldnerrisiken und nicht zuletzt insgesamt auf zukunftsfähige Qualitäten. Im momentanen Niedrigzinsumfeld haben Aktien an Bedeutung als Investmentbaustein gewonnen, um trotz immer möglicher Wertschwankungen langfristig reale Erträge zu erzielen. Die FVM investiert dabei grundsätzlich nicht in Unternehmen, die ihr Geschäft überwiegend mit Rüstung, Alkohol, Tabak, Glücksspiel oder Pornografie machen. Diese ethischen Kriterien gehören zu unserem Verständnis von Nachhaltigkeit und zu einer Investmentpolitik mit Weitblick ohne hektisches Handeln.

Wie schätzen Sie Deutschland als Investitionsstandort ein?

Claus Walter: Hierzulande gibt es immer noch viel Potenzial und wir sind nicht umsonst in einer Reihe von Bereichen Weltspitze. Mehr politische Stabilität und Verlässlichkeit bietet kaum ein anderes Land auf der Welt. Deutschland hat deswegen auch einen festen Platz in unserer internationalen Asset-Mischung. Allerdings sehen wir durchaus auch Probleme, etwa mangelhafte Infrastruktur oder Fachkräftemangel. Zusätzlich muss die starke heimische Mobilitätsbranche den anstehenden Wandel hin zu umweltfreundlicheren Antriebssystemen stemmen, was erstmal Geld und Arbeitsplätze kosten dürfte. Gerade die Zukunftsherausforderungen, die sich etwa durch die Digitalisierung ergeben, sollten schnell angegangen werden, um weiter an der Spitze mithalten zu können. Lassen Sie es mich so formulieren, Deutschland bietet immer noch viele Chancen, gerade wenn es gelingen sollte, dringend nötige Reformen nicht nur zu diskutieren, sondern auch tatsächlich anzugehen. Das konsequente Regierungshandeln in der Corona-Krise hat aber gezeigt, welche enormen Herausforderungen dieses Land in kürzester Zeit meistern kann.

Das Meridian-Einkommen in Deutschland liegt knapp über 2.500 Euro brutto. Welche finanzielle Empfehlung können Sie dieser Gruppe aussprechen?

Claus Walter: Selbst wenn es schwerfällt und am Monatsende nur wenig übrigbleibt, kann es sich trotz niedriger Zinsen langfristig lohnen zu sparen. Wer früh anfängt, kann selbst mit kleinen Beträgen ein ordentliches Vermögen aufbauen. Allerdings müssen dafür strategisch auch Risiken eingegangen werden, denn ganz ohne Schwankungspotenzial gibt es de facto keine reale Rendite. Irgendeine Lebensversicherung abschließen oder Geld auf dem Sparbuch horten funktioniert kaum mehr. Auch Normalverdiener müssen sich damit anfreunden, dass es ohne den auf Dauer vernünftigen Einsatz von Aktien und Aktienfonds kaum mehr Möglichkeiten gibt, genug Ertrag zu erzielen, um die Kaufkraft von Erspartem zumindest zu erhalten.

Worin sehen Sie die Herausforderungen in den kommenden Jahren für Ihre Branche?

Claus Walter: Beratung durch einen unabhängigen Vermögensverwalter bietet Kunden einen grundsätzlichen Vorteil: Wir sind nur seinen Interessen verpflichtet und verdienen unser Geld durch seinen Erfolg. Da wir weder abhängig von Produktprovisionen noch von Konzernvorgaben sind, gibt es bei uns nur Empfehlungen im Sinne des Kunden. Die immer stärkere Regulierung der Finanzbranche stellt unabhängige Vermögensverwalter aber vor große Herausforderungen und die Umsetzung der Vorschriften kostet viel Zeit und Geld. Auf der einen Seite wird das langfristig dazu führen, dass kleinere Anbieter diesen Aufwand kaum mehr rentabel darstellen können. Aber auf der anderen Seite sind wir auch wendiger als die großen Konzernschiffe der Banken und Versicherungen und können den digitalen Wandel aktiv mitgestalten und davon profitieren.

Was müsste sich ändern, damit die Branche ein starkes Wachstum erfährt?

Claus Walter: Es müsste sich die grundsätzliche Einstellung der Deutschen zum Investieren ändern und sich die Bereitschaft entwickeln, für unabhängige Beratung auch bewusst Geld auszugeben. Denn gerade die eher konservativen Anlegertypen, die Vermögen langfristig aufbauen oder über Generationen erhalten wollen, sind bei unabhängigen Vermögensverwaltern richtig aufgehoben. Wir helfen Kapital strategisch aufzuteilen und dazu gehört heute ganz entscheidend der Erwerb von Anteilen am Produktivvermögen – also Aktieninvestments. Noch immer denken viele, Hauptsache die Zahl auf dem Konto wird nicht kleiner statt Schwankungsrisiken kalkuliert einzugehen. Auch wenn dafür noch viel Bildungsarbeit und Aufklärung nötig sein wird, aber setzt sich einmal die Erkenntnis durch, dass man so durch Inflation und fehlende Zinserträge unter dem Strich ganz sicher Kaufkraft einbüßt, würde das zu einem merklichen Wachstum der gesamten deutschen Finanzbranche führen. Wir würden davon besonders profitieren, wenn es uns gelingt unsere Stärken als unabhängige Vermögensverwalter gerade im Vergleich zu vertriebsgesteuerten Beratungsangeboten noch breiter bekannt zu machen. Bisher geht das zu sehr im Werbegeschrei der großen Vertriebsmaschinerien von Banken und Versicherungen unter.

Herr Walter, vielen Dank für das Gespräch.

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