Risikoabsicherung und Vermögensaufbau trennen – Tom Wonneberger (PROGRESS Finanzplaner)

Interview mit Tom Wonneberger
Tom Wonneberger ist Geschäftsführer bei PROGRESS Finanzplaner. Im Interview spricht er über Handlungsmöglichkeiten, falls Versicherungsbeiträge nicht mehr geleistet werden können und lässt erkennen wie wichtig eine individuelle Beratung ist.

Wie der Name schon sagt: Lebensversicherung. Das hört sich veraltet an und hat den Makel von geringer Verzinsung. Empfehlen Sie Ihren Kunden dennoch eine LV abzuschließen?

Tom Wonneberger: Das kommt natürlich immer auf den Einzelfall an. Pauschale Aussagen sind bei komplexen Themen in der Regel wenig zielführend. Im Bereich der Risikoabsicherung, also z. B. der Todesfall- oder Berufsunfähigkeitsabsicherung, führt kein Weg an einem Lebensversicherungsprodukt vorbei.

In der Altersvorsorge ergibt sich ein differenzierteres Bild. Für ältere Kund*innen, die in wenigen Jahren in den Ruhestand gehen, sich wenig aktiv um ihr Versorgung kümmern wollen und Kursschwankungen scheuen, kann eine Lebens- oder Rentenversicherung sinnvoll sein.

Bei jungen Kund*innen mit einem entsprechend langen Anlagehorizont sind sie tendenziell weniger geeignet. Fondsbasierte Lebens- und Rentenversicherungen können jedoch auch eine gute Rendite erzielen. Lebens- und Rentenversicherungen mit Garantien würden wir derzeit eher nicht empfehlen.

Garantiezins – das war einmal. Welche Versicherung als finanzielle Zusatzversorgung (Rentenlücke), wo die Performance stimmt, können Sie empfehlen?

Tom Wonneberger: Auch das kommt wieder auf den Einzelfall an. Zuerst einmal müssen mit dem*der Kund*in einige Dinge geklärt werden: Wünsche, Ziele, Anforderungen, Anlegermentalität und Kenntnisse. Auf dieser Grundlage können dann vernünftige Empfehlungen gegeben werden. Diese müssen für den*die Kund*in geeignet sein.

Die Betriebsrente hat in den letzten Jahren eine deutliche Aufwertung erfahren. Diese lohnt sich mittlerweile fast immer. Wenn der*die Arbeitgeber*in also eine betriebliche Altersvorsorge anbietet: zugreifen!

Eine Riester-Rente ist trotz ihres schlechten Rufes ein geeignetes Instrument, um die Rentenlücke teilweise zu schließen. Sie wurde auch ursprünglich konzipiert, um die Rentensenkung auszugleichen. Einerseits gibt es eine staatliche Förderung, die sich vor allem für Geringverdiener*innen und Personen mit Kindern lohnt. Anderseits hat der Gesetzgeber Garantien vorgeschrieben. Habe ich hier einen kostengünstigen Anbieter und eine fondsbasierte Variante gewählt, ist das ein erster guter Schritt.

Daneben eignen sich häufig kostengünstige fondsbasierte Rentenversicherungen für viele Altersvorsorgesparer*innen.

Viele Menschen kennen den Unterschied zwischen „Fondsgebundener Rentenversicherung“, „Risikolebensversicherung“ oder „Kapitallebensversicherung“ nicht. Klären Sie uns bitte auf?

Tom Wonneberger: Vom Wesen her sind das alles „Lebensversicherungen“. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der abgesicherten Risiken und in dem wie sie die Beiträge investieren. Eine Risikolebensversicherung sichert den Todesfall ab. Die Hinterbliebenen erhalten dann eine einmalige Summe. Das ist vor allem für Eltern und Häuslebauer*innen wichtig.

Eine Kapitallebensversicherung kombiniert Risikoabsicherung und Vermögensaufbau. Das sollte man eher vermeiden. Wir empfehlen, Risikoabsicherung und Altersvorsorge/Vermögensaufbau zu trennen. Das Risiko ist der Todesfall. Verstirbt der*die Versicherte, erhalten die Hinterbliebenen die vereinbarte Summe. Erlebt der Versicherte den vereinbarten Termin, z. B. den Rentenbeginn, erhält er eine Summe X ausgezahlt.

Eine Rentenversicherung ist auch eine Lebensversicherung. Allerdings erfolgt die Leistung zum vereinbarten Termin nicht in Form einer Einmalzahlung, sondern einer Rente. Damit sichert man das Langlebigkeitsrisiko ab. Also das Risiko länger zu leben, als Geld da ist. Das ist bequem, denn es kommt jeden Monat mindestens der gleiche Betrag aufs Konto, egal ob man 70 oder 95 Jahre alt wird. Eine fondsgebundene Rentenversicherung legt die Beiträge in irgendeiner Form in (Aktien-)Fonds an. Das verspricht langfristig eine höhere Rendite und damit eine höhere Rente als bei der klassischen, festverzinsten Anlage.

Wie man lesen kann, gibt es in Deutschland aktuell noch etwa 92 Millionen Lebensversicherungsverträge. Das ist wahnsinnig viel, obwohl die Garantiezinsen immer weiter fallen und hinterher noch Steuern auf die Erträge anfallen. Wie kommt das?

Tom Wonneberger: Weil die Deutschen auf Sicherheit abfahren. Und weil natürlich alle Lebensversicherungsprodukte zusammengezählt werden, also alle Berufsunfähigkeitsversicherungen, Riester- und Betriebsrenten und die „klassischen“ Lebensversicherungen. Bei Lichte betrachtet sind das also gar nicht so wahnsinnig viele.

Ein Beispiel: Eine Familie mit zwei Kindern, beide Eltern berufstätig, kann insgesamt sechs Verträge haben: Jeweils eine Berufsunfähigkeitsversicherung, eine Risikolebensversicherungen und eine Betriebs- und eine Riester-Rente. Dennoch sind sie nicht überversichert oder irrational.

Was empfehlen Sie, wenn ein Kunde – wie in Corona-Zeiten – finanzielle Probleme hat und die Beiträge nicht mehr aufbringen kann?

Tom Wonneberger: Als erstes mit seinem*seiner Ansprechpartner*in – Makler*in oder Vertreter*in – reden. Die meistens Gesellschaften haben im Zuge der Corona-Pandemie Kulanzlösungen entwickelt. Ganz wichtig: Nichts überstürzt kündigen!

Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Möglichkeiten:

  • Beitragsstundung: Dabei zahlt man für eine gewisse Zeit keine Beiträge. Der Versicherungsschutz bleibt jedoch vollständig erhalten. Nach der Stundungszeit müssen die Beiträge aber nachgezahlt werden.
  • Beitragsfreistellung: Für einen gewissen Zeitraum – meist maximal 12 Monate – ruht die Beitragszahlung. Der Versicherungsschutz ruht während der Zeit jedoch auch. Das ist bei Risikoversicherungen (BU und Risikoleben) eher ungünstig. Aus diesem Grund empfehlen wir die Trennung von Risikoabsicherung und Altersvorsorge. Bei einem finanziellen Engpass kann man die Altersvorsorge ruhen lassen, den wichtigen Risikoschutz aber weiterhin bezahlen. Bei gekoppelten Verträgen ist das so nicht möglich.
  • Policendarlehen: Ist in einer Renten- oder Lebensversicherung bereits ein nennenswertes Guthaben aufgebaut, kann der*die Versicherte ein Darlehen daraus nehmen. Die Konditionen sind bei den Versicherern unterschiedlich und sollten vorher erfragt werden.

Wie kann ich mein minderjähriges Kind finanziell am besten absichern, damit in einigen Jahren/Jahrzehnten ein finanzieller Grundstock da ist?

Tom Wonneberger: Sie ahnen es: Es kommt darauf an. Generell empfehlen wir jedoch die Investition in Wertpapiere wie Aktien-/Indexfonds oder ETFs. Der Zeithorizont ist ausreichend lang, um zeitweise Verluste auszugleichen. Entweder man stellt diese selbst zusammen, bedient sich sog. Robo-Advisor oder sucht eine*n unabhängige*n Berater*in auf. Versicherungen mit niedlich klingenden Namen sollte man meiden.

Herr Wonneberger, vielen Dank für das Gespräch.

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