Humankapital ist das größte Vermögen in den ersten Berufsjahren – Sven Scherner (HONORIS Treuhand)

Interview mit Sven Scherner
Sven Scherner ist CFP der HONORIS Treuhand GmbH. Im Interview spricht er über die Grundlagen der Altersvorsorge und die Vorteile von ETFs als Anlagevehikel.

Das Thema Versicherungen und Altersvorsorge ist komplex. Wie geht der Experte bei der Planung vor?

Sven Scherner: Zunächst wird beim Anleger ermittelt, welche Erwartungen er in Bezug auf eine Ruhestandsplanung hat und welche Erfahrungen mit Kapitalanlagen vorhanden sind. Geht es um einen grundsätzlichen Überblick über mögliche Vorsorgemodelle oder sollen bestehende Verträge überprüft und ggf. aufeinander abgestimmt werden. Eine Frage, die sich durch das gesamte Vorsorgekonzept zieht, ist die gewünschte Versorgung, also welcher Betrag im Ruhestand benötigt wird. Die bedeutendste Grundregel beim Aufbau einer Altersversorgung lautet „Diversifikation“. Das bedeutet, es sollte eine Streuung aus verschiedenen Bausteinen, wie beispielsweise der gesetzlichen Rentenversicherung, der betrieblichen Altersvorsorge, Riester- und Rüruprenten, Kapitalanlagen und Immobilien, angestrebt werden. Denn durch diese Streuung behält der Sparer ein hohes Maß an Flexibilität und Unabhängigkeit. Je nach individueller Einkommenssituation und verbleibender Zeit bis zum Ruhestandsbeginn ist eine Kombination aus sicherheitsorientierten (beispielsweise die gesetzliche Rentenversicherung) und renditeorientierten Altersvorsorgeverträgen (beispielsweise Aktienfonds) unerlässlich. Wobei eine breit gestreute Anlage in Wertpapiere immer wichtiger wird, denn mit klassischen Renten- bzw. Lebensversicherungen wird es im aktuellen Kapitalmarktumfeld immer schwieriger, einen Ertrag zu erzielen, welcher wenigstens die Inflationsrate ausgleicht.

Welche Lebensrisiken sollten zwingend versichert werden, auf welche Policen kann eher verzichtet werden?

Sven Scherner: In der Regel ist das so genannte Humankapital, also die Arbeitskraft, das größte Vermögen in den ersten Berufsjahren. Wenn also beispielsweise im Alter von 30 Lebensjahren das Jahresnettoeinkommen in Höhe von 40.000 Euro durch Krankheit/Unfall ausfällt, so fehlen fast 1,5 Millionen Euro bis zum 67. Lebensjahr. Demnach ist neben der privaten Haftpflichtversicherung zur Absicherung von Vermögensschäden eine Berufsunfähigkeitsabsicherung in den meisten Fällen unerlässlich.

Wenn Kinder und auch größere Darlehen (beispielsweise Immobilienkredite) vorhanden sind, so sollte eine Risikolebensversicherung und/oder eine Dread Disease Versicherung (eine Absicherung bei schweren Erkrankungen) den Einkommensverlust der nächsten 5 Jahre beziehungsweise die Höhe des Restkredites abdecken.

Eine Krankenversicherung, ob nun gesetzlich oder privat sowie eine Krankentagegeldversicherung sind ebenfalls für jeden zwingend. Verzichtet werden kann auf Versicherungsverträge, welche nur kleinere Schäden oder Summen absichern. Darunter fallen beispielsweise Reisegepäck- oder Geräteversicherungen für Fahrräder, Handys oder Brillen.

Die gesetzliche Rente reicht in Zukunft wohl kaum, um den Lebensstandard im Alter zu halten. Welche Arten der privaten Altersvorsorge sind empfehlenswert?

Sven Scherner: Die gesetzliche Rentenversicherung stellt eine wichtige Säule in der Altersversorgung von vielen Bundesbürgern dar. Diese macht oft den Großteil der Ruhestandseinnahmen aus.

Aufgrund der bereits seit einigen Jahren existierenden Niedrigzinsen und da mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren nicht mit signifikanten Zinssteigerungen zu rechnen ist, sollten in Bezug auf die Ergänzung dieser Säule insbesondere aktienorientierte Bausteine bei der Altersversorgung eine zusätzliche Rolle spielen. Diese können auch Bestandteil einer Versicherungslösung sein. Jedoch ist dabei sehr stark auf die Kosten und den Inhalt der Versicherung zu achten. Je nach individueller Lebenssituation bieten sich auch Ergänzungen aus den Bereichen Riesterrente, Rüruprente, betriebliche Altersversorgung an. Eine unabhängige und transparente Beratung bieten für all diese Alternativen so genannte Honorarberater an.

Aktien werden von Profis empfohlen, aber die Deutschen gelten als Börsenmuffel. Sind Aktien eine solide Altersvorsorge?

Sven Scherner: Eine Aktienbeimischung in Form von breit gestreuten aktiven Fonds und/oder ETFs ist fast immer eine richtige Entscheidung.

Wichtig dabei sind jedoch zwei Punkte:

·   eine ausreichende Liquiditätsreserve für unvorhersehbare und geplante Ausgaben auf einem jederzeit verfügbaren Konto 

·   dem in Aktienfonds investierten Geld sollte eine Anlagedauer von mindestens zehn Jahren zugesprochen werden 

Grundsätzlich gilt, dass je länger die gedachte Anlagedauer beträgt, desto größer darf der aktienorientierte Anteil des Ruhestandsvermögens sein. Dabei muss mit dem Eintritt in den Ruhestand die Aktienquote nicht gleich auf Null heruntergefahren werden. Denn der Anleger entnimmt das Geld ja schrittweise über viele Jahre. 

ETFs gelten als besonders beliebt. Was sind die Vorteile von Indexfonds?

Sven Scherner: Die größten Vorteile von ETFs liegen in der Kostenstruktur und der in der Regel jederzeitigen Handelbarkeit. Die geringeren Kosten bei ETFs im Vergleich zu aktiven Fonds wirken sich auf die Wertentwicklung für den Anleger aus. Nur wenige aktiv gemanagte Investmentfonds entwickeln sich langfristig besser als die günstigen ETFs.  Und so gleicht es einer Perlenfischerei, wenn man versucht, mit aktiven Fonds immer die beste Wertentwicklung in der entsprechenden Vergleichsgruppe zu finden. Ist ein aktiver Fonds aber im Rating sehr gut bewertet, so ist dieser sein Geld wert. Insbesondere in spezielleren Kapitalmärkten (beispielsweise kleine asiatische Unternehmen, Mikrofinanzierung) oder bei besonderen Anforderungen an eine Kapitalanlage (beispielsweise strenge Nachhaltigkeitskriterien) haben aktive Fonds eine Daseinsberechtigung. So ist es wie in vielen anderen Punkten der Geldanlage: eine Mischung aus ETFs und aktiven Fonds unterstützt bei der Risikoadjustierung bzw. der Renditeoptimierung.

Der Wirecard hat gezeigt, dass auch unseriöse Unternehmen in die wichtigsten Indizes aufsteigen können. Der Nachfolger Lieferando schreibt ebenfalls seit Jahren rote Zahlen und ist nicht unbedingt ein konservatives Investment. Dennoch werden ETFs auf den DAX zwangsweise investieren. Sind ETFs unter diesem Gesichtspunkt nicht auch sehr riskant?

Sven Scherner: Breit gestreute weltweite ETFs investieren ihr Geld in hunderte bis tausende verschiedene Unternehmen. ETFs für bestimmte Regionen (beispielsweise DAX/Deutschland) oder Branchen (Erneuerbare Energien) besitzen schon weniger Einzeltitel und bergen damit zwangsläufig ein höheres Risiko, aber auch eine Chance, wenn sich ein bestimmtes Unternehmen schlecht beziehungsweise besonders gut entwickelt. Denn ein ETF hinterfragt in der Regel nicht, ob ein Unternehmen rote oder schwarze Zahlen schreibt. Darum lohnt es sich, in solchen engeren Anlagemärkten einen Vergleich von ETFs und aktiven Fonds verschiedener Anbieter vorzunehmen. Dabei kann eine objektive Bewertung durch beispielsweise unabhängige Vermögensverwalter goldwert sein.              

Herr Scherner, vielen Dank für das Gespräch.

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