Demokratisierung von Kapital – Christin Friedrich (Innovestment)

Interview mit Christin Friedrich
Christin Friedrich ist Geschäftsführerin der Innovestment GmbH. Im Interview spricht sie über die hohe Innovationskraft von Fintechs, Impact Investments und die Auswahl nachhaltiger Investitionsmöglichkeiten.

Die Fintech-Szene ist angetreten, um den etablierten Wettbewerbern in der Finanz- und Versicherungsbranche den Rang abzulaufen. In welchen Bereichen konnten Fintechs signifikante Marktanteile gewinnen?

Christin Friedrich: Banking ist sicherlich einer der Bereiche, in dem die etablierten Anbieter Federn lassen mussten. Die Entwicklung von der klassischen Bank über die Direktbanken hin zur Neobank ist schon beeindruckend. Wie man am Beispiel Innovestment sieht, muss man als FinTech jedoch gar nicht unbedingt auf Verdrängung setzen. Crowdfunding steht für eine Finanzierungs- und Investitionsalternative und hat sich in dieser Nische in den letzten zehn Jahren gut etabliert. Wir sehen uns als Ergänzung – bei Unternehmen als zusätzliches Puzzleteil in ihrem Finanzierungsmix und bei Investorinnen und Investoren als weitere Möglichkeit, sich ein ausgewogenes Portfolio aufzubauen und gleichzeitig ihren Beitrag zu einer funktionierenden Realwirtschaft zu leisten.

Was ist Ihr Kerngeschäft, welche die wichtigsten Alleinstellungsmerkmale Ihres Unternehmens?

Christin Friedrich: Innovestment ist eine digitale Anlage- und Finanzierungsplattform. Unser Ansatz ist der einer Investment-Boutique: Wir wählen die einzelnen Anlageprojekte sehr genau aus und bewerten neben den Zahlen auch Aspekte wie Nachhaltigkeit im weitesten Sinne. Dabei orientieren wir uns an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, den so genannten Sustainable Development Goals (SDG). Denn Nachhaltigkeit ist mehr als nur Umweltschutz und beinhaltet auch Faktoren, die positive Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Dieser ganzheitliche Ansatz differenziert uns von vielen Wettbewerbern und entspricht unserer Philosophie.

Wenn wir unser Kerngeschäft, Anlage- und Finanzierungsinstrumente, kurz zusammenfassen, dann sicherlich so: Wir bringen zusammen, was zusammengehört. Unternehmen, die Wachstumskapital suchen, und Menschen, die ihr Geld sinnvoll anlegen wollen. Im besten Fall schaffen wir so Nachhaltigkeit auf allen Ebenen.

Welchen Mehrwert bieten Sie Kunden im Vergleich zu ihren etablierten Wettbewerbern?

Christin Friedrich: Mehrwert ist ein wichtiges Thema bei Innovestment – übrigens auch Teil unserer Kernwerte. Win-win reicht uns nicht, wir wollen win-win-win erreichen, also wirklich das Beste für alle. Dank unserer schlanken Strukturen reden wir nicht nur über die viel zitierte Augenhöhe, sondern praktizieren sie auch.

Wenn Unternehmen bezüglich einer Finanzierung mit uns ins Gespräch kommen, kann es auch passieren, dass wir zu einer ganz anderen Finanzierungsmethode raten als die, die wir anbieten. Uns liegt am Herzen, dass die Unternehmen die Finanzierungsmodelle finden, die zu ihnen passen. Was im Übrigen auch für unsere Investorinnen und Investoren von Vorteil ist. Denn daraus entsteht ein Ansatz, in dem Qualität wichtiger ist als Quantität.

Klar, viele unserer Abläufe sind standardisiert, dafür sind wir ja ein digitales Unternehmen. Aber dennoch bleibt viel Raum für Individualität. Und das ist es, was andere an uns schätzen.

Ein weiterer Mehrwert ist Wissen. Nur wenn man Finanzen versteht, beschäftigt man sich auch gern damit. Die Verständnishürden bauen wir ab, indem wir alles so einfach wie möglich machen und ausreichend Hintergrundinformationen anbieten. Dieser Wunsch, den Dingen auf den Grund zu gehen, kommt vielleicht aus unserer Geschichte: Wir kommen ursprünglich aus der Wissenschaft, wurden 2011 als Spin-Off der RWTH Aachen in Köln gegründet.

Es gibt zwei Ansätze in der Fintech-Szene: Übernahme des Marktes oder Kooperation mit etablierten Unternehmen. Welchen Ansatz halten Sie für zielführender, wie agiert ihr Unternehmen?

Christin Friedrich: Als Teil der Sharing Economy sind wir generell Fans von Kooperationen und sehr aktiv im Aufbau von Partnerschaften und in der Pflege unseres Netzwerks. Nur im Austausch mit anderen können echte Innovationen entstehen. Ein gutes Beispiel für gelungene Kooperationen ist das European Crowdfunding Network (ECN) in Brüssel, deren Gründungsmitglied Innovestment ist. Ich selbst engagiere mich als Vorstandsvorsitzende und bin so im engen Austausch mit den europäischen Plattformen und den Verantwortlichen der Wirtschaft und Politik. Gemeinsam haben wir beispielsweise die EU-weite Regulierung von Crowdfunding-Plattformen vorangetrieben, die 2021 in Kraft treten wird. Dann können die Plattformen ihre Dienstleistungen als European Crowdfunding Service Provider (ECSP) auch grenzübergreifend in der ganzen EU anbieten.

Wie schnell reagieren Ihre Wettbewerber auf neue Trends, wie hoch ist der Innovationsdruck?

Christin Friedrich: Die Geschwindigkeit ist sehr unterschiedlich. Was wirklich schnell umgesetzt wurde, war die Tokenisierung, das ist schon beachtlich. 2019 hatten wir die Auswirkungen der Blockchain auf alternative Finanzierungsformen als Thema beim ECN-CrowdCamp. Seither ist in diesem Bereich viel passiert. Hier sehen wir allerdings mehr einen Innovationswillen als einen Innovationsdruck.

Noch wichtiger als das schnelle Reagieren auf Trends finden wir es übrigens, eigene Trends zu setzen. Da gibt es noch viel Potenzial in unserer Branche. Impact Investing, also wirkungsorientiertes Anlegen, ist zum Beispiel ein Bereich, in dem noch viel Musik steckt und an dem wir intensiv arbeiten. Schließlich geht es darum Mehrwerte für unsere Kundinnen und Kunden zu schaffen und so mehr privates Kapital in nachhaltige Unternehmen fließen zu lassen.

Welche Innovationen dürfen wir von Ihnen in nächster Zeit erwarten?

Christin Friedrich: Innovestment hat seit der Gründung einige wegweisende Innovationen vorgelegt, vom Auktions- bis hin zum SPV-Modell. Damit haben wir uns durchaus einen Ruf als Pionier erworben. Im Fokus steht für uns derzeit die oben erwähnte europäische Harmonisierung im Crowdfunding. Hier sehen wir immense Chancen für die gesamte Branche, sowohl für Unternehmen als auch für Investorinnen und Investoren. Daneben arbeiten wir stetig an der weiteren Demokratisierung von Kapital, auch durch Modelle, die Menschen einen neuen Zugang zu Finanzprodukten ermöglichen. Unser Programm „Nachhaltigkeit schenken“ ist ein Teil davon sowie die Kooperation mit anderen FinTechs.

Frau Friedrich, vielen Dank für das Gespräch.

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