Immbobilien: Mangelverwaltung reicht nicht – Muharrem Erdogdu (E1 International Investment Holding GmbH)

Interview mit Muharrem Erdogdu
Muharrem Erdogdu ist Geschäftsführer der E1 International Investment Holding GmbH. Im Interview spricht er über die Entwicklung der Immobilienbranche im Zusammenhang mit Bauvorschriften, Umwandlungsverbot und Baulandmobilisierungsgesetz.

In wieweit behindert der Streit zwischen SPD und CDU zum „Baulandmobilisierungsgesetz“ in Verbindung mit dem „Umwandlungsverbot“ die Arbeit von Maklern und Wohnungsbauunternehmen?

Muharrem Erdogdu: Verzögerungen und Verunsicherungen schaden grundsätzlich. Immobiliengeschäfte haben für Käufer und Verkäufer große und langfristige Wirkungen und brauchen deshalb rechtliche Verlässlichkeit und zeitliche Zuverlässigkeit in der Umsetzung politischer Vorhaben, die in Gesetze fließen.

Da haben sich die Dinge z. Z. hingezogen, und das merken wir Makler natürlich auch. Im Koalitionsvertrag 2018 S. 109-116 Nr. 5072-5428 haben sich SPD und CDU nach langen Verhandlungen unter Hinzuziehung von Wissenschaftlern, Vertretern der ihnen jeweils nahe stehenden Verbände aus dem Bereich des Wohnens vertraglich gebunden. Die Bundeskanzlerin hat 2018 einen riesigen Wohngipfel veranstaltet, die Baulandkommission hat nach rund einem Jahr am 02.07.2020 ihr Empfehlungspapier vorgestellt, das Grundlage der Reform des Bau-GB ist.

Die sachliche Situation hat sich nicht geändert. Pacta sund servanda, Verträge müssen eingehalten werden. Das Gesetz könnte es längst geben, es hätte bereits Ende 2019 fertig sein sollen.

Es sieht so aus, dass in Zukunft Eigentümer eines Mehrfamilienhauses eine Genehmigung zum Abverkauf einzelner Wohnungen brauchen. Finden Sie diesen Gesetzentwurf gerecht?

Muharrem Erdogdu: Es geht um Städte mit hoch angespannter Wohnungssituation, wo die Verwaltungen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen untersagen können. Dazu zählen u. a. die Big 7 wie u. a. Berlin, Hamburg, Stuttgart, Frankfurt. Aber die Wohnungsknappheit hat längst die Regionen erreicht mit Oberzentren wie Freiburg, Bielefeld usw. Die gute Absicht dahinter: Knappheit an Wohnraum und die Preisentwicklung am Immobilienmarkt lindern. Das Problem davor aber, schnell mehr Wohnraum zu schaffen, begleitet uns weiter unerlöst.

Beispiel Berlin : Zwischen 2015-2019 wurden in Milieuschutzgebieten, wo die Bedingungen ohnehin erschwert sind wegen der Wohnungsnot, 18.000 Miet- in Eigentums-Wohneinheiten umgewandelt und verkauft. Die Käufer renovieren und sanieren in der Regel diese Wohneinheiten vor Verkauf, oft aufwändig, so dass die Mieter von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen können, weil ihre Wohneinheit dann sehr im Preis gestiegen ist. Von diesen 18.000 in Eigentum umgewandelten Wohneinheiten konnten nur 54 Mieter ihre Wohneinheiten kaufen (DIE WELT, 04.10.2020)

Mich überzeugt die Stellungnahme des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft (GdW) und ihres Präsidenten Axel Gedaschko. Dort ist man mit dem Umwandlungsgebot einverstanden, es bezieht sich ja lediglich auf die Hotspots der Wohnungsnot. Ansonsten kann in ganz Deutschland einfach verkauft, gekauft und umgewandelt werden. Und es ist sinnvoll, weil in hochangespannten Wohnungsmärkten breiten Schichten der Bevölkerung bezahlbare Miet-Wohneinheiten nicht entzogen werden (zitiert nach Haufe Redaktion Online 9.9.2020).

Ohne dieses Umwandlungsgebot würden hier die Not – und damit die sozialen Spannungen weiter zunehmen. Die Wohnungswirtschaft auch mit uns Maklern aber braucht wie die ganze Wirtschaft den Erhalt des sozialen Friedens und Miteinanders in Deutschland.

Können Sie uns erklären, worum es in dem Baulandmobilisierungsgesetz genau geht?

Muharrem Erdogdu: Ziel ist es u. a., dass Kommunem mit Wohnungsknappheit darauf reagieren können und zur Abhilfe Instrumente erhalten:

  • Besseres kommunales Vorkaufsrecht auf brachliegende Grundstücke,
  • Möglichkeit der Kommunen, eine höhere und dichtere Bebauung zu genehmigen und
  • Kommunal schneller Baupläne aufstellen, weil eine reduzierte Form dann ausreicht.
  • Ein verbessertes Baugebot für die Kommunen, damit Baugrundstücke, am besten noch mit Baugenehmigung, im „Land Banking“ nicht einfach nur immer fort hin- und her gehandelt werden. Dies geschieht ja vielfach, nicht nur aus Spekulationsgründen. Sondern auch, weil das Bauen mit heute um 20.000 Bauvorschriften so teuer geworden ist und so lange dauert. Ausnahmen sind vorgesehen z. B. bei Grundstücken als Altersvorsorge.
  • Die Baulandkommission empfiehlt auch die Prüfung darauf, welche Bauvorschriften entbehrlich sind, d. h. gestrichen werden sollten, was allerdings sehr allgemein gehalten ist, so dass hier Skepsis angebracht ist.

Wer entscheidet zukünftig, ob Mietwohnungen in Eigentumswohnungen (ETW) umgewandelt werden dürfen und welche Kriterien liegen dem zugrunde?

Muharrem Erdogdu: Wie bereits erwähnt und im Übrigen: Im Gros der deutschen Kommunen stellt sich das Problem gar nicht. Und dort, wo Wohnungsnot herrscht, bedarf es des Beschlusses der kommunalen politischen Gremien, in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen, damit die Bauverwaltung tätig wird. Für eine Ausweisung sollen dann die Landesregierungen zuständig sein und diese für die Dauer von 5 Jahren festlegen können. Ausnahmen wie z.B. familiäre Gründe sind vorgesehen.

Warum will die Regierung eigentlich so vehement ein Umwandlungsverbot im Baugesetz verankern?

Muharrem Erdogdu: Ergänzend zum oben genannten hat die Bundesregierung 2018 in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel von 1,5 Mio. Wohneinheiten und frei finanzierten Eigenheimen gesetzt (S.109, 5082-5084). Dieses Ziel wird weit verfehlt: Der Newsletter des BfW (Bundesverband der freien Wohnungswirtschaft 15.10.2020) rechnet vor: 375.000 Wohneinheiten neu pro Jahr hätte es dazu gebraucht und dies wurde in keinem Jahr der Legislaturperiode erreicht. Daher wird hier auch einfach der Mangel weiter verwaltet mit dem Versuch, keine weiteren sozialen Verwerfungen entstehen zu lassen. In Berlin z. B. wohnen sich sehr, sehr viele Menschen arm, besonders Familien. Sie zahlen von ihrem verfügbaren Nettoeinkommen oft über 47, sogar hin und wieder über 50% für das Wohnen.

Dieses Verbot sorgt letztendlich dafür, dass die zur Verfügung stehenden Eigentumswohnungen dann durch die Verknappung noch teurer werden. Macht der Gesetzesentwurf Sinn?

Muharrem Erdogdu: Durch die sehr lang anhaltende Null-Zins-Phase wird in Immobilien investiert, gerne Eigentumswohnungen. Rund 54% der Vermieter sind Kleinvermieter mit wenigen Wohneinheiten. Viele Wohneinheiten, die jetzt gebaut werden, sind hochpreisig als Investition gedacht – die Mieten können sich aber viele nicht leisten, auch nicht als Käufer und Selbstnutzer. Und Investoren investieren im Immobilienbereich, viele aus dem Ausland im sicheren Hafen Deutschland. Milliarden und Billionen schwirren um den Erdball und sollen investiert werden. Mangels Masse wird dann oft ausgewichen auf Entmietung durch Luxussanierungen und Abverkauf als Eigentums-Wohneinheit. In den Innenstädten gibt es auch immer weniger Baulücken, die Bodenpreise in Berlin sind kürzlich innerhalb eines Jahres um 100% gestiegen. Wir müssen aufhören, im Rahmen einer bestimmten festen vorliegenden Quantität von Wohneinheiten zu denken, sondern durch Bauen mehr Wohneinheiten zu bekommen. Dazu muss der Staat endlich mit Ländern und Kommunen den Rahmen schaffen – für alle, die bauen wollen!

Das IW Köln (Institut der Wirtschaft) nimmt 65.000 Käufer als Selbstnutzer von Wohneinheiten an (Haufe Online Redaktion 09.09.2020), der GdW Präsident schätzt 60% Mieterhaushalte zu 40% Eigentümerhaushalten als stabil für den Wohnungsmarkt ein.

Wie auch immer man rechnet: Es werden mit der Reform des BauGB nicht zu viel Wohneinheiten umgewandelt – sondern es werden zu wenig Wohneinheiten gebaut. Und was nicht gesagt wird: In Deutschland ist die Eigentumsquote beschämend gering gegenüber anderen EU Staaten. Für 2018 liegen die Zahlen vor. 47,5 Besitzer von Wohneigentum weniger als 2008 (48%) trotz fast Null-Zinsen. In den neuen Bundesländern nur 38% Wohneinheiten Eigentümer, in West-Deutschland 50%. In Frankreich ist die Wohneinheit-Besitzerquote bei 64%, in Norwegen 81% (Handelsblatt 1.11.2020). Mehr Wohneigentum von mehr Menschen wäre das Beste, weil auch Mieter Vermögen und Altersvorsorge aufbauen können und ihren Kindern etwas hinterlassen können. Die ungesunde, wachsende Segration der Gesellschaft in Vermögende und Nichtvermögende wurde verändert.

Die Forderung nach Investitionen statt Reformen in der Immobilienwirtschaft wird so ausgebremst. Gibt es keine Alternativen?

Muharrem Erdogdu: Ich sehe kein investitionsfreundliches Klima. Es wäre aber dringend nötig. Der Staat allein kann es nicht richten und sollte es auch nicht tun. Ludwig Ehrhardt und seine soziale Marktwirtschaft sind das Erfolgsrezept für den Wiederaufstieg Deutschlands geworden – aber heute ist sie weder sozial noch marktwirtschaftlich so wie Ludwig Ehrhardt sie auf den Weg gebracht hat. Es geht auch desolat zu im Wohnungsbereich. Nehmen wir als Beispiel das Land Berlin:

1) Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung zur „Wohnraumoffensive“ S.111/5192ff – Genossenschaften z. B. sollen unterstützt werden – aber in Berlin bekommen gerade die Genossenschaften oft schwierige bzw. schwer zu bebauende Grundstücke vom Staat angeboten.

2) Die jetzigen Maßnahmen verwalten den Mangel, aber wenn mehr gebaut würde – sinken die Immobilienpreise und Mieten. Durch z. B. eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes, Genossenschaften, Private Investoren, Sozial-Wohneinheiten und durch staatliche Wohnungsbaugesellschaften könnten um 100.000 WE geschaffen werden. Die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt wären exorbitant: Die Preise für Mieten und Eigentumswohnungen würden stark fallen.

Und allgemein gilt:

1) Wir haben jetzt an die 20.000 Bauvorschriften, sie sind geradezu explodiert. Aber alle Häuser und Bauten, die mit 4-5000 Vorschriften gebaut wurden stehen und funktionieren alle noch gut. Dazu fehlt im Koalitionsvertrag, in dem Empfehlungen der Baulandkommission für die Reform des BauGB sind, die Entschlossenheit: Statt jetzt um die 20.000 in 2021 nur noch 10.000 Vorschriften!

Geeinigt hat man sich butterweich, das geprüft und geprüft werden soll, was denn mal wegfallen könnte. Warum gelang das seit 2 Jahren nicht zur Halbierung der Bauvorschriften unter Einbindung aller Beteiligten? Es bleibt halbherzig, wenn man einerseits mit der Grundsteuer C Bauland mobilisieren will, d. h. Grundstücke sollen schneller bebaut werden, sonst soll die Steuer wehtun. Und andererseits die Bauvorschriften nicht zumindest halbiert, damit durch private Investoren, Staat und Genossenschaften etc. schneller und preiswerter gebaut werden kann.

2) Das Baukindergeld ist eingeführt und wird bis Jahresende gezahlt. Leider ist es Augenwischerei. Die Baulandkommission hat am 02.07.2020 in ihrem Bericht S. 10 Steuerrecht empfohlen: Senkung der Grunderwerbssteuersätze zu prüfen und Grunderwerbssteuerfreibeträge insbesondere beim erstmaligen Erwerb von Wohneigentum einzuführen. Sie folgt damit dem Koalitionsvertrag 5156f S. 110, der das allerdings nur „prüfen“ will. Tatsache ist aber: Seit dem der Bund nicht mehr einheitlich 2,5% Grunderwerbssteuer eingezogen hat, sondern eine Ländersteuer daraus geworden ist – liegt die Grunderwerbssteuer in etlichen Ländern bei 6,5%. Dadurch wird das Baukindergeld aufgefressen. Sagt nur kaum einer die junge Generation kann fast flächendeckend nicht mehr Wohneigentum erwerben: Die Kaufnebenkosten verhindern das vielfach und Bauen und Investieren wird erschwert und verteuert, so dass dadurch zu wenig Wohneinheiten gebaut werden und die zu wenigen Wohneinheiten dann zu teuer sind.

Das erlebt eine Generation, die später höchstens 43% Rente des letzten Einkommens erhalten wird. Eine eigene Wohnung wäre hier die Rettung fürs Alter und ein großes Stück Freiheit für viele Menschen. Ich frage mich haben sich Politiker und Verbände eigentlich einmal überlegt, dass Mitglied in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) als Wohneinheit-Eigentümer zu sein auch bedeutet, in eine Schule der Demokratie zu gehen mit Kompromissen und Verständnis für die Positionen anderer?

Bei allen Bemühungen um Integration von Menschen und inzwischen ihren Kindern und Enkeln, Familien, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben und arbeiten – versteht niemand, dass wer hier eine eigene Wohneinheit besitzt und in seiner WEG mitwirkt, sich viel enger zugehörig fühlt zu unserem Land und alles, was Deutschland ausmacht?

3) Mit genug Bauvolumen ändert sich Angebot und Nachfrage – Wohnraum wird bezahlbar für alle, viele Mieter könnten zu Eigentümern ihrer Wohneinheit werden. Und E1 wird sehr gern sehr viele Kontrakte zwischen Verkäufern und Käufern bestens vermitteln. Den Mangel erst nur zu verwalten, dann wie jetzt zu lindern versuchen: Gut! Aber: Es reicht nicht.

Deutschland braucht wohl einen Ludwig Ehrhardt 2.0. und eine Soziale Marktwirtschaft 2.0, auch im zentralen Bereich des Wohnens, der jeden Menschen in unserem Land betrifft, 82 Mio. Menschen.

E1 ist gut aufgestellt, erfolgreich und wächst. Wir würden gern dazu beitragen.

Herr Erdogdu, vielen Dank für das Gespräch.

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