DAX-Einzelwerte kontra Indexfonds – Christoph Runte (Runte.Weil & Alt GmbH)

Interview mit Christoph Runte
Christoph Runte ist Geschäftsführender Gesellschafter der Runte.Weil & Alt GmbH. Im Interview spricht er über die Eigenheiten des DAX und sieht dessen Ausweitung positiv.

Der Wirecard-Skandal hat bei der Deutsche Börse AG für Reformbemühungen um eine Neuausrichtung von Deutschlands wichtigstem Aktienindex geführt. War dieser Schritt längst überfällig, was denken Sie über die Reform?

Christoph Runte: Leider war erst der Wirecard-Skandal nötig, um sich über die Strukturen des wichtigsten deutschen Aktienindex DAX Gedanken zu machen. Grundsätzlich ist es die Aufgabe eines Index, die Wertentwicklung einer Gruppe von Aktien so gut wie möglich widerzuspiegeln, damit den Zustand eines Gesamtmarktes aufzuzeigen und einen Vergleichsmaßstab für aktive Investoren zu kreieren. Ob der DAX mit nur 30 Titel dafür sinnvoll ist, gilt es zu überdenken. Es ist somit begrüßenswert die Basis von Titeln zu verbreitern und auf 40 auszudehnen. Auch eine stärkere Kontrolle von Qualitätskriterien ist sinnvoll. In der Vergangenheit fiel der DAX häufig durch hohe Volatilität in Krisenzeiten auf, da er viele zyklische und exportorientierte Werte enthält und einer der ganz wenigen Indizes ist, der in jeder Börsenphase für Profianleger „zu shorten“, also zu verkaufen war. Damit wurden Kursbewegungen in beide Richtungen deutlich verstärkt. Zusätzlich ist es eine Eigenart des DAX gegenüber anderen bekannten Indizes, dass eine Reinvestition der Dividenden stattfindet. In Bezug auf die bevorstehenden Reformen gibt es sicherlich noch Spielraum für Verbesserungen. Wir als Runte. Weil & Alt GmbH haben – auch aus den vorgenannten Gründen – die Investitionen in DAX-Titel in den Portfolios unserer Kunden die letzten Jahre deutlich reduziert.

Es ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits geht der Investmenttrend zu Ethik und Nachhaltigkeit, anderseits sollen auch Waffenhersteller aufgenommen werden, wie das Deutsche Aktieninstitut vorschlägt – wie passt das zusammen, dürfen „unethische“ Unternehmen überhaupt ausgeschlossen werden?

Christoph Runte: Die Frage, die sich stellt, lautet: Welche Aufgabe hat der DAX Index überhaupt zu leisten? Die nach freier Marktkapitalisierung größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands abzubilden oder eine lenkende Funktion in Form der Berücksichtigung von politischen Nachhaltigkeitskriterien mit abzubilden? Derzeit ist wohl geplant, dass DAX-Unternehmen, die mehr als zehn Prozent ihrer Umsätze mit „kontroversen Waffen“, wie Landminen, Streubomben, biologischen oder mit Uran angereicherten Waffen erwirtschaften, ausgeschlossen werden sollen. Dieses erscheint vom Grundsatz her lobenswert, macht aber aus reinen Indexgesichtspunkten wenig Sinn. Diese Vorgehensweise würde einen weiteren deutschen Sonderweg gegenüber international bedeutenden Leitindizes eingeschlagen. So könnte es z. B. vorkommen, dass einzelne, rechtlich zulässige und nur politisch unerwünschte Geschäftsmodelle komplett ausgeschlossen werden, die u. a. mit ihren Produkten für die deutsche, aber auch europäische Sicherheit verantwortlich sind und auch sonst alle Größen- und sonstigen Qualitätskriterien entsprechen. Ist der Deutsche Aktien Index für deren Ausschluss das richtige Instrument oder ist es vielmehr die Aufgabe von speziell zusammengesetzten Indizes, die sich an Nachhaltigkeitskriterien orientieren, diese Titel auszufiltern? Wir glauben Letzteres.

Der Vorstand der Deutsche Börse-AG, Dr. Theodor Weimer, wünscht sich eine Ausweitung des Index auf 40 statt 30 Dax-Unternehmen, gleichzeitig sollen die Voraussetzungen für die Aufnahme erhöht werden. Führt dies wirklich zu mehr Qualität?

Christoph Runte: Eine Ausweitung auf 40 DAX-Titel führt im ersten Schritt zu mehr Diversifikation und somit zu mehr Streuung in Bezug auf die Branchenschwerpunkte. Dies ist positiv zu betrachten, da der DAX schon jeher sehr konzentriert aufgebaut war. Die Qualität der jeweiligen Unternehmen wird sich auf Sicht zeigen müssen. Meint der Begriff „Qualität“ das reine Zahlenwerk, so muss sich die Börse indirekt auf Wirtschaftsprüfer und die deutsche Aufsichtsbehörde verlassen. Nur noch nachweislich profitable Unternehmen in die erste deutsche Börsenliga aufsteigen zu lassen wäre dabei eine Auflage, die z. B. eine Amazon Aktie nie erfüllt hätte. Eine typisch deutsche Sichtweise, die weniger Zukunfts- als eher Sicherheitshaltung bzgl. der Unternehmensqualität ausdrückt. Solche Auswahlkriterien erscheinen aus unserer Sicht schwierig und müssen nicht unbedingt nachhaltig zu mehr Qualität im Index führen.

Investiert Ihr Unternehmen in den DAX? Würden Sie es privaten Kapitalanlegern raten?

Christoph Runte: Wir als Runte. Weil & Alt GmbH investieren in Einzelwerte, sowohl im Aktien- als auch im Rentenbereich. Wir lieben entsprechend Einzelaktien und einige interessante davon finden wir auch im DAX. Den Gesamtindex als ETF setzen wir aus den anfangs genannten Gründen sehr selten ein und dann auch nur für temporäre, eher spekulative Investmentphasen. Er beinhaltet viele zyklische Unternehmen, ist konzentriert und äußerst volatil. Aus unserer Sicht bietet er besonders in schwierigen Börsenphasen gute Möglichkeiten für Shortspekulanten. Somit sind DAX-ETF‘s Produkte, die unsere Kunden langfristig nicht in ihren Portfolios abgebildet haben wollen.

Werden bei einem DAX-ETF alle Titel ausgewählt? Wie schaffen es Index-Fonds meist rentabel zu arbeiten?

Christoph Runte: Man unterscheidet bei DAX-ETF’s zwischen „voll replizierenden ETF’s“, die tatsächlich direkt und mit der jeweiligen Gewichtung wie im DAX in die entsprechenden Einzelaktien investieren, und den „synthetischen replizierenden ETF’s“, die in einen Aktienkorb mit wenig bis gar keinen DAX-Werten investiert sind. Die erzeugte Performance dieses Aktienkorbes wird dann gegen die DAX-Benchmark mit einem Tauschgeschäft nachgebildet und über einen sogenannten Total Return Swap ausgetauscht. Somit gehen diese Art von synthetischen ETF’s davon aus, dass ihr Aktienkorb eine bessere Performance erzielt als der DAX-Index. Ist dies der Fall, gewinnt die Gesellschaft neben den anfallenden niedrigen Kosten für den ETF noch zusätzlich an Performance. Eine weitere Einnahmequelle der ETF Anbieter ist das Ausleihen von DAX-Aktien an die sogenannten „Shortseller“. Dabei leiht sich der „Shortseller“ die Aktie zum jeweiligen aktuellen Wert aus, um den Titel an der Börse zu verkaufen und bei später fallenden Kursen diese Stücke wieder günstiger zurückzukaufen. In diesem Fall kann er die mögliche. Differenz zwischen einem teureren Verkauf und einem billigeren Rückkauf für sich vereinnahmen, wenn die Aktien in die gewünschte Richtung gefallen sind. Die ETF Gesellschaft kassiert für diesen Vorgang eine Art Leihgebühr von dem Shortseller.

Herr Runte, vielen Dank für das Gespräch.

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