Viele Anleger glauben an Timing – Hannes Peterreins (Dr. Peterreins Portfolio Consulting GmbH)

Interview mit Hannes Peterreins
Hannes Peterreins ist Geschäftsführer der Dr. Peterreins Portfolio Consulting GmbH. Im Interview spricht der Finanzexperte über die richtige Krisenstrategie an der Börse und warnt vor Panikverkäufen.

Aus Sicht eines Vermögensverwalters: Wie haben Sie das letzte Börsenbeben vor wenigen Monaten erlebt?

Hannes Peterreins: Ich habe das Börsenbeben im März 2020 so erlebt, wie jedes andere zuvor auch. D.h. die starken Kursschwankungen und die großen Kursverluste erhöhten die Anspannung deutlich. Die Nervosität der Kunden und Anleger ist stark gestiegen. Ein paar wenige meiner Kunden (insgesamt 4) verkauften ihre Positionen panikartig und natürlich zum Tiefpunkt am 18.3. Viele Kunden riefen an und waren ratlos. Mein Problem in solchen Situationen ist, dass ich mir einerseits sicher bin, dass es in einer solchen Crashphase definitiv falsch ist zu verkaufen, ich aber auf der anderen Seite auch nicht weiß, wie lange sich der Schrecken hinzieht. Und genau genommen besteht ja immer auch die Möglichkeit, dass sich die Kurse über viele, viele Jahre nicht wieder erholen werden. Ich selbst schätzte die Wahrscheinlichkeit dafür als extrem niedrig ein, aber ausschließen konnte ich dieses Szenario nicht.

Interessanterweise waren sich die meisten Anleger, mit denen ich sprach einig, dass die Abwärtsphase sehr lange andauern würde und dass es einige Jahre benötigen würde, damit die Kurse vom Februar 2020 wieder erreicht werden würden. In diesem Punkt bestand während der Crashphase im März/April so etwas wie ein Konsens. Ich sagte immer, dass das möglich sei, ich die Wahrscheinlichkeit aber dafür sehr gering einschätzen würde. Warum war ich dieser Meinung? Weil das der typische Verlauf der allermeisten Crashs ist. Am Tiefpunkt meinen die Anleger immer, dass so etwas wie ein „Weltuntergang“ bevorstehen würde. Der aber dann doch jedes Mal ausbleibt. So etwas erlebe ich schon seit mehr als 30 Jahren.

Und die drauffolgende Rallye?

Hannes Peterreins: Naja, die darauffolgende Rallye war natürlich komplett überraschend. Ich war mir zwar relativ sicher, dass es nicht viele Jahre dauern würde, bis wieder die Kurse steigen würden, aber dass das Ganze so schnell ging, war auch für mich überraschend. Für diejenigen Kunden, die bei Tiefkursen verkauft haben, war das natürlich sehr schmerzhaft. Zwei davon sind dann bei deutlich höheren Kursen wieder eingestiegen. Der entgangene Gewinn ist aber für diese Kunden fast unaufholbar. Deswegen bin ich auch so ein Gegner von schnellen Rein-Raus-Geschäften.

Viele Anleger glauben an Timing. Sie meinen sie könnten in einer schwierigen Börsensituation verkaufen, dann abwarten und wenn sich dann alles wieder beruhigt hat, wieder einsteigen. Ich glaube, ich habe noch nicht einmal erlebt, dass das funktioniert hätte. Das Hauptproblem dabei ist schon einmal: Woran erkennt man, dass sich die Situation wieder beruhigt hat? Antwort: Daran, dass die Kurse wieder deutlich gestiegen sind. Dann habe ich mit dem Timing-Versuch aber unter Garantie höhere Einstiegskurse im Vergleich zu den Verkaufkursen in den Crashphase.

All diejenigen Kunden, die ich sanft dazu motivieren konnte, investiert zu bleiben, danken es mir heute. Aber wie gesagt, das ist für mich mit hohem Risiko verbunden. Denn ich konnte es damals ja nicht „wissen“, dass die Kurse wieder steigen werden. Das sagte mir nur meine langjährige Erfahrung, dass die Wahrscheinlichkeit dafür hoch ist. Man kann sich aber immer auch irren.

Man kann sagen dieses Ereignis war nicht gewöhnlich. Wie schätzen die Langzeitwirkung ein?

Hannes Peterreins: Jeder Crash ist in gewisser Weise nicht gewöhnlich. Und im Laufe der Zeit gab es immer wieder Crashs, und es wird auch immer wieder Crashs geben. Genaugenommen ist das sogar normal. Es wäre eher erstaunlich und ungewöhnlich, wenn es beispielsweise über 20 Jahre keinerlei Paniksituationen an der Börse gibt. Damit muss man leben, wenn man in Aktien investieren will. Und wer damit ein Problem hat, sollte am besten nicht Aktien kaufen.

Eine Langzeitwirkung sehe ich nicht. Ich vermute sogar, dass das Ganze nach 5 Jahre vergessen sein wird, wie so viele Crashs vorher. Wer erinnert sich noch an den Crash von 1987? Oder vom August 1991? Oder die Asienkrise 1997/1998? Oder das Platzen der sog. Dot-com-Blase im März 2000? Oder die dramatische Kursrückgänge nach dem 11.09.2001? Oder 2007/2008/2009? Oder die Eurokrise 2010? Oder der starke Kursrückgang Ende 2018?

An die meisten der genannten Crashs, denke ich, erinnern sich heute nur noch Historiker. Die Leute, die damals aber in der Krisensituation mitten drinsteckten, meinten fast jedes Mal, dass es die schlimmste Krise überhaupt sei, und dass es kein Aufwärts mehr geben können. Es ist jedes Mal dasselbe. Auch diesmal bei Corona.

Was sind die Assetklassen, die Sie ihren Kunden empfehlen?

Hannes Peterreins: Wer keinerlei Risiko will, dem rate ich zu Festgeld/Tagesgeld. Vielleicht noch zu Staatsanleihen-ETFs. Dabei muss man in Kauf nehmen, dass man derzeit eine Rendite von um die 0,0 % erhält.

Anleger muss klar sein, dass jedes Mehr an Rendite auch ein Mehr an Risiko bedeutet. Will jemand zum Beispiel 1% p.a., dann muss er/sie bereits in irgendeiner Form Risiken eingehen.

Wer hohe Renditen von sagen wir um die 5% p.a. erzielen will, braucht dafür erstens einen langen Anlagehorizont, und zweitens eine hohe Risikobereitschaft. Wenn das gegeben ist, dann empfehle ich Aktien-ETFs.

Und diese genannten Empfehlungen haben nichts mit der aktuellen Corona-Situation zu tun. Gute Anlageberatung ist meiner Meinung nach unabhängig von der aktuellen Börsensituation. Ich halte es für nicht zielführend, ja geradezu lächerlich, seine Empfehlungen von der aktuellen Marktlage abhängig zu machen. Siehe dazu, was ich oben zum Thema Timing gesagt habe.

Wie hoch ist die durchschnittliche Rendite, die Ihre Investoren erwirtschaften?

Hannes Peterreins: Ich manage sein vielen Jahren einen Investmentfonds. Hier die Renditen der letzten Jahre:

JahrAusschüttungRendite nach Kosten
2007 -8,6%
20080,03 €-28,9%
20090,01 €25,8%
20100,00 €10,5%
20110,00 €-9,6%
20120,00 €12,3%
20130,02 €10,6%
20140,03 €8,6%
20150,16 €5,3%
20160,12 €6,8%
20170,02 €6,0%
20180,08 €-9,0%
20190,15 €25,3%
2020 -5,20%

Das entspricht einer durchschnittlichen Jahresrendite von 7,3%

Welche Assetklassen werden Ihrer Meinung nach in Zukunft besonders interessant sein?

Hannes Peterreins: Dazu kann ich leider nichts sagen. Meiner Meinung nach sind alle Prognosen, selbst wenn sie vorsichtig formuliert sind, Schall und Rauch. Am besten versucht man Geld weitestgehend unabhängig von Prognosen anzulegen.

Investoren können auch eigenständig Aktien kaufen oder in Rohstoffe investieren. Was sind die wesentlichen Vorteile einer Vermögensverwaltungsgesellschaft?

Hannes Peterreins: Zunächst einmal denke ich, dass Geldanlage an sich kein Hexenwerk ist, und dass das selbstverständlich auch jeder Anleger alleine ohne Mithilfe eines Finanzprofis auf die Reihe bringen kann. Das ist ein wenig wie beim Reifenwechsel. Eigentlich kann jeder die Reifen an seinem Auto selbst wechseln, so besonders schwierig ist das nicht. Und dennoch lassen das sehr viele machen, einfach weil es bequemer ist, und weil sie vielleicht doch darauf vertrauen, dass ein KFZ-Mechaniker das schneller und vielleicht auch etwas sicherer erledigen kann.

Vermögensverwaltung/Vermögensberatung ist eine Dienstleistung wie jede andere auch. Man wendet sich an einen Finanzprofi nicht, weil man es prinzipiell nicht selbst kann, sondern weil es bequemer ist und man sich vielleicht unsicher mit Finanzdingen fühlt und sich bei einem Profi besser aufgehoben fühlt.

Dass ein guter Vermögensverwalter/Vermögensberater einen handfesten Mehrwert bringen kann, steht für mich außer Frage (Auch wenn man es, wie gesagt, auch prinzipiell alleine hinbekommen könnte).

Das Allerschwierigste ist, in turbulenten Börsenphasen einen kühlen Kopf zu behalten. Meine Erfahrung ist, dass sich viele Anleger damit schwertun. Wenn man das als Vermögensverwalter kann, dann ist das ein echter Mehrwert für den Kunden. Denn erfolgreich an der Börse ist man durch antizyklisches Anlegen. D.h. wenn man bei steigenden Kursen tendenziell auf der Verkäuferseite steht, und bei fallenden Kursen tendenziell auf der Käuferseite.

Interessanterweise ist es ja jedem erst einmal klar, dass es klug ist, Aktien bei niedrigen Kursen zu verkaufen und bei hohen Kursen zu verkaufen. Nur so können ja wohl Gewinne entstehen. In der Praxis ist es merkwürdigerweise meistens genau anders herum. Wenn die Kurse steigen, wollen alle möglichen Anleger auch auf den Zu aufspringen und kaufen. Und je mehr die Kurse gestiegen sind, umso mehr glauben sie, dass gerade eine guter Einstiegszeitpunkt gekommen ist. Nach dem Motto: Die Kurse werden immer weiter steigen.

Kaum fallen aber die Kurse, dann werden die Anleger nervös. Sie halten sich mit Käufen zurück und meinen, dass gerade einen „unischere“ Börsenphase gekommen sei. Fallen die Kurse richtig stark, dann greift die Panik immer mehr um sich und Anleger verkaufen zu niedrigen Kursen. Kein Wunder, dass so viele Anleger ständig mit Aktien Geld verlieren. Sie handeln prozyklisch und lassen sich durch ihre Emotionen fehlleiten.

Hier kann ein guter Vermögensverwalter sehr viel bewirken. Alleine dadurch, dass er Anleger vor den schlimmsten Fehlentscheidungen bewahrt.

Das Zweite ist, dass ein guter Vermögensverwalter mit seinen Kunden erst einmal die finanziellen Vermögensziele klärt. Meiner Erfahrung nach, macht sich darüber fast kein Anleger Gedanken. Es geht fast immer darum, welcher Anlageprodukt verspricht am meisten Renditen – mit möglichst keinen Risiken. Man sucht sozusagen die eierlegende  Wollmilchsau, die es eben nicht gibt. Und auch darüber aufzuklären ist eine wichtige Aufgabe eines guten Vermögensberaters.

Wie eine gute Geldanlage für einen Investor aussieht, kann man ausschließlich an seinen Anlagezielen beurteilen. Ein guter Vermögensverwalter hilft dabei, diese Anlageziele herauszuarbeiten und danach die passende Anlagestrategie zu finden.

Herr Peterreins, vielen Dank für das Gespräch.

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