Sven Köck: Frauen nehmen ihre finanzielle Freiheit früher in die Hand

Interview mit Sven Köck
Sven Köck ist Finanzexperte und Gründer von Sven Köck Finanzdienstleistungen. Mit ihm sprechen wir über Anlagestrategien von Männern und Frauen, Investitionen in den Kapitalmarkt sowie finanzielle Emanzipation.

Laut zahlreichen Studien setzen die meisten Frauen noch auf Sparbücher etc., anstatt in Wertpapiere zu investieren.  Studien lässt sich entnehmen, dass viele Frauen dem Kapitalmarkt skeptisch entgegentreten. Unterscheiden sich die Anlagestrategien von Männern und Frauen eigentlich grundlegend?

Sven Köck: Das kann ich so nicht bestätigen. Frauen halten zwar regelmäßig absolut höhere Geldbeträge in schwankungsärmeren Investitionen als Männer, weil sie i. W. ein größeres Sicherheitsbedürfnis als Männer haben. Darüber hinaus unterscheiden sich die Anlagestrategien aber m. E. nicht aufgrund des Geschlechts, sondern aufgrund der persönlichen Ziele und Wünsche im Leben und insbesondere durch die individuelle Risikoneigung. Erfahrungsgemäß sind Frauen nach einer adäquaten Beratung, die bedarfsgerecht, verständlich und insbesondere respektvoll erfolgt, genauso gerne bereit, in den Kapitalmarkt zu investieren. Weil es ihnen so bewusst ist, was dort wie und warum passiert und welche Auswirkungen ihr Investment hat!

Warum sind Frauen am Kapitalmarkt kaum aktiv? Gibt es eine Erklärung für die Unterrepräsentation?

Sven Köck: In der Vergangenheit habe ich die Erfahrung gemacht, dass der gesellschaftliche Stereotyp, dass sie sich um die Kinder und das Haus kümmert und er um die Finanzen, sehr häufig vorkam. Das hat sich mittlerweile deutlich gewandelt, Frauen nehmen heute ihre finanzielle Freiheit früher und umfangreicher in die eigenen Hände – zum Glück! Junge Anlegerinnen haben sich früher in finanziellen Fragestellungen sehr häufig von ihren Vätern unterstützen und beeinflussen lassen. Daraus haben sich – abhängig von den Anlageerfahrungen der Väter und deren Lebensvorstellungen für die eigene Tochter – Anlagetendenzen ergeben. Oftmals wurden die Töchter dahingehend beeinflusst, für die Zeit als Mutter und/oder die eigenen vier Wände zu sparen, weshalb der Fokus dann eher auf schwankungsärmeren Investments lag, die vor Jahrzehnten auch noch entsprechende Rendite ohne Risiko brachten. Diese Zeit ist aber bis auf Weiteres vorbei! Durch eigene Erfahrungen, finanzielle Emanzipation und generelles Interesse am Thema sind diese Anlegerinnen nach meiner Erfahrung mit der Zeit deutlich risiko- und gleichzeitig chancenbewusster geworden, weshalb sie sich nach und nach umfangreicher am Kapitalmarkt engagiert haben. Anlegerinnen sind heute auch wesentlich besser informiert und haben klare Vorstellungen, wie sie ihr Geld nicht investieren wollen. „Rendite über alles“ wollen nur die wenigsten Frauen! Viele möchten, dass ihr Geld etwas Sinnvolles tut, weshalb sie lieber auf ethisch-moralisch wertvolle Investments setzen, die eine vertretbare Performance bringt. Thematisiert man das, bespricht man mit ihnen die Unterschiede, Chancen und Risiken in den Produkten, dann investieren Anlegerinnen sehr gerne in diesen Bereich des Kapitalmarkts! Die generelle Sensibilisierung innerhalb unserer Gesellschaft, was diesen Megatrend betrifft, hilft dabei natürlich auch produkt- und anbieterseitig und führt zu mehr Anlagemöglichkeiten.

Was muss getan werden, um zukünftigen Kapitalmarktanlegerinnen den Einstieg zu erleichtern?

Sven Köck: Liebe Frauen! Ich empfehle Ihnen:

1.      Lassen Sie sich adäquat beraten! Respekt, Fachlichkeit, Verständnis, Geduld, Ausdauer – das sind die Voraussetzungen, die Ihr Berater/Ihre Beraterin mitbringen muss!

2.      Es müssen tatsächlich – und nicht nur alibimäßig zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben – konsequent Ihre Ziele und Ihre Wünsche, was Ihren Lebensentwurf betrifft, in den Mittelpunkt sämtlicher Betrachtungen gestellt werden!

3.      Sprechen Sie nicht nur über Chancen, sondern auch bewusst über Risiken der Kapitalanlage.

4.      Sprechen Sie nicht nur über Risiken, sondern auch bewusst über Chancen der Kapitalanlage.

5.      Selbstverständlich muss Ihnen Ihr Anlageberater/Ihre Anlageberaterin Vor- und Nachteile von Anlageklassen und Finanzprodukten aufzeigen können; er/sie muss die Wirkungsweisen und Eigenschaften seiner/ihrer Produkte kennen, Ihnen verständlich machen und in die Gesamtsituation jetzt und antizipativ bei Ihnen einordnen können!

6.      Der Berater/die Beraterin muss durch sein Expertentum (das hoffentlich vorhanden ist!) Ihnen als potenzieller Kapitalmarktinvestorin Chancen und Risiken bewusst machen, insbesondere auch potenzielle Folgen auf andere Anlageklassen und –produkte darlegen können. Nur so können Sie (gilt aber auch für männliche und alle anderen Anleger) Ihre Entscheidung abwägen und die für Sie passende treffen, die dann auch zukünftig trägt und Sie in der Umsetzung Ihres Lebensentwurfes aktiv unterstützt.

7.      Dabei muss der Berater/die Beraterin sicherstellen, dass er Ihnen verständlich die Wirkungsweisen erläutert hat , Sie diese nachvollziehen können und damit potenzielle Chancen und Risiken und auch die generellen Auswirkungen auf Ihren Lebensentwurf tatsächlich einordnen können!

8.      Hinterfragen Sie regelmäßig, seien Sie offen für Veränderung und steuern Sie aktiv Ihr Vermögen! Wenn Sie Ihren Lebensentwurf ändern, neue Ziele haben, hinterfragen Sie auch Ihre Vermögensanlagen – Bank- wie Versicherungsprodukte! Und passen Sie diese mithilfe Ihres Finanzexperten/Ihrer Finanzexpertin an die neuen Umstände an.

Ich halte es für unabdingbar, dass Anlageberater (ja, insbesondere die männlichen) ihr leider viel zu häufig vorhandenes Klischeedenken ablegen oder von vorneherein erst gar nicht haben sollten! Ich bin davon überzeugt, dass man nicht (mehr) in Geschlechterrollen denken sollte. Aus Gesprächen mit meinen Anlegerinnen weiß ich, dass sie bei Banken oder Anlageberatern oftmals in Geschlechterrollen gedrängt werden, was ihnen meist sehr missfällt! Angesichts der vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten halte ich das leider noch viel zu häufig vorkommende Stereotyp „Mutter und Hausfrau“ für seit vielen Jahren schon obsolet! Ich lerne die meisten Frauen von heute als eigenständig(er), selbstbewusst(er), als starke Persönlichkeiten kennen. Sie machen sich finanziell wesentlich unabhängiger von ihren Partnern und Familien als das vor Jahren noch der Fall war! Bei Rückschlägen (finanzielle wie persönliche wie bspw. bei Trennungen) finden sie heute wesentlich schneller in ihre Unabhängigkeit zurück. Eine Beratung – egal welches Geschlecht der Berater/die Beraterin hat –, die das berücksichtig, führt bei diesen intelligenten Menschen – auch hier egal, welches Geschlecht der Anleger/die Anlegerin hat – zu einem Einstieg in den Kapitalmarkt. Weil die Anlage (zumindest derzeit) alternativlos ist! Ganz generell: bestehen Sie auf Ihrer Individualität, Ihrer Persönlichkeit, Ihren Vorstellungen von Ihrem Leben! Und achten Sie darauf, den Berater/die Beraterin zu finden, der/die das ebenfalls macht. Und dann arbeiten Sie lange, lange und für beide Seiten erfolgreich zusammen…!

Warum sollten Frauen schnell einen Zugang zum Kapitalmarkt finden? Ist Altersarmut eine wirkliche Gefahr, die man mit Geldanlagen eingrenzen kann?

Sven Köck: Seien Sie konsequent. Setzen Sie sich realistische Ziele, Prioritäten und Bandbreiten. Sparen Sie dafür soviel sie können und benötigen. Nutzen Sie Finanzmathematik und berücksichtigen Sie eine angemessene Inflationserwartung. Und machen Sie das lieber früher als später. Fangen Sie heute an, nutzen Sie die Zeit und den Zinseszinseffekt für sich! Das nach Albert Einstein „8. Weltwunder“ des Zinseszinses wirkt stärker, je früher Sie Erträge generieren, diese wieder reinvestieren und für Ihren Vermögensaufbau nutzen. Das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Ihre finanzielle Freiheit!

In konventionellen Bankprodukten (Sparbücher, Tagesgeldkonten, Renten- und Mischfonds) gibt es derzeit nahezu keine laufenden Erträge, die reinvestiert werden und zum Vermögensaufbau beitragen können. Und auch keine wesentlichen Kursentwicklungen! Kapitalmarktorientierte Anlageprodukte sind da (zumindest in der aktuellen Situation, die allerdings seit Jahren schon andauert) m.E. deutlich zielführender – solange sie zu Ihnen als Anlegerin passen! Das wiederum kann nur der Fall sein, wenn die Beratung die o. g. Punkte umsetzt.

Altersarmut ist eine generelle Gefahr – für jeden Einzelnen in unserer Gesellschaft, nicht nur für Frauen! Die beste Investition, die eine Person m. M. n. machen kann, ist in die eigene Gesundheit, Arbeitskraft und Know-how zu investieren! Das sind die wesentlichen Voraussetzungen für Zufriedenheit und Erfolg – wie auch immer man das individuell definieren mag.

Dostojewski meinte, Geld sei geprägte Freiheit. Geld erlaubt uns, je nach finanzieller Situation oder Leistungsfähigkeit mal mehr, mal weniger umfangreiche Ausgaben (Reisen, Kleider, Fahrzeuge) und Investitionen (Immobilie, Schritt in die Selbständigkeit etc.) zu tätigen, also unser Leben so zu gestalten, wie wir das möchten. Eigenes Geld in Form von Einkünften oder Vermögen ist dabei die Voraussetzung, unabhängig von Dritten entscheiden zu können. Insofern ermöglichen erst Geldanlagen größere Ziele und Wünsche zu realisieren. Und ja, natürlich schützt Vermögen damit auch vor Altersarmut!

Könnten Robo Advisor eine Möglichkeit sein, um neue unerfahrene Anleger und Anlegerinnen den Weg in den Markt zu ebnen?

Sven Köck: Persönlich finde ich Robo Advisory durchaus interessant. Es gibt Anleger:innen, denen eine solche „Beratung“ genügt und die sich dann ins Abenteuer stürzen und vom Computer empfohlene Anlagen tätigen. Ich vermute aber, dass in den wenigsten Fällen tatsächlich eine bedarfsgerechte Anlage i. S. d. Kundin erfolgt, weil diese Tools nicht alle Lebensbereiche abdecken. Sie betrachten immer nur lediglich einen Teilaspekt des Kundenlebens. Und: Ich würde die Anlageempfehlungen immer hinterfragen! Der Robo Advisor empfiehlt, was ihm einprogrammiert worden ist. Wer war der Auftraggeber? Cui bono – wem nützt es? Welche Partikularinteressen verfolgt diese Partei?

Robo Advisor können m. E. gut dabei unterstützen, grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge zu erläutern, ggf. auch spielerisch den Zugang zum Thema zu schaffen. Sie können auch die laufende Betreuung eines Kapitalmaktportfolios erleichtern. Für die breite Masse der Anlegerinnen kann er durchaus helfen, Hürden zu überwinden und mehr Menschen zu Anlagen im Kapitalmarkt zu motivieren, insbesondere bei geringeren Anlagebeträgen, in denen eine umfangreiche persönliche Beratung für den Berater/die Beraterin nicht kostendeckend ist.

Prinzipiell mache ich aber die Erfahrung, dass die meisten Anleger:innen lieber mit einem Menschen sprechen möchten, weil sie eine vollständige, individuelle und integre Betrachtung bei einer Person vermuten! Aus Erfahrungsschilderungen meiner Kundinnen findet das dort allerdings ebenfalls (viel zu) selten statt, weil viele Berater:innen tatsächlich Verkäufer:innen sind, absatzgetrieben sind und die Zielvorgaben des Instituts und nicht die der Kundin erfüllen müssen! Also muss sich hier in der Breite etwas deutlich ändern.

Für die von mir beschriebene Form einer bedarfsgerechten Beratung halte ich Robo Advisor noch für inadäquat, um nicht zu sagen gefährlich, weil sie in den allermeisten Fällen ein Partikularinteresse berücksichtigen, nämlich Anlageprodukte ihres Institutes an die Frau zu bringen, und andere wichtige Lebensbereiche eben nicht betrachten. Vielleicht wäre es ggf. ja dringlicher, sich in bestimmten Bereichen erst einmal vernünftigen Versicherungsschutz zu kaufen als Geld anzulegen!? Wird vom Robo nicht betrachtet…

Darüber hinaus: eine komplexe Betrachtung bspw. im Rahmen einer Ruhestandsplanung oder inwieweit das durch die Anlage eingegangene Risiko tatsächlich kundinnenseitig gewünscht ist, wie diese Anlage im Gesamtvermögenskontext und bzgl. der individuellen Zielvorstellungen wirkt, das führt der Robo Advisor nicht durch. Aber gerade, weil er nicht menschlich ist, suggeriert er Objektivität und Unabhängigkeit, die m.E. selten bis gar nie vorhanden sind… das kann für die Einzelperson zu Enttäuschungen führen und im Einzelfall sogar ganz böse enden!

Inwieweit Robo Adviser eine/n Berater/in in dieser Art und Weise unterstützen oder langfristig schlechte Berater:innen sogar ersetzen werden… aktuell habe hier noch meine Zweifel! Derzeit erhöhen Robo Advisor eher noch den in der konventionellen Anlageberatung vorhandenen Absatzdruck für Bankverkäufer:innen!

Kann man davon ausgehen, wenn mehr Information und Aufklärung erfolgt, dass in naher Zukunft die Zahl der Anlegerinnen zunehmen wird?

Sven Köck: Definitiv! Aber nur, wenn es in der von mir dargestellten Art und Weise der idealen Beratung geschieht und die Politik auch die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten für jede einzelne Person schafft. In der bisherigen Form werden potenzielle Anleger und Anlegerinnen nicht adäquat beraten und aufgeklärt, sondern es werden bei Banken die Produkte der Woche angeboten. Deshalb werden sich Anleger:innen auch weiterhin fragen, inwieweit das Gegenüber ein oder mehrere Produkte empfohlen hat, die tatsächlich auf die Kundensituation heute passen und zukünftig auf Veränderungen im Leben angepasst werden können oder eben nicht! Dabei muss man in jedem Fall auch berücksichtigen, welche Interessen dasjenige durch die Bereitstellung von Informationen verfolgt und in welchem Kontext diese zur Verfügung gestellt werden. Kritisch sehe ich in jedem Fall Informationen, die nur von Produktvorteilen sprechen und auf Risiken nur rudimentär hinweisen! Beispiel? Seit einigen Jahren werden ETFs als das Wundermittel für Kapitalanlagen von Finanzmedien und Verbraucherschützern gehypt. Dabei wird nicht deutlich auf die Risiken von ETFs hingewiesen. Und ja, die gibt es definitiv!

Machen Sie sich bitte klar: es gibt die eierlegende Wollmilchsau nicht! Jedes, wirklich jedes Finanzprodukt hat Eigenschaften, die abhängig vom Ziel und Ihrem individuellen Lebensentwurf positiv oder negativ betrachtet werden können! Und genau so ist es auch mit Anlageprodukten und –strategien… es kommt immer auf den Kontext und die Verwendung an. Und davon bin ich überzeugt: das kann ein Mensch besser als ein Robo Advisor einschätzen. Und genau das sollte auch die Aufgabe Ihres Beraters/Ihrer Beraterin sein!

Wenn Sie als Anlegerin einen Berater/eine Beraterin gefunden haben, der/die Sie tatsächlich so berät: herzlichen Glückwunsch! Und falls Sie so jemanden suchen, ich kenn da jemanden… 😉

Herr Köck, vielen Dank für das Gespräch!

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