Finn Glowatzki: Interessantes Geschäftsmodell für den Endkunden

Interview mit Finn Glowatzki
Finn Glowatzki ist Produktionsleiter Tiny House Wendland in Ludwigslust. Mit ihm sprechen wir über den Begriff Tiny House, Größe einer solchen Unterkunft sowie besondere Attraktivität.

Was versteht man unter einem Tiny House? Und ab wann/welcher Größe ist eine Unterkunft ein Tiny House?

Finn Glowatzki: Der Begriff Tiny House unterliegt keiner konkreten Definition. Wie die wörtliche Übersetzung aus dem Englischen vermuten lässt, handelt es sich um ‚winziges Haus‘, was es jedoch nicht trifft. Tiny Häuser können sowohl mobil als auch stationär sein und es gibt keine festgeschriebene Größe. Jedoch haben sie in der Regel eine bedeutend kleinere Grundfläche als z.B. ein Einfamilienhaus. Im Allgemeinen spricht der Interessent bei einem Tiny House von einer mobilen, straßenzugelassenen Variante. Diese gibt es bei uns in Aufbaulängen von L:6,00m – 8,40m und einer standardisierten Breite von B:2,55m, sowie

einer Höhe von 4,00m. Unser gängigstes Modell ist ein mobiles, straßenzugelassenes Tiny House mit einer Grundfläche von ca. 23 Quadratmetern, welches über Badezimmer, Küchenzeile, Wohnzimmer und Schlafempore verfügt.

Für wen könnten Tiny Häuser besonders attraktiv sein? Gibt es eine bestimmte Zielgruppe?

Finn Glowatzki:  Unser Klientel ist sehr unterschiedlich. Die Altersgruppe reicht von 20 bis 70 Jahre, Stundenten, Angestellte, Arbeitgeber, Rentner … wirklich alle Gesellschaftsschichten und Berufsbilder sind dabei. Eine größere Anzahl der Käufer nutzt das Tiny House als Gewerbemodell und vermietet das Häuschen. Und eine ebenso große Anzahl an Kunden nutzt das Tiny House privat, teilweise als Wochenendhaus, aber größtenteils als Erstwohnsitz.

Hervorzuheben ist hier, dass ein Tiny House, sofern es gewerblich genutzt wird, wie ein Firmenfahrzeug behandelt wird und daher, im Gegensatz zu einer Immobilie, welche über 50 Jahre steuerlich abgeschrieben wird, innerhalb von acht Jahren linear abgeschrieben werden kann. Somit ist dies ein interessantes Geschäftsmodell für den Endkunden.

Welche Kosten entstehen beim Bau eines Tiny Houses?

Finn Glowatzki: Die Kosten sind sehr von der Ausstattung und den Aufbaulängen abhängig. Ein voll möbliertes Tiny House mit TÜV und Straßenzulassung liegt in etwa bei 60.000,00 Euro netto. Die Kostenkalkulation muss im Einzelfall erstellt und kann schwer pauschalisiert werden. Die Holzpreise haben sich im letzten halben Jahr verdrei- und vervierfacht, so dass ein Tiny House, welches zum großen Teil aus Holz besteht, leider auch deutlich teurer geworden ist im Vergleich zu 2020.

Kann man das abschätzen: Wie viel Wohnen bekommt man für wie viel Geld?

Finn Glowatzki: Der Quadratmeterpreis liegt im mittleren Segment für Wohnraum zum Kauf. Jedoch sind die Folgekosten für Instandhaltung deutlich geringer als z.B. bei einem normalen Wohnhaus. Die Preise für Wasser und Wärme sind ebenfalls deutlich geringer. Was man definitiv bekommt ist mehr Lebensgefühl und das hat keinen Preis, es ist unbezahlbar. Eigentum verpflichtet und das Einfamilienhaus mit Grundstück und Garten muss gepflegt werden. So muss sich jeder Mensch die Frage selbst beantworten, was im Leben wichtig ist. Die Philosophie des Downsizings und des kleineren ökologischen Fußabdrucks ist in der Tiny House-Community allgegenwärtig und steht für ein befreites Leben ohne materiellen Ballast und für ein größeres Umweltbewusstsein.

Welche Hürden im Deutschen Baurecht verkomplizieren den Tiny-Hausbau? Worauf muss geachtet werden, wenn es manövrierfähig und mobil sein soll?

Finn Glowatzki: Die größte Hürde ist hierbei, dass unser Baurecht aus den 1920er Jahren stammt und absolut antiquiert ist. Im Vergleich zum Ausland sind wir Deutschen in allen Belangen Bürokratiemonster. Es gibt nichts was nicht behördlich reguliert werden muss und da fangen die Probleme an. Durch die Nutzung des Tiny House in seiner vorgesehenen Bestimmung wird es zum Gebäude. Dabei ist eine der größten Hürden das Grundstück, denn ein Baugrundstück zu besitzen, bedeutet nicht automatisch auch bauen zu dürfen, bzw. ein Tiny House aufstellen zu dürfen. Auf welchen Grundstücken ein Tiny House aufgestellt werden darf, ist im örtlichen Flächennutzungsplan, sowie im Bebauungsplan unter den Vorgaben der BauNVO ersichtlich. Das Grundstück muss sich im Innenbereich befinden und erschlossen sein. Wie das Tiny House in äußerlicher Erscheinung und in den Abmessungen beschaffen sein muss, ist ebenfalls im örtlichen Bebauungsplan und/oder in der Ortsgestaltungssatzung vorgegeben. Selbst wenn das Tiny House mobil und straßenzugelassen ist und die StVZO erfüllt, somit auch bewegt werden kann, wird es behördlich als feststehendes Gebäude betrachtet. Nach meiner Meinung ist das völliger Unsinn, denn das Tiny House versiegelt keine Grundfläche und kann somit auch nicht wie ein feststehendes Gebäude betrachtet werden.

Bei einem mobilen Tiny House mit Straßenzulassung ist in jedem Fall auf Breite, Höhe und Gewicht zu achten. Die Breite von 2,55m und die Höhe von 4,00m darf nicht überschritten werden. Ebenso darf das Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen, unabhängig von der Aufbaulänge, nicht überschritten werden. Andernfalls gibt es seitens des TÜV oder der Dekra keine Straßenzulassung und das Tiny House darf nicht mehr bewegt werden.

Ist die Tiny-House-Bewegung eine Revolution des Wohnens und kann man mit einer Vermehrung von Tiny Houses in Deutschland rechnen?

Finn Glowatzki: Hier ist zu erwähnen, dass es in Deutschland mittlerweile in Ansätzen ein Umdenken im Bereich der Bebauungsplanung gibt und dem Thema ‚Tiny Living‘ auch, im zwar hauptsächlich ländlichen, aber teilweise auch urbanen Bereich wie in kleineren Städten, offener begegnet wird. Aktuell ist das ein Thema, welches mehr und mehr Menschen beschäfftigt, denn das Leben im Tiny House ist keine Randerscheinung mehr, sondern ein Lebensgefühl und Bauanträge und Genehmigungsverfahren werden quer durch die Republik

eingereicht. Jedoch muss auch ganz klar gesagt werden, dass ein Tiny House keine Lösung für knappen oder stetig teurer werdenden Wohnraum im urbanen Bereich ist und niemals sein kann, da es Grundfläche okkupiert und maximal zweigeschossig gebaut werden kann. Hier sollte auch noch angeführt werden, dass gerade in der Corona-Krise die Nachfrage enorm gestiegen ist. Nach meiner Meinung hat diese schwierige Zeit die Menschen noch mal sehr zum Nachdenken angeregt. Für viele Menschen ist der ökologische Aspekt des Lebens in den Vordergrund gerückt. Zudem fühlten sich die Menschen aus dem urbanen Bereich in Zeiten des Lockdowns `eingesperrt‘, was sich wiederum in dem Wunsch dieser Interessentengruppe ausdrückt, sich zusätzlich zur Mietwohnung in der Stadt ein Refugium in der Peripherie zu schaffen.

Herr Glowatzki, vielen Dank für das Gespräch!

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