Die Idee der Altersvorsorgepflicht für Selbständige ist nicht neu. Was halten Sie davon?
Marc Rataj: Generell halte ich es für sinnvoll, von staatlicher Seite hier ein Auge drauf zu haben. Es gibt einige Selbständige und Unternehmer*innen auf dem Markt, die dieses Thema vernachlässigen oder auch bewusst ignorieren, ganz nach dem Motto „solange der Laden läuft“. Als Spezialist für das Thema Immobilienfinanzierung komme ich nahezu täglich mit selbständigen Interessent*innen für eine Immobilienfinanzierung sowie mit Unternehmenskrediten in Kontakt. Da viele 100%tige Gesellschafter*innen sind, aber das Thema Altersvorsorge jedoch nur spärlich behandeln, haben wir häufig die Problematik bei Banken, dass die Lebensphasenplanung für die Finanzierung im Alter teilweise nicht ausreichende Einkünfte darstellt. Prognosen über zukünftige Entwicklungen einer Firma sind in der Regel für Banken nur peripher interessant.
Selbständige bezahlen deutlich höhere Beiträge an die Kranken- und Pflegeversicherung als Arbeitnehmer mit vergleichbarem Einkommen. Woran liegt das?
Marc Rataj: Zum einen denke ich, dass hier auch ein gewisser „Schlendrian“ bei vielen Selbständigen herrscht, bzw. eine falsche Herangehensweise vorliegt, um mögliche Einsparungen bei den Firmenausgaben zu haben. So versuchen viele Unternehmer*innen erst bei den Beiträgen mit geringen Einstiegstarifen zu sparen, doch dann merken sie nach einigen Jahren, dass es doch cleverer wäre, einen leistungsstarken Tarif zu nehmen, weil sie am falschen Ende gespart haben. Jetzt fällt einigen die Biometrie auf die Füße und auf den Beitrag, denn dieser berücksichtigt nun den neuen Gesundheitszustand und das Alter entsprechend, was negative Auswirkungen bzw. einen höheren Beitrag zur Folge haben kann. Dennoch ist der Beitrag in der Regel identisch zu dem eines Arbeitnehmers, nur fehlt der AG-Anteil.
Wenn die Altersvorsorgepflicht auch auf Selbstständige ausgeweitet wird: Was bedeutet das für Solo-Selbständige?
Marc Rataj: Das hängt sehr vom finanziellen Status, bzw. von den Erträgen ab. In meinen Augen sollte dieses kein Problem darstellen. Ansonsten bin ich eventuell in der falschen Branche mit meiner Selbständigkeit. Natürlich muss hier differenziert werden. Ein Subunternehmer*innen eines Paketdienstes wird sicherlich sehr „scharf“ kalkulieren. Eventuell wäre eine BWA bei plus minus Null in einem solchen Fall. Hier muss der Staat Regelungen finden, dass diese Menschen nicht später in Altersarmut oder Sozialhilfe abdriften, bzw. solche Geschäftsmodelle generell auf den Prüfstand stellen.
Wie soll die Altersvorsorgepflicht ausgestaltet, wie vorgesorgt werden?
Marc Rataj: Dafür müssen Sie die Politiker*innen fragen. Ich könnte mir auch eine Art Fonds oder auch ein Versorgungswerk vorstellen, ähnlich wie bei Ärzt*innen oder Jurist*innen.
Was wären die Alternativen dazu? Ein gemeinsamer Rententopf für Angestellte und Selbständige?
Marc Rataj: Gemeinsame Rententöpfe sind sicherlich ein Mittel, jedoch würden viele Selbständige, auch aufgrund hoher Steuervorauszahlungen nicht noch on top in der Lage sein, 20% ihrer Einkünfte monatlich abzugeben. Aus Sicht der Arbeitnehmer*innen wäre dieses Modell nur fair bei prozentual gleich hohen Einzahlungen in die GRV. In diesem Zusammenhang wäre über die Einführung einer staatlichen Grundrente nachzudenken und darüber hinaus eine Verpflichtung, 10 Prozent seines Einkommens in die Altersvorsorge zu investieren.