Jörg Fänger: Erreichbarkeit der Ziele hängt von Strategien ab

Interview mit Jörg Fänger
Jörg Fänger ist Volljurist/Senior Consultant bei MLP in Köln. Mit ihm sprechen wir über Kapitalmarkt, Anlagestrategien von Männern und Frauen sowie Altersarmut.

Laut zahlreichen Studien setzen die meisten Frauen noch auf Sparbücher etc., anstatt in Wertpapiere zu investieren. Studien lässt sich entnehmen, dass viele Frauen dem Kapitalmarkt skeptisch entgegentreten. Unterscheiden sich die Anlagestrategien von Männern und Frauen eigentlich grundlegend?

Jörg Fänger: Ohne Beratung unterscheiden sich die Anlagestrategien durchaus. Männer „machen“ oft einfach, wie auch in anderen Handlungsfeldern zu beobachten (haben Männer häufiger Knochenbrüche? – Ich glaube schon.), trauen sich mehr zu, überschätzen dabei gelegentlich Ihre Fähigkeiten, während Frauen vielleicht öfter aus Vorsicht zögern.

Nach einer Beratung kann ich persönlich geschlechtsspezifische Unterschiede nicht bestätigen, Das hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass die Anlageziele, sofern Sie – vernünftigerweise – zur Grundlage von Anlageentscheidungen gemacht werden, nicht geschlechtsspezifisch, sondern meist deckungsgleich sind. Die Erreichbarkeit der Ziele wiederum hängt von Strategien ab, die auch über die realistische Renditeerwartung zum Ziel führen können. Rendite ist eine Folge des eingegangenen (Schwankungs-)Risikos. Hier gibt es zwar einen gewissen Spielraum, den viele aber vor dem Gespräch vielleicht überschätzen. Es handelt sich um mathematische Sachzwänge. Wenn man so viel Geld hätte, auf angemessene Zinsen/Kursgewinne verzichten zu können, braucht man keine Beratung und nicht zu sparen. Erst also Transparenz schaffen, ein Gespräch über Ziele und Wünsche führen, dann die Diskussion der Lösungsmöglichkeiten mit abgewogener, eigener Entscheidung.

Warum sind Frauen am Kapitalmarkt kaum aktiv? Gibt es eine Erklärung für die Unterrepräsentation?

Jörg Fänger: Aus den o.g. Gründen und vielleicht auch einer vergleichsweise selteneren Affinität zu Kapitalmarktthemen, im Gegensatz zu Männern, die vielleicht häufiger konkretes Eigeninteresse daran haben. Solange man dadurch bedingt den Entschluss zu einer Beratung und Entscheidungsfindung nicht (zu) lange aufschiebt, gar nicht schlimm. Denn wer spontan und schnell handelt, kann ebenso Fehler machen wie diejenige, die gar nicht handelt.

Was muss getan werden, um zukünftigen Kapitalmarktanlegerinnen den Einstieg zu erleichtern?

Jörg Fänger: Es muss – egal in welchem Format – zunächst einmal ein Überblick darüber verschafft werden, welche Arten von Anlagen es gibt, welche Eigenarten, Risiken, Vor- und Nachteile sie besitzen. Hintergrundwissen z.B. über die Gründe langfristigen Wegfalls von Zinsen ist ebenfalls eine wichtige Grundlage. Dann kommt die Hausaufgabe: Wie lange, wieviel, welche Schwankungsbereitschaft? Anschließend kann man gemeinsam – und das ist wichtig – dann ja wissensmäßig a u f  A u g e n h ö h e  auf der Produktebene gestalten. Idealerweise mit einer anbieterübergreifenden Auswahl und breiter Streuung.

Warum sollten Frauen schnell einen Zugang zum Kapitalmarkt finden? Ist Altersarmut eine wirkliche Gefahr, die man mit Geldanlagen eingrenzen kann?

Jörg Fänger: Altersarmut ist eine ganz konkrete Gefahr, aufgrund der durchschnittlich schlechteren Beitragszahlungsmöglichkeiten im Vergleich zu Männern in die gesetzlichen Rentensysteme und der längeren Lebenserwartung. „Schnell“ ist meines Erachtens nicht der richtige Ausdruck. Ich würde eher von „nicht auf die lange Bank schieben“ sprechen. Also zügig, aber nicht unter Stress, beraten lassen, in aller Ruhe abwägen, dann aber auch entscheiden.

Könnten Robo Advisor eine Möglichkeit sein, um neue unerfahrene Anleger und Anlegerinnen den Weg in den Markt zu ebnen?

Jörg Fänger: Meiner Auffassung nach ganz klar nein, Ich denke es handelt sich um ein Gesprächsthema, mit dem Ziel Vertrauen zu schaffen und Selbstverantwortung zu fördern. Das geht für mich nicht zusammen mit Videos und Auswahlboxen. Aber vielleicht überschätze ich mich da?

Kann man davon ausgehen, wenn mehr Information und Aufklärung erfolgt, dass in naher Zukunft die Zahl der Anlegerinnen zunehmen wird?

Jörg Fänger: Definitiv. Aber ohne das „wenn“ könnten auch weitere Jahre bis zum „dann“ vergehen. Zeit ist (D)eine Freundin. Das Verstreichen von Anlagezeit kann man auch Laien mit einer einzigen Taschenrechnerübung zur Wirkung des Zinseszinses in 30 Sekunden sehr eindrücklich bewusst machen. Man stellt einfach den Augenblick des Gespräches als Geldanlagestart dem alternativen Vertrödeln von 1, 2, 3 Jahren gegenüber. Um Tage oder Wochen (der Bedenkzeit) geht es nicht – nicht genutzte Jahre haben allerdings eine empfindliche Verlustwirkung. Wer zu spät kommt, den bestraft die dann erforderliche Sparrate. Insoweit stellt sich die Frage, wie das wünschenswerter Weise „in naher Zukunft“ umsetzbar ist.

Herr Fänger, vielen Dank für das Gespräch!

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