Ist die Buy-And-Hold-Strategie veraltet?

Interview mit Christian Mallek
Wir sprechen heute mit Christian Mallek, Anlage- und Vermögensberater sowie Mitbegründer der SIGAVEST Vermögensverwaltung GmbH in Berlin, über die klassische Vermögenberatung. Als Leiter des konzern- und bankenunabhängigen Wertpapierinstituts hat er es sich zur Aufgabe gemacht, alle seine Kunden, unabhängig ihres Vermögens, fundierte und fachkundige Anlagestrategien aufzuzeigen und ein auf den jeweiligen Kundenwünschen zugeschnittenes Portfolio zusammenzustellen, mit dem das Vermögen nicht nur in Krisenzeiten erhalten, sondern auch vermehrt werden kann. Dabei klärt er uns auf, inwiefern sich die Kapitalmärkte verändert haben und die Vermögensverwaltung sich entsprechend angepasst hat.

Vermögensverwaltung gilt als ein eher konservatives Geschäft. Können Sie dem so zustimmen?

Das kommt natürlich ein Stückweit darauf an, wie man ‘konservativ‘ definiert. Das Vermögensverwaltungsgeschäft hat sich auf einigen Ebenen in den vergangenen Jahren spürbar verändert. Lange Zeit galt die Devise von Börsenaltmeister Andre Kostolany „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“ Die Kapitalmärkte sind aber in den letzten Jahren viel zu dynamisch gewesen, um mit dieser reinen Buy-And-Hold-Strategie langfristig erfolgreich zu sein, d.h. ein aktives Management der Geldanlagen ist aus unserer Sicht unabdingbar. Dies kann ganz klassisch – vielleicht passt hier das Wort ‘konservativ‘ am ehesten – von einer Bank übernommen werden. Kunden, die ein höheres Maß an Individualität und Unabhängigkeit suchen, sind oftmals bei einem unabhängigen Vermögensverwalter gut aufgehoben, deren Mitarbeiter zuvor meistens als Berater bei einer Bank gearbeitet haben. Nicht zuletzt schreitet aber auch in unserer Branche die Digitalisierung voran. Damit einhergehend gibt es inzwischen auch sogenannte Robo-Advisor am Markt, bei denen der Kunde auf persönlichen Kontakt zu einem Berater verzichtet und sein Geld online und durch KI-gestützte Anlageentscheidungen verwalten lässt.

Nebenbei sei bemerkt, dass das konservative Aushängeschild der Finanzbranche, die Krawatte, inzwischen immer mehr auf dem Rückzug ist.

Bieten Sie eigentlich auch Dienstleistungen abseits der klassischen Vermögensverwaltung an?

Wir sehen uns grundsätzlich als Spezialisten, d.h. wir bieten dem Kunden mit der Vermögensverwaltung eine Dienstleistung an, von der wir überzeugt sind, dass wir in diesem Geschäftsfeld eine ausgesprochen große Expertise haben. Grundsätzlich haben alle Mitarbeiter von SIGAVEST früher bei der Dresdner Bank gearbeitet. Im Beratungsgeschäft der Bank ist es aber oftmals so, dass man den Kunden als Allrounder in allen finanziellen Belangen beraten muss: von der Kontoführung über Finanzierungen bis hin zu sämtlichen Themen der Geldanlage (Wertpapiere, geschlossene Fonds, Bausparverträge etc). Dadurch wird dem Kunden zwar ein breites Spektrum an Dienstleistungen angeboten, im Zweifel sind die jeweiligen Kenntnisse des Beraters in den einzelnen Bereichen aber nicht so tiefgreifend, wie es der Kunde eigentlich verlangen darf. Dass wir uns also als Vermögensverwalter fast ausschließlich auf eine wertpapierbasierte Vermögensverwaltung konzentrieren, sehen wir als großen Vorteil für unsere Kunden.

Wer genau sind Ihre Kunden?

Im Wesentlichen betreuen wir Privatkunden, die nicht genügend Zeit und/oder nicht die notwendige Expertise haben, sich um die Anlage ihrer liquiden Geldanlagen zu kümmern. Ein Großteil der Kunden stammt aus dem Berliner Raum, wobei wir Anleger aus dem gesamten Bundesgebiet zu unseren Kunden zählen. Die Höhe des angelegten Kapitals reicht dabei von etwa 50.000 Euro bis knapp 10 Millionen Euro pro Kunde. Aber auch einige Firmen und Stiftungen lassen ihren liquiden Mittel von SIGAVEST verwalten.

Welche Besonderheiten bieten Sie Ihren Kunden an, um sich vom Wettbewerb abzuheben?

In unserer Branche werden wir gerne als gutbürgerlicher Vermögensverwalter wahrgenommen. Das liegt sicherlich zum einen daran, dass wir unsere Büroräume nicht in einem ‘Glaspalast‘ haben, sondern in einer Altbauwohnung einer klassischen Wohngegend in Berlin Tempelhof-Mariendorf. Hieraus ergibt sich auch ein Stückweit Authentizität und ein Kommunizieren mit dem Kunden auf Augenhöhe.

Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu unseren Mitbewerbern liegt in der Frage, ab welchem Betrag wir Anlegern eine Vermögensverwaltung anbieten. In unserer Branche ist es nicht ungewöhnlich, dass Mandate unterhalb von 250.000 oder 500.000 Euro nicht angenommen werden. Wir haben diese Anlagegrenze mit 50.000 Euro ganz bewusst deutlich niedriger angesetzt, da wir auch Kunden mit etwas überschaubareren Vermögen unsere Dienstleistung zur Verfügung stellen möchten.

Nach welchen Kriterien wird das Portfolio für den einzelnen Kunden erstellt?

Der Buchstabe „i“ in unserem Firmennamen SIGAVEST steht für das Wort „individuell“. Und diese Individualität hat für uns eine große Relevanz. Denn wir haben keine Musterdepots, aus denen unsere Kunden wählen können, sondern stellen die persönlichen Belange eines jeden Kunden in den Vordergrund. Grundsätzlich gibt es aber natürlich wichtige Kriterien, an denen sich die Portfoliozusammensetzung ausrichtet: Welchen Anlagehorizont hat der Kunde, welche Erfahrungen wurden am Kapitalmarkt bereits gemacht, wie sind die finanziellen Rahmenbedingungen und damit einhergehend die Risikofähigkeit des Kunden? Neben der Risikofähigkeit hat natürlich auch die Risikobereitschaft eine große Relevanz. Es ist entsprechend von ganz zentraler Bedeutung, dass kein Kunde ein höheres Risiko im Portfolio eingeht als das, was zu ihm passt. Neben den bisher genannten Kriterien können auch steuerliche Aspekte eine Rolle bei der Depotzusammensetzung spielen. Und nicht zuletzt muss jeder Kunde seit August dieses Jahres seine ESG-Präferenzen benennen.

Das Ziel fast jeden Investors ist es, gute Renditen mit möglichst niedrigem Risiko zu erzielen. Wie gelingt es, Risiken für das Gesamtportfolio zu minimieren?

Grundsätzlich gilt die Faustregel: Je höher das Risiko eines Portfolios, desto höher die zu erwartende Rendite. Wer als Anleger auf ein hohes Maß an Sicherheit angewiesen ist, muss entsprechende Abstriche bei der Performance machen. Unsere Aufgabe als Vermögensverwalter besteht bei der Portfoliozusammensetzung natürlich darin, eine möglichst gute risikoadjustierte Rendite für unsere Kunden zu erzielen. Notwendig ist hierfür eine breite Streuung im Depot. Das betrifft nicht nur die Aufteilung des Portfolios auf unterschiedliche Anlageklassen (z.B. Aktien, Anleihen, Zertifikate, Immobilienfonds). Auch innerhalb der einzelnen Anlageklassen ist ein hohes Maß an Diversifikation (z.B. auf Branchen und Regionen bei Aktien bzw. auf Laufzeiten und Währungen bei Renten) notwendig. Die einzelnen Assets sollten im Idealfall keine allzu große Korrelation (Gleichlauf) aufweisen, um die Wahrscheinlichkeit gering zu halten, dass im Falle von Börsenturbulenzen alle Papiere gleichzeitig an Wert verlieren. Speziell in diesem Jahr war dies übrigens besonders schwierig, da 2022 sowohl der Aktienmarkt als auch der Rentenmarkt mit großen Kursrückgängen zu kämpfen hat.

Privatanleger vertrauen an der Börse meist ihrem Bauchgefühl. Wie kommen Sie als professioneller Vermögensverwalter zu Ihren Anlageentscheidungen?

Lassen Sie mich die Frage vielleicht zunächst dahingehend beantworten, wie man seine Entscheidungen nicht treffen sollte – nämlich emotionsgetrieben. Ein starker Einbruch an den Märkten verursacht bei Anlegern häufig Angst oder sogar Panik, während ein langanhaltender Anstieg oft dazu führt, Risiken auszublenden und gierig zu werden. Wer so handelt, läuft Gefahr, Aktien nahe der Tiefpunkte zu verkaufen bzw. viel zu teuer (und damit oft kurz vor dem nächsten Abschwung) zu kaufen. Diese Grundregel sollten natürlich nicht nur Privatanleger, sondern insbesondere Profis zwingend beherrschen. Anlageentscheidungen müssen also nach rationalen Kriterien getroffen werden. Neben dem obligatorischen Lesen von Fachpublikationen ist auch der Meinungsaustausch mit Kollegen aus unserer Branche sowie Fondsmanagern sehr hilfreich. Besonders erfolgreiche Fondsmanager haben häufig einen sehr tiefen Einblick in die Situation der Unternehmen und können daher gut abschätzen, ob sich entsprechende Aktienkäufe lohnen oder nicht. Abgerundet wird unser Gesamtbild in der Regel durch die Auswertung makroökonomischer Daten, charttechnischer Eindrücke und der Analyse, welche Aktien am Markt unter Einbeziehung der Wachstumsaussichten aktuell zu teuer, fair oder zu günstig bewertet sind.

Herr Mallek, vielen Dank für das Interview.

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