Dr. Georg Thilenius: „Deutschland ist ein hervorragender Investitionsstandort“

Interview mit Dr. Georg Thilenius
Wir sprechen mit Dr. Georg Thilenius von der Dr. Thilenius Management GmbH über Anlagestrategien und Entwicklungen bei der individuellen Vermögensverwaltung.

Vermögensverwaltung ist nur was für Superreiche, oder doch nicht? Wie hoch ist üblicherweise das von Ihnen verwaltete Vermögen?

Dr. Thilenius: Ab ungefähr 100.000 Euro kann man mit internationalen Wachstumsaktien eine vernünftige Diversifizierung über verschiedene Branchen, Länder und Währungsräume darstellen. Dieser Betrag ist daher auch unsere Untergrenze für die individuelle Vermögensverwaltung. Nach oben ist alles offen; wir verwalten auch Vermögen im hohen Millionenbereich.

Was sind Ihre favorisierten Assetklassen?

Dr. Thilenius: Der langfristige Investor, der Kapitalwachstum erzielen möchte, ist am besten mit internationalen Wachstumsaktien bedient. Dies sind Unternehmen, die einen kontinuierlich steigenden Zuwachs im Gewinn pro Aktie und ungefähr proportionale Kurssteigerungen im Durchschnitt mehrerer Jahre erzielen können. Investoren, die laufende Einnahmen erzielen wollen, sind mit internationalen Dividendenwerten, die eine sichere und regelmäßig steigende Dividende zahlen, am besten bedient.

Wie schätzen Sie Deutschland als Investitionsstandort ein?

Dr. Thilenius: Deutschland ist ein hervorragender Investitionsstandort. Es gibt hier viele brillante und bestens ausgebildete Führungskräfte, vor allem in den Bereichen Automobilbau, Maschinenbau, Chemie und Pharmazie. Ebenso gibt es viele gut ausgebildete und langjährig bewährte und vor allem hoch motivierte Fachkräfte in vielen verschiedenen Branchen. Normalerweise, und gerade jetzt in der Coronakrise, sehr konstruktive Gewerkschaften und Betriebsräte ziehen meistens mit den Geschäftsleitungen an einem Strang. Der relativ schnelle Wiederaufstieg Deutschlands aus der Coronakrise, der jetzt einsetzt und um den uns viele Länder in etwa 12 bis 18 Monaten von jetzt sehr beneiden werden, geht darauf ganz wesentlich zurück. Allerdings sind Steuern, Sozialabgaben und Regulierungsdichte zu hoch und an vielen Stellen nicht zukunftsfähig. Das Land hat immer noch knapp 2000 Milliarden Staatsschulden auf Kosten und zu Lasten künftiger Generationen, die schnellstmöglich nach Überwindung der Corona-Sonderlasten abzubauen sind. Denn der fiskalische Handlungsspielraum künftiger Generationen soll durch die von den Vätern ererbten Staatsschulden, von denen die Jüngeren aber nichts haben, möglichst wenig eingeschränkt werden. Nicht zuletzt ist der soziale Zusammenhalt im Lande ausgezeichnet, was besonders in den letzten Monaten der Coronakrise mehr als deutlich wurde.

Das Meridian-Einkommen in Deutschland liegt knapp über 2.500 Euro brutto. Welche finanzielle Empfehlung können Sie dieser Gruppe aussprechen?

Dr. Thilenius: Die Demografie, die allgemeine wirtschaftliche Lage und die langfristige Geldpolitik zwingen zu privater Vorsorge außerhalb der staatlichen Systeme. Die Weltwirtschaft wird weiterwachsen. Aktien bilden dieses Wachstum am besten ab. Dies geht auch mit geringen monatlichen oder quartalsmäßigen Beträgen. Eine Facebook Aktie, über eine Direktbank gekauft, kostet um die 220 Euro pro Stück. Je nach finanziellen Möglichkeiten eine pro Monat oder pro Quartal ergibt im Lauf eines Arbeitslebens einen sehr anständigen Betrag, um die dann sehr knappe Staatsrente aufzubessern. Dies geht aber nur mit einem langfristigen Zeithorizont und mit Geld, das nicht in den nächsten 12 Monaten gebraucht wird. Kurse können ohne Vorwarnung stark einbrechen, wie wir es gerade im März in der Coronakrise erlebt haben. Auf die Dauer von etwa 10 Jahren gleichen sich diese Kursschwankungen aber regelmäßig aus. Und Aktien, die jetzt am Beginn des Informationszeitalters führende Positionen haben, wie Facebook, dürften auch noch in vielen Jahren präsent sein.

Worin sehen Sie die Herausforderungen in den kommenden Jahren für Ihre Branche?

Dr. Thilenius: Die Banken werden tendenziell größer werden und müssen weitgehend standardisierte Lösungen für kleinere und mittlere Vermögen anbieten. Die Individualität bleibt dabei oft auf der Strecke. Die große Chance der bankunabhängigen Vermögensverwalter ist, diese Marktlücke zu nutzen und Kunden mit kleinen und mittleren Vermögen individuelle und für sie maßgeschneiderte Lösungen mit den bestmöglichen künftigen Erträgen anzubieten. Gleichzeitig muss der Gesetzgeber überzeugt werden, nicht durch weitere Regulierung unternehmerische Freiheit zu Lasten der Kunden weiter einzuschränken, sondern wenig sinnvolle Regulierung abzubauen.

Was müsste sich ändern, dass die Branche ein starkes Wachstum erfährt?

Dr. Thilenius: Die Befristung der Wertzuwachssteuer bei Aktien auf beispielsweise 10 Jahre Haltedauer pro Position oder die Einführung von Altersfreibeträgen beim Aktienverkauf würde das Aktiensparen mit Lebensversicherungen und Immobilieninvestments gleichstellen. Damit wäre Aktiensparen den anderen Sparformen gleichgestellt und damit besser konkurrenzfähig.

Herr Dr. Thilenius, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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