Fabian Knigge: Leveraged ETFs halten meist größere Cashposition

Interview mit Fabian Knigge
Fabian Knigge, CFA der Ginmon Vermögensverwaltung GmbH, spricht im Interview mit uns über neue Finanzprodukte, Leveraged ETFs sowie Wirkung des Zinseffekts. 

Immer neue Finanzprodukte kommen auf den Markt, die viele Menschen gar nicht kennen. Was sind denn Leveraged ETFs und wie funktionieren sie?

Fabian Knigge: Gehebelte börsengehandelte Fonds (Leveraged ETFs), sind ETFs, die Finanzderivate einsetzen, um die Renditen eines zugrunde liegenden Index zu erhöhen. Die Idee hinter einem Leveraged ETF ist, dass man, anstatt geliehenes Geld zu nutzen, man mithilfe von sog. Swaps und Derivaten die zwei- bis dreifache Rendite des zugrunde liegenden Indexes nachbildet.

Warum sind Leveraged ETFs keine 1:1 Abbildung des Index?

Fabian Knigge: Wie bereits in der vorherigen Frage beschrieben, bestehen die Leveraged ETFs nicht nur aus den Werten des zugrunde liegenden Index, sondern auch zu Teilen aus Derivaten und Swaps. Die Derivate und Swaps sind dafür verantwortlich, den sog. Leverage (zu Deutsch Hebel) zu erzeugen. Des Weiteren halten Leveraged ETFs, je nach Hebel, meist eine größere Cashposition. Diese ist notwendig, um eventuelle Verluste der Derivatepositionen abzufangen. Man kann also sagen, je größer der Hebel, desto geringer ist der Anteil der Aktien des zugrunde liegenden Indexes, da die Anteile der Derivate, Swaps und Cashanteile zunehmen.

Welche Vor- und Nachteile haben Leveraged ETFs?

Fabian Knigge: Der Vorteil für Anleger bei einem Leveraged ETF ist, dass es sich hierbei um ein leicht verständliches Produkt handelt, mit dem Anleger ohne die Aufnahme von Fremdkapital die eigene Rendite vervielfachen können. Auf der anderen Seite laufen Anleger Gefahr, dass die Verluste des Leveraged ETFs ein Vielfaches von der Indexentwicklung betragen. Des Weiteren muss der Anleger beim Handel eines solchen Produktes viele Risiken in Kauf nehmen und z. B. den Ein- und Ausstieg perfekt abpassen. Auch die teils sehr hohen Kostenquoten gilt es zu beachten. Bei Leveraged ETFs besteht das Risiko, dass in einem volatilen Marktumfeld die Position auf null geht und quasi wertlos wird. Denn nicht nur die Gewinne, auch die Verluste werden bei einem Leveraged ETF vervielfacht. So kann ein dreifacher Hebel schon dann zu einem Totalverlust führen, wenn der Index um etwas über 30% fällt, was in Krisenszenarien wie der Coronakrise nicht ungewöhnlich ist.

Warum wirken Leveraged ETFs in Märkten mit hoher Volatilität negativ auf den Zinseffekt?

Fabian Knigge: Der Zinseffekt funktioniert sowohl nach oben als auch nach unten. Tritt der Fall ein, dass der nachgebildete Index volatil war und sich innerhalb einer bestimmten Bandbreite bewegt hat, ist dieses Szenario sehr ungünstig für einen gehebelten ETF. Aufgrund des täglichen Rebalancing muss der ETF sein Engagement erhöhen oder verringern, um das Ziel des Fonds beizubehalten. Wenn ein Fonds sein Indexengagement aufgrund fallender Märkte reduzieren muss, bleibt der Fonds zwar zahlungsfähig, aber durch das Realisieren von Verlusten führt dies auch zu einer kleineren Vermögensbasis. Diese niedrigere Vermögensbasis kann dann nicht mehr im gleichen Umfang an positiven Entwicklungen partizipieren. Dieser Effekt ist umso stärker, je volatiler der Markt ist. Um das Engagement zu erhöhen oder zu verringern, muss der ETF zudem Derivate einsetzen, darunter Index-Futures, Aktien-Swaps und Index-Optionen. Diese sind aufgrund von Gegenparteirisiken und Liquiditätsrisiken nicht gerade die sichersten Handelsinstrumente.

Leveraged ETFs bieten wegen des Hebels große Chancen, sind aber im Gegensatz zu klassischen ETFs risikoreicher. Für welche Anleger sind diese dennoch interessant?

Fabian Knigge: Wenn Sie ein Kleinanleger oder ein langfristiger Investor sind, sollten Sie sich von Leveraged ETFs fernhalten. Diese sind nur für sehr kurzfristige (untertägige) Einsätze auf einen Index oder Sektor konzipiert und sollten auch so eingesetzt werden. Sollten Sie einen Leveraged ETF auf längere Zeit halten, führt dies im Zweifel auf lang oder kurz dazu, dass sie Ihr Kapital in mehrfacher Hinsicht z. B. durch Gebühren, Neugewichtung und Verlustaufzinsung dezimieren.

Statt Leveraged ETFs könnte man doch auch Call-Optionen handeln und hätte ein ähnlich hohes Risiko. Wo liegen die Unterschiede?

Fabian Knigge: Bei Call-Optionen erwirbt der Käufer gegen Zahlung einer Prämie das Recht, den Basiswert in einer bestimmten Menge zu einem Preis (Basispreis), das im Voraus vereinbart wird, zu kaufen. Der Käufer ist jedoch nicht zur Ausübung der Option verpflichtet und erwartet steigende Kurse des Basiswertes innerhalb der Laufzeit der Option. Tritt die erwartete Kursentwicklung nicht ein, entsteht dem Käufer ein Verlust, der maximal auf die gezahlte Prämie begrenzt ist. Das Gewinnpotenzial ist dagegen für den Käufer eines Calls theoretisch unbegrenzt. Der Vorteil der Call-Option ist, dass der Käufer den Basiswert nicht direkt erwerben muss und bei Kurssteigerungen Hebelwirkungen nutzen kann. Bei Kursverlusten ist das Risiko auf die Prämie begrenzt. Bei Leveraged ETFs dagegen kann der Käufer bei Kursverlusten zwischenzeitlich Geld verlieren. Umgekehrt ist er jedoch nicht gezwungen, den ETF zu veräußern und kann Verluste eventuell aussitzen, bis sie zu einem möglichen Gewinn werden. Optionen haben dahingegen ein festes Ablaufdatum.

Herr Knigge, vielen Dank für das Gespräch!

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