Ulrich Lamy: Das Langlebigkeitsrisiko wird oftmals unterschätzt

Interview mit Ulrich Lamy
Ulrich Lamy, Vorstandsmitglied Barmenia Versicherungen, spricht im Interview mit uns über Zulagen bei der Altersvorsorge, Steuervorteilen sowie Riester-Rente.

Die geförderte private Altersvorsorge in Deutschland ist teuer und hat eine nur geringe Rendite. Sehen Sie noch eine Zukunft für die Riester-Rente?

Ulrich Lamy: Die Riester-Rente ist eine private Altersvorsorge, die vom Staat mit Zulagen und mit Steuervorteilen gefördert wird. Eingeführt wurde sie im Jahr 2002 – also vor knapp 20 Jahren -, um die gesetzliche Rente zu ergänzen bzw. die Absenkung des Rentenniveaus auszugleichen. Mittlerweile gibt es über 16 Millionen Riester-Verträge.

Die Rentenversicherung ist nach wie vor die einzige Anlageform, mit der biometrische Risiken wie Tod, Berufsunfähigkeit und Langlebigkeit abgedeckt werden können. Dabei wird gerade das Langlebigkeitsrisiko oftmals unterschätzt. Es ist aber das größte Risiko bei der Altersvorsorge. Denn was ist, wenn Sie sehr lange leben und die finanziellen Mittel zur Neige gehen? Rentenversicherungen – und auch Riester-Renten – sind und bleiben die ideale Lösung für eine sichere Altersvorsorge.

Viele Riester-Verträge sind laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ruhend gestellt, es wird also nichts eingezahlt und auch der Staat zahlt in diesen Fällen nicht weiter. Warum hören Menschen auf, in ihre Riesterrente einzuzahlen?

Ulrich Lamy: Der Anteil der ruhend gestellten Verträge wird auf ein Fünftel geschätzt. Das heißt im Umkehrschluss, dass die meisten Menschen ja weiterhin in ihre Riesterrente einzahlen. Warum einige Kunden ihre Riester-Verträge ruhend stellen, kann ich nicht beantworten. Ich vermute aber, dass es eine Vielzahl von Gründen dafür gibt, die nichts mit „Riester“ im engeren Sinne zu tun haben. Denn die (Erwerbs-)biographien sind ja heute vielfältig.

Der Garantiezins wird ab 2022 auf 0,25% herabgesetzt, lohnt es sich dann überhaupt noch, eine Riester-Versicherung abzuschließen?

Ulrich Lamy: Bei der Riesterrente müssen zu Beginn der Auszahlungsphase mindestens die eingezahlten Beiträge und Zulagen für die Verrentung zur Verfügung stehen – das ist also eine 100%ige Beitragsgarantie. Diese Garantie zu erfüllen, wird schwer werden mit der Rechnungszinssenkung zum 01.01.2022. Denn die mindestens erforderliche Ansparphase wird durch die Absenkung des Zinses deutlich steigen und damit selbst bei einem sehr kostengünstigen Produkt sehr lang sein. Sollte die gesetzlich geforderte Beitragsgarantie bei Riester-Verträgen unverändert bleiben, könnte dies dazu führen, dass die meisten Anbieter kein Riester- Produkt mehr anbieten werden. Auch wir als Barmenia müssen kritisch prüfen, ob und ggf. unter welchen Rahmenbedingungen wir eine Riester-Rente noch anbieten können. Es liegen aber seitens des GDV Reformvorschläge vor, durch die auch zukünftig ein attraktives Produkt der geförderten Altersvorsorge dargestellt werden kann. Dieses beinhaltet u.a. vereinfachte Verfahren zur Förderung und die Möglichkeit, eine Garantie von 80% der gezahlten Beiträge zu vereinbaren. 2002 startete die Riester-Rente: Die Bundesregierung hatte damals die Höhe der künftigen gesetzlichen Renten deutlich verringert. Mit der Riester-Förderung sollten Erwerbstätige motiviert werden, zusätzlich privat fürs Alter vorzusorgen und die Lücke auszugleichen.

Daher können sozialversicherungspflichtig Angestellte (und einige Ausnahmen) im Jahr bis zu vier Prozent ihres Bruttoeinkommens in einen Riester-Vertrag einzahlen, maximal 2.100 Euro. Der Staat gibt jährlich – mittlerweile – 175 Euro dazu. Pro Kind gibt es jährlich weitere 185 Euro (für bis Ende 2007 geborene Kinder) bzw. 300 Euro (für ab 2008 geborene Kinder). Wer gut verdient, kann sich zusätzlich über eine Steuererstattung freuen. Versteuert wird erst die Rente – mit dem Vorteil, dass die allermeisten Rentner einen niedrigeren Steuersatz haben und so insgesamt auch noch Steuern sparen.

Kann sich die Police trotz der hohen Kosten und der schwachen Ertragsentwicklung für manche Menschen dennoch lohnen?

Ulrich Lamy: Auch wenn die ideale Form der Altersvorsorge immer eine individuelle Frage ist: Tatsächlich lohnt sich ein Riester-Vertrag wegen der Förderung für fast alle, die zusätzliche Altersvorsorge betreiben wollen. Tatsächlich kann man in den Wahlprogrammen der Parteien im Moment so einiges lesen. So planen die Grünen unter anderem einen Bürgerfonds, der Riester ablösen soll. Die FDP möchte die Altersabsicherung als flexibles Baukastensystem organisieren. Und die SPD – das war Ihre Frage – setzt vor allem auf die gesetzliche Rentenversicherung. Sie soll gestärkt werden, um dauerhaft ein Rentenniveau von 48 Prozent zu gewährleisten. Eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters lehnt die SPD ab. Besonders langjährig Versicherte sollen weiterhin vor Erreichen der Regelaltersgrenze abschlagsfrei den Ruhestand antreten können. Dafür sollen auch Selbstständige, Beamte, freie Berufe und Abgeordnete – also alle Erwerbstätigen – der gesetzlichen Rentenversicherung angehören. Überlegungen, die bestehenden Altersversorgungssysteme in Deutschland im Sinne einer Erwerbstätigenversicherung zu vereinheitlichen, werden seit Jahrzehnten angestellt. So wurde immer wieder diskutiert, dass alle Bürgerinnen und Bürger, die einem Beruf nachgehen – ob angestellt, selbstständig oder verbeamtet – in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollen. Hier wird gerne argumentiert, dass dies zu Mehreinnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung führen würde Gerne wird dabei aber vergessen, dass damit gleichzeitig auch die Anzahl derer steigt, die später Anspruch auf eine Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben. Es handelt sich meiner Meinung nach nicht wirklich um eine nachhaltige Stärkung der Altersvorsorge. Inwieweit sich die Reformvorschläge der SPD durchsetzen lassen, wird maßgeblich von den politischen Kräfteverhältnissen und den Prioritäten auf der politischen Agenda nach der Bundestagswahl abhängen.

Herr Lamy, vielen Dank für das Gespräch!

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