Passive Fonds verstärken keine Trends – Dr. Anselm Hüwe (quirion)

Interview mit Dr. Anselm Hüwe
Dr. Anselm Hüwe ist Senior Analyst bei der digitalen Geldanlage quirion. Der digitale Vermögensverwalter betreut aktuell über 20.000 Kunden mit einem Anlagevolumen von rund 500 Millionen Euro. Im Interview spricht er über die Eignung von ETF zur Vermögensbildung.

ETF gelten als einfaches und kostengünstiges Vehikel, um Aktien zu erwerben. Wie genau funktionieren diese Produkte?

Dr. Anselm Hüwe: ETF ist die Abkürzung für „Exchange-Traded-Fund“. Das sind also Fonds, die anders als klassische Fonds laufend an einer Börse gehandelt werden. Da ETFs exakt einen öffentlich verfügbaren Börsenindex nachbilden, ist ihr Wert jederzeit nachvollziehbar. Dies erlaubt es den Börsenmaklern, laufend Kauf- und Verkaufskurse zu stellen und ermöglicht dadurch den Börsenhandel.

Wie die klassischen Fonds auch sind ETFs rechtlich gesehen Sondervermögen, gehören also immer dem Anleger. Das unterscheidet sie beispielsweise von Zertifikaten, mit denen man keine Anteile erwirbt, sondern lediglich einen Anspruch gegenüber der herausgebenden Bank.

ETF werden passiv gemanagt. Welche Vorteile ergeben sich für Investoren?

Dr. Anselm Hüwe: Für das Anlageergebnis ist ihre börsenbasierte Konstruktion gar nicht so relevant. Viel wichtiger ist, dass ETFs extrem kostengünstig sind. Das Abbilden eines Index ist für den Emittenten vergleichsweise einfach möglich und ihr Kampf um Marktanteile hat dazu geführt, dass Standard-ETFs mittlerweile fast schon kostenlos angeboten werden. Da gilt: Je geringer die Kosten, desto höher im Umkehrschluss die Netto-Rendite des Anlegers, sind ETFs das Mittel der Wahl für einen erfolgreichen Vermögensaufbau. Ein weiterer Vorteil von ETFs: Wenn der abgebildete Index sehr breit aufgestellt ist, erlaubt der ETF dem Anleger ein breit diversifiziertes und damit risikoreduziertes Investment.

Welche Arten von ETF gibt es und worin unterscheiden sich die Produkte?

Dr. Anselm Hüwe: In Deutschland werden über tausend ETFs angeboten, das Angebot ist für den Privatanleger eigentlich nicht mehr zu überblicken. Interessant dabei: Die Kostenunterschiede sind enorm. Man findet – teilweise von derselben Fondsgesellschaft – quasi identische ETFs, aber mit Preisunterschieden von mehreren 100%. Zudem gibt es auf technischer Ebene viele Unterschiede: ETFs können ihre Bestandteile direkt kaufen (physisch replizierend) oder über Drittgeschäfte reproduzieren (synthetisch replizierend). Sie dürfen auch Wertpapiere an Short Seller gegen Gebühr verleihen, was die jeweiligen Emittenten unterschiedlich handhaben. ETFs werden auch in unterschiedlichen Ländern aufgelegt, neben Deutschland häufig Irland oder Luxemburg. Dies ist mittlerweile steuerlich aber nicht mehr relevant. Wichtig aus Anlegersicht ist vor allem, sich den zugrundeliegenden Index anzuschauen, denn dieser kann ganz unterschiedliche Anlageklassen, Regionen, Branchen und Anlagestile abbilden.

Worin Investieren Menschen derzeit mehr, in Aktien- oder Renten ETF?

Dr. Anselm Hüwe: Ich habe hier Zahlen zu den am größten deutschen Börsenplatz Xetra gehandelten ETFs. Hier wurden im letzten Jahr ca. 385 Milliarden Euro in Aktien-ETFs investiert und 132 Milliarden Euro in Anleihen-ETFs, was einer Aktienquote von gut 70% entspräche. Interessanterweise liegt bei quirion die durchschnittliche Aktienquote unserer Kunden ebenfalls in etwa in diesem Bereich. Bei den aktuell sehr niedrigen Renditen am Anleihenmarkt verwundert es auch nicht, dass die Anleger verstärkt auf Aktien-ETFs setzen.

Skeptiker sprechen von Gefahren, im Zusammenhang mit ETFs. Sehen Sie ebenfalls Risiken in der Asset-Klasse? Welche?

Dr. Anselm Hüwe: Man hört manchmal von dem Argument – häufig vorgetragen von aktiven Fondsmanagern -, dass passive Anlageformen Markttrends verstärken, weil sie ihre Anlagen nach der Marktkapitalisierung der Unternehmen gewichten. Hoch bewertete Unternehmen nehmen dadurch ein hohes Gewicht im Fonds ein. Aber mit Verlaub, dieses Argument ist Quatsch, was sich sogar mathematisch zeigen lässt. Denn die aktiven Anleger investieren ja ebenfalls in diese hoch bewerteten Unternehmen, nur deshalb ist ihre Bewertung wie sie ist. Passive Fonds verstärken keine Trends, sie bilden den Markt eins zu eins ab und können deshalb übrigens auch keine schlechteren Renditen erzielen als die Gesamtheit der Anleger. Hinzu kommt: ETFs halten trotz ihrer zunehmenden Popularität immer noch einen recht kleinen Anteil an den Unternehmen. Und da sie passiv agieren statt aktiv, spielen sie für die täglichen Börsenumsätze, über die sich ja Marktpreise bilden, eine unbedeutende Rolle.

Studien besagen, dass Fondsmanager den Markt auch nicht schlagen. Gibt es trotzdem Vorteile, die für aktive gemanagte Fonds sprechen?

Dr. Anselm Hüwe: Nein, Sie sprechen es an. Dass passive Fonds nach Abzug aller Kosten in aller Regel langfristig höhere Renditen erzielen als aktive, wird in schöner Regelmäßigkeit immer wieder durch Kapitalmarktforscher belegt.

Herr Dr. Hüwe, vielen Dank für das Gespräch.

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