Martin Overrath: Versicherungslösungen bieten steuerliche Vorteile

Interview mit Martin Overrath
Martin Overrath ist Geschäftsführer Team Overrath. Mit ihm sprechen wir über Altersvorsorge durch Aktien, gesetzliche Rente sowie Investmentsteuerreform.

Die Hälfte der Deutschen sorgt sich vor Altersarmut. Kann eine Altersvorsorge durch Aktien vor Altersarmt schützen?

Martin Overrath: Das ist durchaus möglich. Die Frage ist immer, wie das System aufgebaut ist. Eine koordinierte, planbare Anlage in Einzeltitel ist keine Sache, die man einfach nebenbei macht, sondern dazu gehören viel Erfahrung und Wissen sowie ein hoher Zeiteinsatz. Es gibt viele unterschiedliche Bewertungsansätze, um Titel auf ihre Rentabilität zu überprüfen, außerdem ist der Aktienmarkt in ständiger Bewegung. Für die meisten Broker ist das ein intensiver Vollzeitjob, der ein hohes Maß an Begeisterung und Aktivität erfordert.

Welche Vorteile hat die private Altersvorsorge mit Aktien im Gegensatz zur gesetzlichen Rente, Riesterrente und Rürup-Rente?

Martin Overrath: Die gesetzliche Rentenversicherung hat mit dem Umlageverfahren noch eine weitere Besonderheit. Umlageverfahren bedeutet, dass die eingezahlten Beiträge nicht für den Versicherten persönlich angelegt werden, sondern direkt für die laufenden Leistungen, also Altersrenten, aber auch Witwen-/Witwer-, Waisen- und Erwerbsminderungsrenten verwertet werden. Das bedeutet, dass jeder von uns in der eigenen Rentenphase davon abhängig ist, dass genug Menschen Beiträge entrichten – angesichts der demografischen Entwicklung keine sichere Sache. Am Ende gibt es allerdings nicht „die eine richtige“ Vorsorge. Zum Beispiel bieten Versicherungslösungen steuerliche Vorteile, staatliche Förderungen und eine solide, verlässliche Basis in Form einer monatlichen Zahlung, während wir uns die Auszahlungen aus unserem Depot selbst einteilen müssen. Deshalb ist eine Kombination verschiedener Anlagen oft eine sinnvolle Entscheidung.

Wie risikoreich ist die Vorsorge durch Aktien und Indexfonds?

Martin Overrath: Das hängt vor allem von der Definition des Wortes „Risiko“ und dem Anlagehorizont, also der Zeit, die Sie investiert bleiben, ab. Auf kurze Sicht von ein paar Jahren ist alles möglich. Die eine gute Lösung für private Kleinanleger ist die Investition in Investmentfonds. Dort wird entweder durch ein aktives Management und Analystenteam oder durch ein Computerprogramm (ETF’s) die Auswahl der einzelnen Titel übernommen. Durch die Stellung innerhalb einer Anlegergemeinschaft lassen sich bereits mit kleinen Beträgen Anteile an vielen verschiedenen Unternehmen in unterschiedlichen Branchen und Ländern erwerben. Durch diese Verteilung (Streuung) reduziert sich auch das Verlustrisiko beträchtlich. Selbst wenn zwei von 100 Aktienunternehmen Konkurs anmelden müssten, sind die Auswirkungen auf das eigene Vermögen überschaubar. Ganz klar den Ertrag. Die Riester- und Rüruprente müssen zusätzlich zur Kapitalverwaltung und eventuellen Beitragsgarantien noch das sogenannte Langlebigkeitsrisiko absichern. Das bedeutet, dass aus solchen Produkten eine monatliche Rentenzahlung bis ans Lebensende entspringt, unabhängig davon wie alt der Versicherte wird. Auf der anderen Seite, müssen Versicherer und Produktgeber vorsichtig kalkulieren und in erster Linie auch Teile des Kapitals absichern, um in einer kurzfristigen wirtschaftlichen Krise nicht sofort in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten. Das ist auch gesetzlich so vorgeschrieben und bietet auch viele Vorteile. Außerdem können auch die Beitragsanteile, die nicht in die Wertsicherung investiert werden müssen, innerhalb dieser Produkte am Kapitalmarkt angelegt werden und die Rendite erhöhen.

Aktienmärkte können sich steil bergauf, aber auch genauso steil bergab bewegen. Wenn „Risiko“ also für uns bedeutet, einen kurzfristigen Verlust hinnehmen zu müssen, dann ist das Risiko groß. Auf lange Sicht ist die Situation allerdings anders. Es ist historisch belegbar, dass die Weltwirtschaft nach jeder Krise, selbst nach zwei Weltkriegen, immer wieder neue Höchststände erreicht und überbietet. Gerade ein Indexfonds, also eine passiv gemanagte Abbildung des Durchschnitts in einem Wirtschaftszweig oder auch der Weltwirtschaft selbst, hat auf eine Sicht von 10, 20 oder noch mehr Jahren nur ein geringes Risiko. Das ist auch logisch, denn die Weltbevölkerung wächst, die Menschen benötigen Essen, Trinken, Wohnraum, Fortbewegungsmittel etc. Die Staaten und Länder investieren in ihre Infrastruktur oder in neue Technologien, Energie und vieles mehr. Die Investition in Aktien und Investmentfonds ist nichts anderes als ein Cashback-Prinzip – Durch den Konsum der Menschen steigt der Wert meiner Investitionen kontinuierlich an. Wir wissen nicht, wie stark die Weltwirtschaft wachsen wird, doch wir wissen, dass sie wachsen muss. Und das mit hoher Wahrscheinlichkeit weit über dem Niveau der Sparzinsen und der Inflation.

Ist ein Sparplan ein Muss oder kann die Altersvorsorge auch durch Einzeltitel realisiert werden?

Martin Overrath: Jeder kann selbst entscheiden, wie seine Vorsorge aufgebaut sein sollte. Ein planbarer Vermögensaufbau ist jedoch mit Investmentfonds wesentlich einfacher und weniger zeit- und nervenaufwändig als mit einzelnen Aktien. Auf diese Weise werden Risiken minimiert und die Auswahl der einzelnen Investitionen Experten überlassen. Wir sollten immer bedenken, dass die Börse oder die Geldanlage kein emotionales, sondern ein rationales Thema sein muss. Wer sich nicht mit der Bewertung von Einzelaktien auskennt, ist mit Investmentfonds oft besser beraten.

Wie wird die Altersvorsorge mit ETFs in Deutschland versteuert?

Martin Overrath: Aktuell müssen Anleger und Sparer in Deutschland auf alle Kapitalgewinne eine Abgeltungssteuer von 25% bezahlen. Dazu kommt nach wie vor der Soli von 5,5%, sodass die gesamte Steuerlast auf Kapitalerträge, Zinsen und Dividenden bei 26,375% plus eventuell noch Kirchensteuer. Allerdings gilt das erst, wenn der sogenannte Sparerpauschbetrag von 801€ pro Jahr ausgeschöpft ist. Bis zu dieser Summe müssen Erträge also nicht versteuert werden. Bei inländischen Investmentvermögen werden die Steuern direkt von der Depotbank an das zuständige Finanzamt abgeführt. Seit der Investmentsteuerreform 2018 wird dabei auch effektiv kein Unterschied zwischen ausschüttenden und thesaurierenden Fonds gemacht. Bei thesaurierenden Fonds werden Erträge direkt wieder im Fondsvermögen angelegt. Seit der Reform werden auf diese Gewinne Vorabpauschalen durch die Depotbanken abgeführt. Ein weiterer Punkt ist der sogenannte Verlustverrechnungstopf. Das Prinzip ist, dass in einem negativen Börsenjahr entstandene Kursverluste mit den Gewinnen des Folgejahres verrechnet werden können. Besteht also beispielsweise im Jahr 2020 ein Verlust von 300€ und im Jahr 2021 ein Gewinn von 1.100€ müssen keine Steuern gezahlt werden, obwohl der Gewinn den Freistellungsbetrag weit übersteigt, da nach Gegenrechnung der Verluste nur noch 800€ realer Gewinn übrigbleiben. Im Rahmen fondsgebundener Versicherungspolicen besteht teilweise auch die Möglichkeit, bei einer entsprechenden Laufzeit nur einen Teil der Erträge zu versteuern und damit günstiger wegzukommen. Welche Produkte und welcher Mix am Ende wirklich für die einzelne Person sinnhaft sind, lässt sich allerdings nicht pauschalisieren.

Herr Overrath, vielen Dank für das Gespräch!

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