DW und Vonovia haben eine Fusion angekündigt. Es soll der größte deutsche Immobilienkonzern entstehen. Droht eine schädliche Konzentration am Immobilienmarkt?
Kai Massoumi: Nein, ganz im Gegenteil. Zum einen ist die Gesamtanzahl der Wohnungen nach der Fusion nicht marktbeeinflussend. Konkret: Berlin hat 1,9 Mio. Wohnungen, Vonovia 43000 und Deutsche Wohnen inkl. Potsdam 113000. Mit zusammen 146000 Wohnungen sprechen wir von einem Marktanteil von 7,68%. Damit wäre Vonovia nach einer Fusion meilenweit weg von einer monopolisierenden Machtstruktur. Zudem bleiben die bisherigen Regelungen zur Bestimmung der Miethöhe und der Entwicklung wie Mietspiegel, Kappungsgrenze, Mietpreisbremse etc. bestehen. Die früher oft unterstellte Vorgehensweise Buy it – refurbish it – increase rent or sell it ist mit der Novellierung des umlegbaren Teils von Modernisierungskosten auch nicht mehr so attraktiv. Nach wie vor bleibt Hauptgrund für solche Verdachtsmomente die Wohnungsknappheit in Ballungsräumen, die durch den Leerstand „auf dem Land“ nicht kompensiert wird, weil die Infrastruktur auf dem Land in den letzten Jahren immer weiter abgebaut wurde. In Berlin sinken die Baugenehmigungen seit 2016 kontinuierlich. Setzt man jetzt das vielversprochene Naubauprogramm mit Hilfe des neuen Baulandmobilisierunggesetzes um, würde der Einfluss von Bestandshaltern noch geringer ausfallen.
In Berlin gab es bereits Initiativen zur Enteignung von Immobilienkonzernen. Wird der Widerstand weiter anwachsen?
Leo Möllerherm: Meines/unseres Erachtens nein, weil dieser Widerstand nach der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Mietendeckels spürbar nachlässt und wieder eine Versachlichung der Diskussion stattfindet. Selbst politisch haben sich die Parteien, bis auf eine Ausnahme, darauf eingestellt, dass eine Enteignung – im Prinzip ein Eigentümerwechsel – an der Wohnungsknappheit nichts ändern würde. Insofern sickert diese Erkenntnis auch in der Bevölkerung durch. Man hat gemerkt, dass auch die Parteien mit dementsprechenden Ideen in ihren Wahlprogrammen nach Bekanntgabe in den letzten Monaten deutlich in Ihren Umfragen verloren haben. Bei der großen Mehrheit der Deutschen ist für radikale Linke wie auch rechte Ideologien kein Platz.
Seit Jahren steigen die Immobilienpreise in den Metropolregionen stetig. Wird diese Preisentwicklung anhalten?
Dr. Marcel Hofeditz: Ja, man geht in seriösen Umfragen davon aus, dass die Preise weiter steigen werden. Dem liegen mehrere Faktoren zu Grunde, zum einen natürlich der stetige Zuzug in Ballungsräume, die niedrigen Zinsen und die schon erwähnte Knappheit, die noch Jahre auf Grund politischer Tatenlosigkeit anhalten wird. Auch Corona wie viele dachten wird nicht zu einer Landromantik der Städter führen. Menschen, die Ihren Kiez lieben, werden nicht auf einmal auf dem Land leben wollen, lieber aber einen Balkon, eine Terrasse oder ein weiteres Arbeitszimmer haben wollen, was die Knappheit eher noch verschärfen wird.
In den letzten 5 Jahren sind die Nebenkosten um mehr als 20% gestiegen. Woran liegt das?
Kai Massoumi: An mehreren Faktoren: den Strompreisen, Heizkosten, Müllabfuhr, und Entwässerungskosten. Auch die Lohnkosten für Handwerker und die Materialkosten für Instandhaltung sind gestiegen. Dazu kommt die Erhöhung der Grunderwerbssteuer in Berlin auf 6% in 2014. Zum Glück haben auch die Löhne im Allgemeinen einen Aufwärtstrend erlebt. An dieser Entwicklung erkennt man auch die schleichende Inflation. Das bedeutet, auch wenn der Euro international stabil scheint, werden Güter und Dienstleistungen in Deutschland immer teurer. Dies ist ein wirkliches Problem, welches man durch steigende Löhne in allen(!) Branchen in den Griff bekommen könnte.
Die Quadratmeterpreise in München liegen oft über 20€/m2. Wird Wohnen in Metropolregionen zum Luxusgut?
Dr. Marcel Hofeditz: Wenn nicht seitens der Politik gegengesteuert wird, ist diese Tendenz leider unabwendbar. Gegensteuerung funktioniert natürlich nur mit sozialem Wohnungsbau und Wohnungsbau im günstigen Segment, wie z.B. durch die modulare Systembauweise oder Holzbauweise. Die Devise muss lauten „bauen, bauen, bauen“, um das Angebot zu vergrößern. Verbieten, kappen, bremsen und deckeln“ schafft keine einzige neue Wohnung. Man muss aber auch akzeptieren, dass es einen Wert hat, im Zentrum von München mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren zu können oder in Hamburg an die Alster zu spazieren oder in Berlin von der Kiez Kneipe zu Fuß nach Hause “torkeln” zu können. Schöne Gegenden werden immer teurer, aber auch B-Lagen werden beliebter und belebter. Es muss klar sein, dass sich Städte verändern werden und die Menschen je nach Portemonnaie die Stadtteile wechseln oder weiter nach Außen oder Innen ziehen, aber auch dort kann man wiederum andere tolle Menschen treffen und man ist ja auch nur maximal 30 Minuten U-Bahn weg. Kritisch ist es natürlich bei schulpflichtigen Kindern oder anderen sozialen Umständen, die einen Umzug nicht ermöglichen. Hier sollte man Lösungen von der Politik parat haben.
Was kann die Politik machen, um auch in Zukunft bezahlbaren Wohnraum in Städten anbieten zu können?
Leo Möllerherm: Ganz klar, das Wohnungsangebot erhöhen, Genehmigungsverfahren verkürzen, Personal in der Bauverwaltung aufstocken und natürlich die Prozesse stark digitalisieren und dem Personal in der Verwaltung eine entsprechend starke IT zur Verfügung stellen, nachbarschaftliche Genehmigungsverfahren einschränken, bzw. auf automatische Genehmigung umstellen. Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer für Selbstnutzer, um junge Menschen schneller von der Miete ins Eigentum zu bekommen. Mehr Bauland durch Länder und Städte aktivieren. Mehr Wohngeld für sozial schwache und Behinderte, damit sie sich auch normale Wohnungen ggf. leisten können.