Notleidende Kredite: wideStreet unterstützt Banken in der Corona-Krise

Interview mit Ksenia Gräfin von Bassewitz
Ksenia Gräfin von Bassewitz und Dr. Bernd Schmid sind Geschäftsführer der wideStreet GmbH. Im Interview sprechen sie über verschärfte Kreditbedingungen und halten einen Bank Run in Deutschland für höchst unwahrscheinlich.

Notleidende Kredite sind ein eigenständiges Geschäftsmodell geworden. Zudem wird die Corona-Krise zu vermehrten Firmenpleiten führen. Was heißt dies für die Kreditwirtschaft und Banken?

Dr. Bernd Schmid: Notleidende Kredite (sogenannte NPLs) sind in der Tat für Investoren eine eigenständige Anlageklasse geworden. Die wideStreet GmbH bringt auf ihrer digitalen Plattform Käufer und Verkäufer zusammen und schafft so ganz im Sinne der EU einen transparenten Marktplatz. Kreditinstitute können auf diesem Weg höchst effizient Bestände an NPLs abbauen und das frei werdende Eigenkapital für Neugeschäft – und damit zur Erfüllung ihrer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung – einsetzen.

Trotz Corona-Krise ist die Anzahl der Kreditausfälle bisher noch nicht merklich angestiegen. Dies liegt vor allem an den umfänglichen staatlichen Hilfsmaßnahmen, die die Auswirkungen der Krise verlangsamt haben. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Kreditinstitute darauf verlassen können, dass sich die Lage nicht noch verschlimmern wird. Aus diesem Grund haben viele Banken in Deutschland auch bereits reagiert und im ersten Halbjahr die Eigenkapitalrückstellungen z. T. signifikant erhöht und Wertberichtigungen vorgenommen. Gleichzeitig wurden Vergaberichtlinien und Kreditbedingungen in Kreditinstituten verschärft. Das Zusammenspiel von erhöhter Risikovorsorge und Ertragsdruck könnte aber trotz erhöhter Kreditnachfrage durchaus zu einer erheblichen Verknappung des Kreditangebots führen. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen haben es zunehmend schwer ein Darlehen zu bekommen.

Bei einer Welle von Kreditausfällen, wie sie in nächster Zeit zu erwarten ist – müssen wir uns um unsere Bankguthaben Gedanken machen?

Ksenia Gräfin von Bassewitz: Niemand kann letztendlich vorhersehen, wie sich die Pandemie weiter entwickeln wird. Und obwohl man immer auf das Worst-Case Szenario vorbreitet sein sollte, darf man doch davon ausgehen, dass die nach der Kreditkrise aufgrund der strengeren Kapitalanforderungen aufgebauten Rücklagen in der Breite ausreichen sollten drohende Verluste abzufedern. Die Kernkapitalquote deutscher Institute ist von knapp 10 Prozent im Jahr 2008 auf etwa 16 Prozent gestiegen. Und man sollte auch nicht vergessen, dass Deutschland im europäischen Durchschnitt bei den NPL-Quoten sowohl historisch als auch aktuell nach wie vor sehr gut dasteht.

Die in der EU national organisierte gesetzliche Einlagensicherung und die weiteren freiwilligen Einlagensicherungsfonds stellen außerdem ein effizientes Instrumentarium zur Risikobegrenzung dar.

Halten Sie einen Bank-Run für möglich, speziell in Deutschland?

Dr. Bernd Schmid: In der jüngeren Geschichte haben wir in Europa durchaus schon Bank-Runs erlebt. Man denke nur an die britische Bank Northern Rock während der Kreditkrise im Sommer 2007 oder die griechischen Banken während der Griechenlandkrise im Frühling 2012. Allerdings sind die deutschen Banken wie bereits erwähnt ganz gut aufgestellt und insofern ist so ein Szenario für Deutschland derzeit höchst unwahrscheinlich.

Banken müssen, um ihre Bilanzen aufzubessern, sich von notleidenden Krediten trennen. Gibt es Profiteure?

Ksenia Gräfin von Bassewitz: Die wideStreet GmbH hat es sich zum Ziel gesetzt dazu beizutragen, dass der Handel mit notleidenden Krediten transparenter und der Markt liquider wird. Dies hat zur Folge, dass sich die Angebot–Nachfrage–Preisspannen einengen und Transaktionen zu „fairen“ Marktpreisen stattfinden sollten. Das wiederum bedeutet, dass in einem dann effizienten Markt die erwartete Rendite aus dem Ankauf von notleidenden Krediten im richtigen Verhältnis zum Risiko stehen sollte. Insofern würde ich auch nicht von „Profiteuren“ sprechen, sondern von einer Win-win-Situation für Käufer und Verkäufer.

Hinter jedem Kredit steht ein Mensch, ein Gewerbe oder eine Organisation. Gehen wir nur von Privatpersonen aus: was ist in Sachen „Non-Performing Loans“ das Best-Case und Worst-case-Szenarion für Menschen, deren Kredit notleidend ist?

Dr. Bernd Schmid: Das Best-Case-Szenario ist klar, dass die Person auf dem Weg in die Schuldenfreiheit begleitet werden kann. Typischerweise werden vom Inkassounternehmen oder der Work-out-Abteilung der Bank in Abstimmung mit dem Schuldner nachhaltige Rückzahlungspläne erarbeitet, die an die individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten der jeweiligen Personen angepasst sein sollten. Dies kann dann auch bedeuten, dass Zinszahlungen einmal ausgesetzt oder gestreckt werden müssen. Ziel sollte aber sein, dass der Gläubiger das ihm zustehende Geld bekommt – allerdings auf eine Art und Weise, die der Schuldner auch gut bewältigen kann.

Ksenia Gräfin von Bassewitz: Das Worst-Case-Szenario ist, dass Rückzahlungspläne nicht umgesetzt werden können und der Gläubiger seine Ansprüche auf gerichtlichem Wege durchsetzen wird. Hat er auf diese Weise einen Vollstreckungstitel erwirkt, kann der Gläubiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten.

Die wideStreet GmbH hilft mit ihrer NPL Handelsplattform Banken im besten Sinne der Kreditnehmer zu handeln. Kreditinstitute schaffen über den Verkauf von notleidenden Forderungen wieder Raum für die Neukreditvergabe, die ja für Privatpersonen, Gewerbe und Industrie gleichermaßen existenzielle Bedeutung hat.

Gräfin von Bassewitz, Herr Dr. Schmid, vielen Dank für das Gespräch.

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