Markus Latta: Wiedereinführung einer Lagerwirtschaft könnte zu einer Stabilisierung der Preise führen

Interview mit Markus Latta
Markus Latta ist Fachteamleitung Finanzdienstleistungen VerbraucherService Bayern im KDFB e.V. Mit ihm sprechen wir über Extremwetterereignisse, Klimakrisen sowie Risiko für das deutsche Finanzsystem.

Extremwetterereignisse und Klimakrisen könnten dem Finanzwesen mehr schaden als angenommen. Warum sind Klimakrise und Extremwetterereignisse auch ein Risiko für das deutsche Finanzsystem?

Markus Latta: Zum einen wird durch diese Ereignisse die Versicherungswirtschaft belastet, denn durch die Zunahme von Unwettern steigen die Schadenquoten und schmälern so die Ergebnisse der Versicherer und Rückversicherer. Zum anderen können Lieferketten durch diese Ereignisse unterbrochen werden, was zur Folge hat, dass Unternehmen ihre Aufträge nicht erfüllen können und somit geplante Einnahmen ausbleiben. Da Unternehmen, gerade auch aus dem Mittelstand (KMU), diese Aufträge zum Teil auch bei ihren Banken vorfinanzieren müssen, drohen hier Kreditausfälle und belasten somit das Bankenwesen. Außerdem besteht die Gefahr, dass Unternehmensergebnisse durch unvorhergesehene Klimaereignisse massiv verfehlt werden, was sich negativ auf die nachhaltige Investitionsbereitschaft und die Investitionsgewinne auswirken kann.

Inwiefern hat der Klimawandel also Auswirkung auf die Preisstabilität?

Markus Latta: Durch den Klimawandel gestalten sich mittel- bis langfristige Preiskalkulationen der Hersteller und des Handels schwieriger. Denn wie schon oben erwähnt, kann ein Zusammenbruch von Lieferketten nach einem extremen Klimaereignis die Produkte verknappen und somit zum Preisanstieg führen. Das Just-in-Time-Prinzip, welches sich während der letzten Jahre in der Wirtschaft aus Effizienzgründen immer mehr durchgesetzt hat, ist aus diesem Gesichtspunkt deshalb kritisch zu hinterfragen. Die Wiedereinführung einer Lagerwirtschaft könnte so zu einer Stabilisierung der Preise führen und dieses Risiko in gewisser Weise schmälern.

Können Sie sagen, was die EZB deswegen nun vorhat? Es geht dabei ja auch um die Förderung einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung.

Markus Latta: Die EZB sollte die Bankenwirtschaft darauf sensibilisieren, diese Auswirkungen noch stärker in ihrem Risikomanagement zu berücksichtigen. Das zur Verfügung stellen sogenannter Szenarioanalysen ist hierbei ein hilfreiches Mittel, welches die EZB einsetzen möchte. Ebenfalls von Vorteil wäre die Bereitstellung attraktiver Refinanzierungskonditionen bei der Kreditvergabe von Banken an nachhaltige Wirtschaftszweige bzw. Unternehmen.

Warum ist es unter Ökonomen umstritten, ob Notenbanken mit ihrer Geldpolitik umweltpolitische Ziele unterstützen sollten?

Markus Latta: Vertreter der Notenbanken sehen die Unterstützung umweltpolitischer Ziele eher kritisch und berufen sich dabei auf deren Unabhängigkeit und Neutralität. Ihre Hauptaufgabe sehen sie in erster Linie in der Kontrolle und Steuerung der Finanzmärkte und dem damit verbundenen möglichst reibungslosen Funktionieren der Wirtschaft, sowie der Stabilisierung der Währung. Rahmenbedingungen zum Erreichen umweltpolitischer Ziele sollten aus ihrer Sicht durch die verantwortliche Politik und nicht durch die Währungshüter geschaffen werden. Allerdings wird diese Sichtweise nur bedingt unterstützt, da die EZB zum Beispiel nach Art. 11 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) der sogenannten Querschnittsklausel unterliegt. Diese besagt, dass Organe der EU, Erfordernisse des Umweltschutzes berücksichtigen müssen. Des Weiteren hat sich der Gesetzgeber darauf festgelegt, wie er die laut AEUV beschlossenen Umweltziele erreichen möchte. Daraus ist zu erkennen, dass die EZB den Klima- und Umweltschutz bei ihrer Geldpolitik durch eine Ermessensentscheidung auch zu beachten hat (Art. 3 AEUV).

Ist es gesamtwirtschaftlich sinnvoll, dass Zentralbanken bei Anleihekäufen umweltfreundliche Wertpapiere anderen Papieren vorziehen?

Markus Latta: Diese Vorgehensweise könnte sich als ein Anreiz für die Emittenten der Wertpapiere entwickeln und somit eine mittelfristige Transformation der Gesamtwirtschaft in Richtung mehr Nachhaltigkeit bewirken. Somit wäre dies einer von vielen Punkten zu mehr Klima- und Umweltschutz. Allerdings ist auch nicht davon auszugehen, dass die Zentralbanken die exzessiven Kaufprogramme ewig aufrechterhalten werden.

Herr Latta, vielen Dank für das Gespräch!

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