IT frühzeitig in Facility Management-Prozesse integrieren – Ulrike Serbent (AOK Niedersachsen)

Interview mit Ulrike Serbent
Ulrike Serbent ist Pressesprecherin der AOK Niedersachsen. Im Interview spricht sie über das Facility Management und wie es monetäre und Nachhaltigkeitsziele eines Unternehmens stützen kann.

Was früher vielleicht mal der „Hausmeister-Service“ war, hat sich heutzutage zu einem komplexen Aufgabenbereich entwickelt. Können Sie den Unterschied einmal kurz erklären?

Ulrike Serbent: Die Komplexität ergibt sich im Wesentlichen aus den gesteigerten Anforderungen in den Bereichen Technik, IT sowie juristischen Rahmenbedingungen. Ausnahmesituationen wie wir sie derzeit vorfinden, stellen das FM vor zusätzliche Aufgabenstellungen wie z. B. strategischen Überlegungen zur zukünftigen Ausrichtung im Flächenmanagement oder den vertraglichen Ausgestaltungen von Gebäudedienstleistungsverträgen hinsichtlich Pandemiezeiten. Diese Managementdisziplin als „Hausmeister-Service“ zu bezeichnen, entspricht nicht dem komplexen Bild dieser agilen, kostenorientierten und einer rasant vorschreitenden digitalen Transformation unterliegenden Berufsbezeichnung.

Ein guter Projektleiter ist das „A und O“ eines reibungslosen Betriebsablaufes, wobei dieser die menschlichen und technischen Aspekte (Zeit, Ressourcen, Personal und Kommunikation) miteinander verbinden muss. Wie ist da Ihre Erfahrung?

Ulrike Serbent: Dem Projektleiter (im FM) obliegt eine äußerst verantwortungsvolle Aufgabe, nämlich genau diese zuvor genannten Aspekte im Rahmen eines fest definierten Projektes (mit Start- und Endpunkt) miteinander zu verknüpfen und darüber hinaus eine fortlaufende Dokumentation zu gewährleisten. Anlagen- und Gebäudedokumentationen sind ein wesentlicher Bestandteil eines optimierten und lebenszyklusorientierten Objekt-, Gebäude- und Facility Managements. Wir erleben, wie in vielen anderen Unternehmensbereichen ebenfalls, eine stetig steigende Komplexität der Herausforderungen. Mit steigender Spezialisierung im Unternehmen steigt auch die Zahl der Projektbeteiligten – die Abstimmungsrunden werden größer und die Kommunikation intensiver. Neben fundiertem technischen Wissen und Projektskills rückt die Fähigkeit zur adressatengerechten Einbindung aller Stakeholder auch im FM immer stärker in den Mittelpunkt.

Effiziente Prozesse dienen einem reibungslosen Ablauf bei der Betreuung von Liegenschaften. Was qualifiziert ein Facility- und Projektmanagement zu größeren und anspruchsvolleren Aufgaben?

Ulrike Serbent: Im FM, als Sekundärprozess innerhalb eines Unternehmens, sind Effizienz, Prozesse, Abläufe definiert und somit essentiell für den Unternehmenserfolg. Externe Beratungsunternehmen, Mitgliedschaften in Organisationen insbesondere aber Weiterbildungen oder Teilnahmen an Messen oder Veranstaltungen können dafür sorgen, die Motivation von Mitarbeitern im FM/PM zu steigern und innovative, neue Konzepte hervorbringen. Wer es im FM erfolgreich schafft, den vielen technisch geprägten Aspekten, dem hohen Kostendruck und den hohen Erwartungen der Nutzer an Kommunikation und Kundenorientierung gerecht zu werden, dem sollte kaum eine Herausforderung schrecken.

Eine hohe Ausbildungsqualität und verschiedene Kompetenzbereiche, die laut IFMA (International Facility Management Association) Bestandteil des Facility Managements sind, kann man sich ja nicht „im Vorbeigehen“ erwerben. Wie sieht die Ausbildung eines Facility-Managers aus?

Ulrike Serbent: Des Öfteren werden Architekten und Ingenieure aufgrund ihrer gebäude- und bauaffinen Ausbildung als vermeintlich prädestinierte Berufsgruppe in FM-Organisationen eingesetzt. Betrachtet man die in der einschlägigen Literatur untergliederten Bereiche in Technisches, Infrastrukturelles, Kaufmännisches FM ergänzt um das Flächenmanagement, so erweitern sich die Kompetenzfelder und Berufsgruppen um z. B. Gewerbliche Mitarbeiter (Handwerker), Mitarbeiter für den Bereich Logistik, Reinigungsfachkräfte, Kaufleute aus den verschiedensten Fachrichtungen wie Steuerfachangestellte, Immobilienkaufleute, etc. Diese unterschiedlichen akademischen und Berufs-Ausbildungen in einer FM-Organisation zielgerichtet und im Sinne eines lebenszyklusorientierten Managements einzusetzen, sind wesentlichen Aufgaben der entsprechenden Führungskräfte bzw. Unternehmensleitungen. Facility Management Aus- und Weiterbildungen oder Bachelor-/ Master-Studiengänge sind oftmals generalistisch aufgebaut, ermöglichen ein breitgefächertes Wissen und somit größtmögliche Flexibilität in einer FM-Organisation. Dahingehend könnten Lerninhalte und Abschluss-Zertifizierungen der Bildungsträger oder Hochschulen noch treffender abgeglichen und gewichtet werden.

Das Berufsbild „Facility-Management“ ist mittlerweile IT-lastig geworden, wenn man z. B. Computer Aided Facility Management (CAFM) als digitale Komponente berücksichtigt, um notwendige Daten zu erfassen und auszuwerten. Schreckt das potenzielle Interessenten an diesem Beruf ab oder weckt es eher Interesse?

Ulrike Serbent: Unsere gesamte Arbeitswelt unterliegt einer digitalen Transformation. Alles wird „SMART“, man diskutiert über „Facility Management 2.0 bzw. 4.0“ und „IoT-Lösungen“ usw. GLT (Gebäudeleittechnik), CAFM und BIM (Building Information Modeling) sind wesentliche Bestandteile im Facility Management, dessen Daten und Auswertungen beitragen können monetäre und Nachhaltigkeitsziele eines Unternehmens zu erreichen, Prozesse transparent darzustellen und sind dahingehend nicht mehr wegzudenken. Hier gilt es, unabhängig der Altersstruktur, allen Beteiligten gleichermaßen die wesentlichen Vorteile und Ziele aufzuzeigen und die IT frühzeitig in FM-Prozesse zu integrieren. Die Erfahrung, dass es potentielle Interessenten abschreckt, kann allerdings nicht geteilt werden – ganz im Gegenteil: durch die Corona-Pandemie zeichnet sich in nahezu allen Lebens- und Arbeitsbereichen eine Beschleunigung der Digitalisierung ab.

Die Bedeutung des Facility Managements wächst in Zeiten von immer komplexer werdenden Unternehmensstrukturen. Das Bewirtschaftungsvolumen liegt im 3-stelligen Milliardenbereich. Wie geht diese Entwicklung weiter?

Ulrike Serbent: Die Komplexität wird sicherlich nicht abnehmen. Dass das FM einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten kann ist unbestritten und liefert somit Fakten zur fundierten Entscheidungsfindung – nicht nur für das Top-Management. Das Bewirtschaftungsvolumen lag in den letzten Jahren im 3-stelligen Milliardenbereich und machte somit ca. 5% des BIP (Bruttoinlandsproduktes) aus. Wie sich in Post-Corona-Zeiten das Facility Management konkret auf die Wirtschaft auswirken wird kann derzeit nur gemutmaßt werden. Jedoch ist davon auszugehen, dass einige Budgets einem Sparzwang unterliegen werden. Andererseits könnten neue Konzepte vom Unternehmen gefordert werden, um beispielsweise ein Workplacemanagement zu etablieren, in dem „Social Distancing“ und „Desk-Sharing“ online- bzw. App-basierend eine zunehmende Rolle spielen. Eine herausfordernde und für Facility Manager/-innen besonders interessante, wegweisende Zeit mit Gestaltungsfreiraum, da ein konkreter und planbarer Verlauf in diesen Zeiten schwierig erscheint.

Frau Serbent, vielen Dank für das Gespräch.

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