Klaus Kreutzer: Ersatzversorgung endet nach drei Monaten

Interview mit Klaus Kreutzer
Klaus Kreutzer ist vertretungsberechtigter Vorstand vom Bundesverband Deutscher Energiemakler und Energieberater (BDEB) e.V. in München. Mit ihm sprechen wir über Liquiditätsprobleme, steigende Strompreise sowie im Voraus beschaffte Energiemengen.

Die Strompreise steigen stetig und noch immer ist kein Ende in Sicht. Warum kündigen jetzt erste Discount-Anbieter ihre Verträge?

Klaus Kreutzer: Es ist davon auszugehen, dass manche Unternehmen die notwendigen Energiemengen für die Belieferung ihrer Kunden nicht vollständig im Voraus beschafft haben. Auch wenn bspw. 70 oder 80% im Voraus eingekauft wurden, können die fehlenden 20-30% bei den aktuellen Preisen relativ schnell zu einem Liquiditätsproblem führen. Einige Anbieter scheinen deshalb den Weg zu wählen, einem Teil ihrer Kunden zu kündigen und somit nur noch so viele Kunden weiterzubeliefern, dass die im Voraus beschafften Energiemengen ausreichen und keine teure Energie zugekauft werden muss. Dies ist im Rahmen eines Laufzeitvertrags nicht ohne weiteres möglich, so dass man sich als Kunde unter Umständen dagegen zur Wehr setzen kann.

Wie jeder Vertrag unterliegt auch der Stromvertrag einer Kündigungsfrist. Wie unterscheiden sich hierbei die Fristen von Grundversorgung der örtlichen Anbieter und anderer Stromversorger?

Klaus Kreutzer: Ein Grundversorgungsvertrag kann grundsätzlich mit einer Frist von 14 Tagen gekündigt werden. Ist der Kunde, z.B. durch die Insolvenz des bisherigen Lieferanten, in der Ersatzversorgung, gibt es gar keine Kündigungsfristen. Die Ersatzversorgung endet aber automatisch nach drei Monaten. Andere Verträge beim Grundversorger oder auch bei anderen Anbietern können bei Haushaltskunden eine maximale Laufzeit von 24 Monaten aufweisen. Die meisten Verträge werden für 12 Monate geschlossen. Mit dem neuen Gesetz für faire Verbraucherverträge ist eine automatische Vertragsverlängerung um bis zu ein Jahr nicht mehr möglich. Die Verträge laufen dann auf unbestimmte Zeit, sind aber grundsätzlich monatlich kündbar. Im Geschäftskundenbereich sind auch längere Vertragslaufzeiten möglich. Teilweise werden hier auch langfristige Verträge, z.B. über 5 Jahre abgeschlossen.

Viele Unternehmen locken mit einem Neukundenbonus. Können Sie uns erklären, was dem Kunden dabei versprochen wird und was für Tücken sich in diesen Tarifen verbergen?

Klaus Kreutzer: Durch einen Neukundenbonus kann der Lieferant einen günstigen Preis mit einer hohen Ersparnis darstellen. Es gibt mehrere Bonusvarianten: Der Sofortbonus wird üblicherweise innerhalb von 60 Tagen nach Belieferungsbeginn direkt auf das Konto des Kunden eingezahlt. Der Neukunden- oder Treuebonus wird erst nach dem ersten Belieferungsjahr fällig und mit der Jahresrechnung ausgezahlt bzw. verrechnet. Darüber hinaus gibt es auch einen direkten Bonus auf den monatlichen Abschlag, so dass man monatlich weniger zahlt. Es ist zu beachten, dass der Tarif nach Wegfall des Bonus im zweiten Jahr entsprechend teurer ist. Wer einen Vertrag mit Bonus abschließt, sollte deshalb auf die Konditionen im zweiten Vertragsjahr achten und prüfen, ob dieser Tarif dann immer noch vorteilhaft für ihn ist.

Um einen realistischen monatlichen Abschlag zu bezahlen, sollte man den eigenen Verbrauch kennen. Nach einem Umzug könnte die Berechnung schwer werden, da sich mit einer neuen Wohnung oder Haus der Verbrauch ändert. Haben Sie Tipps zur Wahl des richtigen Betrags?

Klaus Kreutzer: Wer umzieht, kann sich am Verbrauch des vorherigen Bewohners orientieren, falls dieser bekannt ist. Der Versorger erhält zudem vom Netzbetreiber eine Information über den Vorjahresverbrauch an der Lieferstelle und ermittelt auf dieser Basis den monatlichen Abschlag, den der Kunde zu leisten hat. Wenn man meint, dass dieser Abschlag zu hoch oder zu niedrig ist, sollte man seinen Zählerstand monatlich ablesen und prüfen, wie sich der Verbrauch entwickelt. Darüber hinaus geben Quellen wie der Stromspiegel Auskunft über den durchschnittlichen Stromverbrauch für die Bewohner von Häusern oder Wohnungen, differenziert nach der Anzahl der Personen im Haushalt. Dies bietet zumindest einen groben Überblick für Personen, die bereits vor dem Einzug wissen möchten, welche Kosten sie möglicherweise erwarten.

Darüber hinaus sollte man noch auf zahlreiche andere Faktoren wie Vertragslaufzeit und Preisgarantie achten. Haben Sie noch einen Rat für Kunden, die den Anbieter wechseln wollen?

Klaus Kreutzer: In der aktuellen Energiepreiskrise ist es nicht so einfach wie sonst ein günstigeres Angebot zu erhalten. Insofern ist der Suchaufwand möglicherweise etwas höher. Findet man einen günstigen Tarif, so ist es sicherlich sinnvoll, diesen über eine Preisgarantie abzusichern. Wer allerdings nur sehr teure Tarife findet, sollte auf eine möglichst kurze Vertragslaufzeit achten, um bei Verbesserung der Lage ein attraktiveres Angebot in Anspruch nehmen zu können. Unter Umständen ist es auch sinnvoll, erst einmal beim Grundversorger zu bleiben, wenn man bspw. durch Insolvenz oder Kündigung eines Anbieters dort gestrandet ist und sich kein besseres Angebot findet. Da es unterschiedliche Preisgarantien gibt, sollte man prüfen, welche Preisbestandteile tatsächlich abgesichert sind und nach welchen Regeln möglicherweise nicht abgesicherte Preise weitergegeben werden. Da die EEG-Umlage in Höhe von 3,7 Cent/kWh ab 2023 wegfällt, ergeben sich dadurch Einsparmöglichkeiten, die man bei einer vollständigen Preisgarantie möglicherweise nicht realisieren kann. Generell bietet es sich beim Versorgerwechsel an, sich über das Unternehmen vorab zu informieren und neben den Geschäftsbedingungen auch nach Kundenbewertungen im Internet zu suchen. Wer Anbieter meidet, über die es viele Beschwerden gibt, spart sich meist eine Menge Ärger.

Herr Kreutzer, vielen Dank für das Gespräch!

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