Für viele scheint der Begriff „Social Investment“ immer noch das gängige Spenden für wohltätige Organisationen und Projekte zu sein. Die Bedeutung des Begriffs hat sich allerdings gewandelt. Wie sehen Sie das?
Tarek Abdelmotaal: Zunächst muss man sich vor Augen führen, was die Bedeutung des Begriffes „sozial“ ist. Hier geht es ja um das Miteinander, das Gemeinsame und darum, andere zu unterstützen bzw. für andere einen Mehrwert zu generieren, damit sie sich perspektivisch selbst helfen können. So entsteht eine stabile Gesellschaft, die sich gesund entwickeln kann. Bei einem „Social Investment“ geht es aus unserer Sicht darum, ein Investment zu tätigen, welches einen für die Allgemeinheit positiven, nachhaltigen und sozialen Mehrwert generiert. Bei uns im Unternehmen ist es uns dementsprechend wichtig, dass wir mit jedem Immobilieninvestment einen sog. Impact generieren, der stets auf Win-Win ausgerichtet ist. Das Firmen-Credo lautet „optimieren“, statt „maximieren“. Dabei gilt es, die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen und so auszuloten, dass ein bestmögliches, ausgewogenes Ergebnis herauskommt. Ein fairer Umgang ist für mich die Basis für eine nachhaltige Geschäftsbeziehung. Zudem arbeiten wir seit etwa 10 Monaten an einem innovativen Beherbergungskonzept, welches die Aspekte der Nachhaltigkeit, Ökologie und des inspirierenden Miteinanders maßgeblich in den Vordergrund stellt.
Oft hört man, dass Social Investments Investitionen in Menschen seien. Dabei könnte man eher soziale Projekte meinen. Was heißt das jetzt genau?
Tarek Abdelmotaal: Wahrscheinlich definiert jeder diese Begrifflichkeit unterschiedlich und meint damit auch etwas anderes. Für uns heißt „Social Investment“, in „Projekte“ zu investieren, die für Menschen einen positiven, nachhaltigen Effekt haben. Das ist natürlich vielfältig zu sehen. Das betrifft ökologische Effekte, aber auch ökonomische, wie z.B. geringere laufende Kosten durch weniger Energieverbrauch. Es sollten auch noch vielmehr nachhaltige, recyclebare Baumaterialien entwickelt werden. Auch der Energieverbrauch während eines Bauprozesses kann noch deutlich minimiert werden. Am Ende muss immer der Mensch im Vordergrund stehen. Alles andere sollte meiner Meinung nach nur Mittel zum Zweck sein. Somit sollte eine Investition in soziale Projekte eine Investition in mehr Lebensqualität für so viele Menschen wie möglich sein.
In wen wird also investiert? Wer profitiert von nachhaltigen Social Investments?
Tarek Abdelmotaal: Wie bereits erwähnt sollten immer Menschen und ihre Entwicklung im Vordergrund stehen. Hilfe zur Selbsthilfe, Bildung, Stärkung einzelner und somit der Gesellschaft, um sich dann wiederum insgesamt weiterzuentwickeln. Es profitieren somit nicht nur einzelne, sondern die Gesellschaft und zukünftige Generationen. Unterm Strich ist ein „Social Investment“ also mehr als eine Spende für eine wohltätige Organisation oder ein Projekt oder ein Einmal-Investment. Dieser Verantwortung sind wir uns in unserem Unternehmen bewusst und wollen unseren Beitrag zur Gesellschaft durch „Social Investments“ leisten. Dabei sollte man im Kleinen anfangen, in ein faires Miteinander, ein gutes zwischenmenschliches Klima, das zum Wohle aller beitragen sollte. Daher kann auch bei der Realisierung von Wohnprojekten zu einer stabileren Basis einer Gesellschaft beigetragen werden. Ein komplexes, aber lohnendes Thema.
Europa steht weiterhin vor gewaltigen Herausforderungen. Die Wirtschaftskrise und der demografische Wandel rufen Lösungsbedarf hervor. Inwiefern könnten Social Investments dahingehend helfen?
Tarek Abdelmotaal: „Social Investments“ können Europa dabei helfen, die enormen Herausforderungen wie den demographischen Wandel zu bewältigen, da diese nicht nur einen kurzlebigen Einmal-Effekt haben, sondern eine nachhaltige und immense Durchschlagskraft aufzeigen, die die gesellschaftlichen Herausforderungen von der Basis an aufarbeitet und die zugehörigen Konsequenzen somit abschwächt. Aus unserer Immobiliensicht bedeutet dieses konkret: Wohn- und Lebensräume zu schaffen, die die immensensen Konsequenzen dieser gewaltigen Herausforderung angehen und lösen. Infolgedessen stellen sich nun bezogen auf den demographischen Wandel die Fragen: Wie möchte ich im Alter wohnen? Wie sieht mein soziales Umfeld aus? Wie flexibel kann ich meine Wohnsituation anpassen? Kann ich mir das überhaupt – auch im Alter – leisten? Und was konkret kann ein „Social Investment“ dazu beitragen, damit sich sozial Schwächere auch eine würdige, lebensbejahende Wohnsituation leisten können?
Bei Fragestellungen dieser Größe und Komplexität ist es aus unserer Sicht essentiell, Wissen, Kompetenzen und Investitionsmöglichkeiten länderübergreifend – also auch europaweit – zu bündeln und gemeinsame Lösungsansätze zu entwickeln und zu realisieren. Aufgrund der immensen Wichtigkeit dieser Themen liegt es nun an der Politik – sowohl auf nationaler als auch auf paneuropäischer Ebene – ein Klima zu schaffen, welches es öffentlichen und privaten Institutionen nicht nur ermöglicht, „Social Investments“ zu tätigen, sondern diese größtmöglich incentiviert. In einem Klima, wo Anreize geschaffen werden – sowohl intrinsischer als auch extrinsischer Natur – können „Social Investments“ Ihre volle Durchschlagskraft entfalten und durch diese die entstehenden Problematiken, wie den demographischen Wandel, lösen. Infolgedessen bedeutet es, dass „Social Investments“ ein vielschichtiges Konstrukt sind, welches sowohl von der öffentlichen Hand als auch von der privaten Wirtschaft getragen werden muss. Sofern man diese in Einklang bringen kann, können „Social Investments“ dabei helfen, aktuelle und zukünftige Fragestellungen Europas zu lösen und deren Konsequenzen zu minimieren. Welcher Maßnahmen es hierfür genau bedarf, um die optimalen Rahmenbedingungen für „Social Investments“ zu schaffen, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen und muss ohnehin auf anderer Ebene definiert und umgesetzt werden.
Was hat es mit dem Sozial-Investitionspaket (SIP) der EU-Kommission auf sich? Können Sie das kurz erklären?
Tarek Abdelmotaal: Hier geht es im Wesentlichen darum, die zur Verfügung stehenden Mittel sinnvoll und nachhaltig einzusetzen, um die Gesellschaft zu stärken. Im Vordergrund stehen hierbei sozial Benachteiligte und Kinder. Ihnen (Weiter-)Bildung zu ermöglichen und ihnen zu helfen, sich selbst – und somit wieder der Gesellschaft – zu helfen. Ähnlich wie beim Bauen gilt auch hier, dass Prävention sinnvoller ist als das Beheben von Mängeln im Nachhinein. Und letztlich muss es immer dabei gehen, dass jeder einzelne seine Potentiale bestmöglich ausschöpfen kann, hierfür Rahmenbedingungen zu schaffen und nicht nur stumpf einmalig zu spenden oder zu unterstützen. Das wäre nicht nachhaltig und entfaltet demzufolge wenig dauerhafte Wirkung.
Warum sollten Sozialinvestitionen schließlich mit Priorität behandelt werden?
Tarek Abdelmotaal: „Social Investments“ sollten mit hoher Priorität aufgrund ihrer Durchschlagskraft behandelt werden. Sie bilden eine wichtige Grundlage für ein stabiles, soziales Miteinander und somit für eine starke Wirtschaft und mehr Lebensqualität und können einen wertvollen Beitrag dazu leisten, die größten Herausforderungen der Zukunft zu lösen, indem man bereits bei den Basics ansetzt. Sie schaffen somit einen nachhaltigen Mehrwert für Menschen, die Bevölkerung insgesamt und ihre zukünftigen Generationen.