Dominik Schmidt: Gerade der Altersvorsorgebereich ist auf Langfristigkeit ausgelegt

Interview mit Dominik Schmidt
Dominik Schmidt ist Senior Financial Consultant bei MLP in Düsseldorf. Mit ihm sprechen wir über Spareinlagen, Freiberufler sowie kurzfristige finanzielle Engpässe.

Corona hat für Kurzarbeit, eine schlechte Auftragslage und teils komplett geschlossene Branchenzweige gesorgt, zudem zahlt der Staat die Hilfen häufig zu spät. Glauben Sie, diese Faktoren werden Auswirkungen auf die Spareinlagen der Deutschen haben?

Dominik Schmidt: Sicherlich muss ein Teil der Bevölkerung auf seine Spareinlagen zurückgreifen, um etwa bei wegfallenden Einnahmen die Lebenshaltungskosten zu decken. Aktuell finanziell besonders belastet sind beispielsweise Freiberufler aus dem Kultursektor und selbstständige Unternehmer, insbesondere Einzelkämpfer. Selbstständige ohne Mitarbeiter machen jedoch nur einen kleinen Teil der Erwerbstätigen aus – 2019 waren es rund fünf Prozent. Ein durchaus größerer Teil der Bevölkerung hat vorhandene Spareinlagen nicht angerührt oder sogar aufgestockt – das erlebe ich zumindest vielfach bei Kunden, die sich in einem Anstellungsverhältnis befinden. Hierfür sind zum einen Ängste und Unsicherheiten bezüglich der eigenen Zukunft, aber auch wegfallende Konsumkosten wegen ausgefallenen Urlauben, Restaurantbesuchen und Einkäufen ausschlaggebend.

Können Sie in Ihrem Beratungsalltag feststellen, dass Menschen häufiger Altersvorsorge- bzw. Investmentprodukte kündigen, weil sie möglicherweise Liquidität benötigen?

Dominik Schmidt: Vereinzelt ist es während der Corona-Pandemie vorgekommen, dass Kunden mich diesbezüglich kontaktiert haben. Wir haben uns dann zusammengesetzt und gemeinsam geschaut, welche Lösung die beste ist, um den (kurzzeitigen) finanziellen Engpass zu überwinden. Gerade der Altersvorsorgebereich ist auf Langfristigkeit ausgelegt, er soll das Leben im Alter finanziell absichern. Deshalb ist es meist nicht empfehlenswert, diese Verträge aus kurzfristigen Gründen vorher anzutasten. Mehr Entnahme-Flexibilität bieten hingegen Geldanlagen, wenngleich diese üblicherweise auch mit einem längeren Anlagehorizont geplant wurden. Umso wichtiger ist eine solide Liquiditätsplanung mit einem entsprechenden Puffer. Doch wie schon gesagt: Beim Gros meiner Kunden habe ich eher Zuzahlungen gesehen.

Ist es ein Fehler, Altverträge zu kündigen?

Dominik Schmidt: Finanzplanung ist Lebensplanung und letztere ändert sich stetig, etwa mit Gründung einer Familie oder Eintritt in den Ruhestand. Deshalb ist es sinnvoll, alte Entscheidungen gemeinsam mit einem Experten regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen. Sachversicherungen wie eine Hausrat- oder eine Rechtsschutzversicherung können aufgrund von sich ändernden Anforderungen und Leistungen beispielsweise regelmäßig optimiert werden. Anders sieht es im Bereich Altersvorsorge aus: Oftmals erweisen sich Altverträge als immer noch gute Lösungen, denn viele von ihnen basieren auf sehr attraktiven Rechnungsgrundlagen. Grundsätzlich gilt für Rentenversicherungen: Sie sollten nicht allein unter Renditegesichtspunkten betrachtet werden. Denn im Gegensatz zu einer reinen Geldanlage sichern sie das sogenannte Langlebigkeitsrisiko ab. Das heißt, dass die Versicherung bis ans Lebensende zahlt, unabhängig davon, wie alt der Versicherte wird und wie hoch die Sparsumme war.

Welche Alternativen gibt es, um an Barmittel zu gelangen, z. B. die Verpfändung von Verträgen?

Dominik Schmidt: Hier ist das Stichwort Prävention: Neben dem Aufbau von Reserven sollte in finanziell stabilen Zeiten ein Gespräch mit der eigenen Hausbank gesucht werden, um einen möglichst hohen Dispositionskredit zu erhalten. Denn wer ihn zum Gesprächszeitpunkt nicht benötigt, bekommt ihn leichter genehmigt. Sind keine Vorkehrungen getroffen worden und fehlt es plötzlich an Reserven, ist das Abtreten von Verträgen oder auch von Wertpapierdepots (wenn ein Verkauf der Anteile nicht gewünscht ist) ein probates Mittel. Grundsätzlich empfiehlt es sich jedoch immer, gemeinsam mit einem Experten auf mögliche Lösungen zu schauen.

Verträge von Bank- und Versicherungsprodukten sind kompliziert. Was können Versicherungsnehmer und Investoren tun, um einen Überblick zu erhalten und wo erhalten Sie den richtigen Ansprechpartner?

Dominik Schmidt: Ein guter Berater übersetzt das Leben seines Kunden mit dessen individuellen Bedürfnissen und Wünschen in Finanzen. Dabei zeigt er ihm die Zusammenhänge zwischen sämtlichen Finanz- und Vermögensfragen auf und entwickelt das für ihn passende Konzept. Ist ihm beispielsweise wichtig, nachhaltig zu investieren? Kann er sich vorstellen, als Vermieter zu agieren? Ist die Ausbildung der Kinder zu finanzieren oder sollen Schenkungen mit berücksichtigt werden? Auf Basis all dieser Informationen entsteht ein Konzept, das dann mit den passenden Produktlösungen umgesetzt wird. Hellhörig werden sollte man, wenn der Berater sich nicht für die persönlichen Lebensumstände sowie Ziele und Wünsche seines Kunden interessiert. Wichtig ist letztlich auch das Bauchgefühl: Fühlt man sich im Gespräch wohl und ist es vorstellbar, langfristig miteinander zu arbeiten? Wenn nicht, sitzt man beim falschen Ansprechpartner.

Lebensversicherungen, Aktien oder fondsgebundene Rentenversicherungen: die Liste an Angeboten ist lang. Wie schätzen Sie die Lage nach Corona für den privaten Altersvorsorge-Markt ein? Werden weniger Menschen oder mehr Menschen privat vorsorgen und vor allem wie?

Dominik Schmidt: Ich denke, dass mehr Menschen privat vorsorgen werden. Die durch die Corona-Pandemie geschürten Unsicherheiten bezüglich der eigenen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Zukunft sowie die aktuelle Diskussion um die gesetzliche Rente befeuern diese Entwicklung. Ich erwarte aber auch, dass sich die Art und Weise der privaten Vorsorge stark wandeln wird – hin zu einem noch diversifizierteren Angebot mit mehreren Standbeinen. Die aktuell niedrigen Zinsen und der drohende Inflationsanstieg führen dazu, dass noch mehr Menschen in den Kapitalmarkt und in Immobilien investieren werden. Zudem wird, insbesondere auch für Geringverdiener, die betriebliche Altersvorsorge ein wichtiger Baustein werden, da sowohl die Politik als auch immer mehr Arbeitgeber das Thema fördern. Letzterer kann dadurch seine Attraktivität in der Personalgewinnung und -bindung steigern.

Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch!

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