Trend zu ETF ist eindeutig – Nico Hüsch

Interview mit Nico Hüsch
Nico Hüsch ist Geschäftsführer der Nico Hüsch GmbH. Im Interview spricht er über die Vor- und Nachteile von ETF im Vergleich zu aktiv gemanagten Fonds und rät zu einer klugen Kombination beider Welten.

ETF gelten als einfaches und kostengünstiges Vehikel, um Aktien zu erwerben. Wie genau funktionieren diese Produkte?

Nico Hüsch: Ein Exchange Traded Funds (ETF) ist eine besondere Form eines Investmentfonds. Die deutsche Bezeichnung lautet „Börsengehandelter Fonds“, wobei sich ETF oder Indexfonds im deutschen Markt als Begriffe etabliert haben. Die grundlegende Idee der ETF ist es, dass ein ETF einen Index 1:1 nachkauft. In Deutschland wäre beispielsweise der DAX30 ein solcher Index. Dieser vereint die 30 größten Unternehmen Deutschlands nach Marktkapitalisierung (Synonyme: Börsenkapitalisierung & Börsenwert). Die 30 Dax-Unternehmen haben zusammen eine Marktkapitalisierung von ca. 1.300 Milliarden Euro. Das Wertvollste Unternehmens Deutschlands ist SAP mit ca. 160 Milliarden Euro Börsenwert. Demnach kauft ein Sparer beim DAX30 etwa zu 12% seines Geldes SAP-Aktien.

Kauft ein deutscher Sparer also einen ETF auf den Dax 30, dann kauft er alle 30 Unternehmen in dem Index. Und zwar genau zu der Gewichtung, die die Unternehmen am Index tagesaktuell haben. Der Dax ist eine eingetragene Wortmarkte der Deutschen Börse AG. Die Indices werden häufig von den Börsenplätzen der jeweiligen Länder definiert, oder von speziellen Gesellschaften, die sich darauf spezialisiert haben: beispielsweise MSCI oder FTSE.

ETF werden passiv gemanagt. Welche Vorteile ergeben sich für Investoren?

Nico Hüsch:  Der mit Abstand größte Vorteil von ETF ist eindeutig der günstige Preis. Ein breit gestreuter ETF in den Industriemärkten wie Europa und USA ist mit unter 0,2% Managementgebühr pro Jahr äußerst günstig handelbar. Zudem erreicht ein gutes ETF-Portfolio in den Industriemärkten sehr gute Renditen – eben die Marktrenditen. In den letzten 10 Jahren waren über 10% pro Jahr Wertentwicklung nach allen Kosten keine Seltenheit.

Einen weiteren Vorteil bei den ETF sehe ich derzeit in den frei zugänglichen Informationen im Internet bei Finanzbloggern und Finanzportalen. Natürlich springen diese vom Publikumsverkehr (Werbeeinnahmen) abhängigen Internetseite auf das Trendthema ETF auf. Für den Verbraucher bedeutet das: Zahlreiche Quellen im Internet mit relativ guten Informationen.

Welche Arten von ETF gibt es und worin unterscheiden sich die Produkte?

Nico Hüsch: Die ursprüngliche Idee eines ETF wird von der Finanz-Wirtschaft inzwischen ad absurdum geführt. Es gibt nunmehr tausende von Möglichkeiten mit ETF zu handeln. Ich möchte nur auf die wichtigsten 80% der gehandelten Möglichkeiten eingehen:

ETF unterscheiden sich dadurch, wie und in welchen Index Sie investieren. Durch Dutzende verschiedene Anbieter entsteht schon allein durch diese beiden Kriterien eine große Vielfalt.

Allgemein unterscheidet man zwischen drei Methoden, auf deren Grundlage ETFs aufgebaut sein können.

Full-Replication-Methode: Bei dieser Methode werden alle Werte eines Index in der Gewichtung desselben gekauft. Da die Anteile wirklich erworben werden, ist der Anleger bei einer Pleite des Emittenten vor einem Wertverlust geschützt. Diese Methode verursacht allerdings bei großen Indizes wie z.B. dem MSCI World mit über 1.600 Werten vergleichsweise hohe Kosten.

Swap: Hier werden die Papiere des Zielindex nicht wirklich erworben, sondern mit einem sogenannten „Swap-Partner“ gegen andere beliebige Papiere aus den OECD-Ländern „getauscht“. Der Tausch besteht hierbei in einem Ausgleich der Wertentwicklungen zwischen den Swap-Partnern. Rentieren Zielindex A beispielsweise mit 5 % und die Papiere, die vom ETF wirklich gehalten werden, mit 4 %, zahlt der Swap-Partner die Differenz von einem Prozentpunkt an den ETF (und umgekehrt). Zwar werden so die Kosten der Indexabbildung häufig gesenkt, bei Insolvenz des Swap-Partners können aber Teile des Fondsvermögens verloren gehen.

Sampling-Methode: Bei dieser Methode werden nicht alle, sondern nur die wichtigsten Werte eines Index durch den ETF erworben. Auf diese Weise werden die Kosten reduziert, allerdings auch eine Abhängigkeit von gutem Management des ETFs geschaffen.

Darüber hinaus unterscheidet man zwischen verschiedenen Investitionszielen. Die wichtigsten sind:

Index-ETF: Im Prinzip ist jeder ETF ein Index-Fonds. Mit Index-ETFs sind aber speziell die Fonds gemeint, welche den gesamten Markt (in einer Region) abbilden, z.B. ETFs, die den S&P 500 oder den DAX 30 replizieren.

Anlageklassen-ETF: Es ist bei weitem nicht so, dass jeder ETF einen Aktienindex abbildet. Vielmehr bilden ETFs ein breites Spektrum an Anlageklassen ab, darunter befinden sich etwa ETFs auf Währungen, Staats-, Unternehmens- und Wandelanleihen, Immobilien, Pfandbriefe sowie natürlich Aktien.

Rohstoff-ETF: Mit ETFs auf Rohstoffen, sogenannten ETCs (Exchange Traded Commodities) können Privatanleger in verschiedene Arten von Rohstoffen wie etwa Edelmetalle investieren. Sind die entsprechenden Rohstoffanleihen allerdings nicht auch mit Rohstoffen besichert, droht bei einer Pleite des Emittenten ein hoher Verlust.

Sektoren-ETF: Mithilfe eines Sektoren-ETFs kann der Anleger (häufig zur Diversifikation seines Portfolios) in verschiedene Wirtschaftsbereiche investieren, die er als besonders vielversprechend einschätzt. Ein solcher Wirtschaftsbereich können etwa der Agrarsektor, die Automobilbranche, Banken, Konsum- oder Industriegüter, Medien, Nahrungsmittel oder Technologien sein. Hiermit wird dem Anleger ermöglicht, direkt von der Entwicklung eines Wirtschaftssektors zu profitieren.

Inverse ETF: Häufig auch als Short ETF bezeichnet, bilden inverse ETF die (ungefähr) gegenteilige Entwicklung eines Index ab. Steigt der replizierte Index beispielsweise Um 5%, so fällt der inverse Index um 5% und umgekehrt. Ursprünglich waren diese ETFs zur Absicherung des Aktiendepots gedacht und sind nicht zur längerfristigen Geldanlage zu empfehlen, da sie als extrem spekulativ gelten. Vor allem für unerfahrene Privatanleger sind die Risiken solcher ETFs häufig schwierig einzuschätzen.

Leveraged ETF: Ein Leveraged ETF ist ein auf Deutsch gehebelter ETF. Die Kursentwicklung des replizierten Index wird dabei um einen gewissen Faktor verstärkt. Wird mit dem Faktor zwei gehebelt, steigt der ETF-Kurs bei einem Anstieg des Bezugsindex um 5% beispielweise um 10%. Auch hier ist jedoch Vorsicht geboten, bei einer Negativentwicklung von 5% des Zielindex fällt der Leveraged ETF nämlich auch um 10%.

Übrigens: In Deutschland sind mehr ETFs als in allen anderen Ländern außerhalb der USA registriert. Die Deutschen scheinen also eine Vorliebe für die kostengünstige Anlageform zu haben.

Worin Investieren Menschen derzeit mehr, in Aktien- oder Renten ETF?

Nico Hüsch: Der weitaus größte Teil der ETFs wird in Aktien investiert (rund 4 Billionen US-Dollar), gefolgt von Anleihen bzw. Renten (rund 800 Milliarden US-Dollar) und Rohstoffen (rund 130 Milliarden US-Dollar, alles 2018).

Eine wertvolle Quelle für derartige Marktzahlen ist die Deutsche Bundesbank. Die Zahlen von 2018 sprechen eine eindeutige Sprache. Die Bedeutung von ETF als Anlagevehikel nimmt seit der Finanzkrise 2008/2009 Jahr für Jahr deutlich zu. Dennoch ist der tatsächlich in ETF gehaltene Anteil der weltweit ausstehenden Vermögen sämtlicher Gattungen von Investmentfonds zum Ende des ersten Halbjahres 2018 mit 13,7% oder 5.100 Milliarden US-Dollar verhältnismäßig gering. Klassische, aktive Investmentfonds bilden die mit Abstand größte Gruppe mit 29.300 Milliarden US-Dollar. Aber der Trend ist eindeutig, schließlich waren es Anfang 2009 gerade einmal 700 Milliarden US-Dollar in ETF.

Skeptiker sprechen von Gefahren, im Zusammenhang mit ETFs. Sehen Sie ebenfalls Risiken in der Assetklasse? Welche?

Nico Hüsch: Die Skeptiker handeln zumeist aus eigenem Interesse. Oft sind es aktive Fondsgesellschaften, Banken oder Finanzvertriebe, welche gegen die ETF in den Kreuzzug ziehen. Meiner Meinung nach ist der Hauptgrund, dass die meisten aktiven Investmentfonds sogenannte Kickbacks an die vermittelnde Stelle zahlen. Diese machen mit etwa 0,5% pro Jahr oft einen nicht unerheblichen Anteil der Einnahmen der nicht unabhängigen Beratungsstellen aus. Wenn der Kunde also ca. 1,5% Managementgebühr pro Jahr an die aktive Fondsgesellschaft zahlt, schüttet diese ca. 0,5 Prozentpunkte an den Vertrieb aus. Bei ETF gibt es diese Kickbacks in der Regel nicht.

Wir bei der Nico Hüsch GmbH beraten unsere Kunden unabhängig von den Kickbacks und erhalten das gleiche Geld für ETF, wie auch für aktive Fonds. Wir verdienen also immer dasselbe und können so wirklich kundenorientiert und unabhängig unsere Kunden beraten. Dennoch sehe ich einige Probleme mit den ETF, welche aber weniger an dem Anlagevehikel, als viel mehr beim Sparer selbst liegen.

Die meisten ETF-Anleger investieren in etwa zu 70% in den MSCI World und zu 30% in Emerging Markets. Diese einfache Aufteilung schafft eine ordentliche Diversifizierung und eine ansehnliche Rendite in den letzten 10 Jahren.

Das erste große Problem ergibt sich daraus, dass die konzeptionelle Beratung den meisten ETF-Anlegern fehlt. Wie viel Notgroschen sollte ich zurückhalten? Welchen Anteil meines Vermögens sollte ich investieren? Wie nutze ich die jährlichen Steuerfreibeträge aus? Wie reagiere ich richtig in einer Krise? Wer ist mein Ansprechpartner, wenn ich einmal Panik bekomme? Aus welchen ETF entnehme ich Geld, wenn ich Liquidität benötige? Und viele weitere solcher Fragen bleiben oft unbeantwortet. Viele beschäftigen sich auch nicht mit den massiven Steuervorteilen einer kostengünstigen Fondspolice.

Das zweite große Problem sehe ich darin, dass die ETF eben nur in den industrialisierten Wirtschaftsmärkten wie Europa und die USA wunderbar funktionieren. Für die nächsten Jahrzehnte spricht vieles dafür, dass die heutigen Emerging Markets eine große Rolle in der Weltwirtschaft spielen werden. Wenn wir nach einem ETF EM suchen mit Schwerpunkt Asien und vielleicht 30% China, dann ergeben sich Renditen von 3-5% pro Jahr in den letzten zehn Jahren. Wirklich aktiv gemanagte Emerging Markets Fonds erreichen im gleichen Zeitraum 7-9% Rendite pro Jahr.

Bei speziellen Branchenfonds für Technologiewerte oder Ähnliches, verhält es sich ähnlich. In meinem persönlichen Anlageportfolio halte ich derzeit zu etwa 30% einen ETF auf den S&P500 Index. Die anderen 70% realisiere ich derzeit mit aktiven Fonds. Unser durchschnittliches Kundenportfolio hat derzeit ca. 50% passiv und 50% aktiv. Wir nutzen gerne die Vorteile aus beiden Welten für unsere Kunden.

Studien besagen, dass Fondsmanager den Markt auch nicht schlagen. Gibt es trotzdem Vorteile, die für aktive gemanagte Fonds sprechen?

Nico Hüsch: Die oft zitierten Studien sprechen je nach Quelle von 2%-20% der aktiven Fondsmanager, die den Markt schlagen. Wir halten diese Ergebnisse für korrekt, aber für weniger aufsehenerregend, als im Allgemeinen im Internet kommuniziert wird. Allein die Tatsache, dass weniger als ca. 2% der aktiven Fonds weltweit ein Fondsvolumen von über 500 Millionen Dollar aufweisen, schwächt die Aussagekraft der Studienergebnisse enorm. Wenn ein Fonds nur 100 Millionen Dollar verwaltet und 1,5% Managementgebühr berechnet, dann bleiben nach Kickback und Steuern vielleicht noch 700.000 Dollar übrig. Mit diesem Betrag lässt sich natürlich nicht eine eigene Research-Abteilung und ein Top Analysten-Team beschäftigen.

Für professionelle Anleger ist es jedenfalls durchaus noch möglich, ordentlich geführte, aktive Fonds zu finden, die langfristig besser sind, als der Markt. Wir sind jedenfalls nie unter der Rendite des klassischen MSCI-Weltporfolios.

Wir als Nico Hüsch GmbH positionieren uns als weder Pro noch Contra den ETFs. Wir nutzen die ETFs als schlaues Investmentvehikel als sinnvolle Ergänzung für den Großteil unserer Kundenportfolios. Auf Kundenwunsch bieten wir auch reine ETF-Portfolios oder reine aktive Fonds-Portfolios. Für die meisten Kunden ist aber die schlaue Kombination aus beiden Welten der derzeit sinnvollste Weg.

Herr Hüsch, vielen Dank für das Gespräch.

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