Die Miethöhe, die der vorherige Mieter gezahlt hat, darf ein Vermieter auch in Regionen mit Mietpreisbremse fordern. Gibt es Besonderheiten zu beachten, z. B. bei gewerblicher Nutzung?
Nino Calzada Calzada: Die Mietpreisbremse ist ein spannendes und umstrittenes Thema. Wir müssen bei dieser Frage erstmal einiges klarstellen. Mietpreisbremse heißt nicht gleich Mietpreisbremse. Sie tritt erst dann in Kraft, wenn wir von einer Wiedervermietung einer Bestandswohnung in einer Mietpreisbremsenregion reden. Sobald diese Punkte zutreffen, darf die Wohnung maximal zu 10 % mehr als den ortsüblichen Tarif vermietet werden. Der Gesetzgeber hat dem Immobilieneigentümer allerdings einen gewissen Spielraum gelassen. Sobald eine Wohnung von dem Vermieter modernisiert wird, unterliegt diese nicht mehr der Mietpreisbremse und es dürfen weiterhin frei wählbare Summen verlangt werden. Genau das Gleiche gilt bei Neubauten. Sie merken, es gibt verschiedene Punkte, die erst einmal zutreffen müssen, damit die Bremse zuschnallt. Ob diese Regelungen wirklich Sinn ergeben, liegt stets im Auge des Betrachters. Gewerbeeinheiten dagegen sind seit längerer Zeit so etwas wie eine Grauzone in Mietangelegenheiten. Hier kann der Vermieter so viel Geld verlangen wie er möchte – ob er es bekommt ist eine andere Frage. Es gibt weder Bremse noch eine genaue Regelung. Der einzige Regelungsgeber ist hier die freie Marktwirtschaft und dieser Chef ist in Sachen „Immobilien“ knallhart und guckt nur auf die Zahlen.
Wem nutzt die Mietpreisbremse und wem nicht? Oder profitieren Unternehmen wie Privatpersonen gleichermaßen davon?
Nino Calzada Calzada: Der Grundgedanke der Mietpreisbremse ist sehr gut. Sie soll dafür sorgen, dass sich schlechter gestellte Personen einen Wohnraum in gefragten Teilen einer Stadt leisten können. Dieses bringt Vielfältigkeit in die Stadtzentren und belebt den Stadtteil. Ein toller Gedanke! Das Thema ist allerdings nicht neu. Es gibt ja schon seit Jahren eine Mietpreisbremse, nur war diese so schwach, dass man sie kaum gemerkt hat. Jetzt hat die Politik dieses Thema in Windeseile nochmals in die Hand genommen und etwas verschärft. Das Einzige, was leider nicht verschärft wurde, was aber diese Bremse den Mietern spürbar näherbringen würde, sind Sanktionen gegenüber den Eigentümern, die gegen das Mietpreisbremsegesetz verstoßen. In zahlreichen Großstädten werden noch immer Wohnungen oberhalb der zulässigen Obergrenze angeboten. Gehen Sie gerne nach diesem Gespräch auf die gängigen Immobilienportale und vergleichen Sie die Preise. Sie werden sehen, dass circa 8 von 10 Mietwohnungen eine zu hohe Miete verlangen. Ergo, ohne deutliche Sanktionen behalten Vermieter ihre Monopolstellung und Mieter zahlen so gut wie immer zu hohe Preise. Dann geht es noch weiter: Falls Sie als Mieter bei der Besichtigung dem Vermieter mitteilen, dass dieser eine zu hohe Miete verlangen würde, erhalten sie meist schneller die Absage als sie das Wort „Mietpreisbremse“ sagen können. Der Vermieter vermietet die Wohnung an die nächste Person, die bereit ist, diesen Preis zu bezahlen. Zusammenfassend kann man sagen, dass es den Mieter/-innen mehr als dem Vermieter bringen würde.
Wie ist Ihre Meinung zur Mietpreisbremse?
Nino Calzada Calzada: In Deutschland wird sehr viel gemietet. Circa 57 % der Haushalte sind Mieterhaushalte. Dem Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ wurde bislang leider zu wenig Zeit gespendet. In der heutigen Zeit merken wir die Folgen: Eine Wohnung in der Stadt können sich nur sehr wenige leisten. Das weiß auch die Politik. Die Mietpreisbremse ist im Grunde eine sehr gute Idee, doch die Erwartungen waren zu hoch. Bremsen tut sie nicht wirklich. Im Übertragenen könnte man sagen, dass man die Bremse des eigenen PKWs mit seinem Fuß ein wenig mehr tangiert als vorher. Noch immer können sich Bäcker, Busfahrer und Krankenschwestern keine Wohnung in der Innenstadt leisten. Dies ist furchtbar unfair! Der Mietermarkt sagt quasi zu diesen Personen: „Ihr dürft hier arbeiten, aber wohnen könnt ihr hier nicht!“.
Immobilien sind zurzeit in aller Munde. Die Nachfrage ist riesig und das Angebot ist mehr als gering. Kein Wunder, dass die Immobilienpreise von Jahr zu Jahr steigen. Selbst mitten in der Corona-Krise sind die Immobilienpreise deutschlandweit um ca. 3,4 % angestiegen.
Dem Staat bleibt nichts anderes übrig als zu reagieren.
Der Kampf um eine Wohnung ist dazu noch sehr hart. Wenn eine städtische Mietwohnung auf den üblichen Portalen online gestellt wird, erreichen den Inserenten 200 – 800 Anfragen in den ersten Stunden. Stellen Sie sich mal vor, Sie wollen eine Wohnung mieten, sind sehr schnell in Verbindung mit dem Vermieter und merken dann, dass da noch 400 weitere Personen genauso schnell waren. Da ist eine Konkurrenz und ein Druck am Markt, den die Vermieter natürlich ausnutzen können und Preise verlangen, die man ohne diese massigen Anfragen niemals hätte bekommen können. Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum so viele Personen so interessiert an Immobilien als Altersvorsorge oder Zusatzverdienst sind. Der Mieter, oder in diesem Fall der Makler, sitzt am längeren Hebel und sucht sich natürlich die Personen mit dem besten Verdienst aus.
Oft hat man den Eindruck, dass Bürokraten ohne die Meinung von Wissenschaftlern und Verhaltensforschern, Gesetze erlassen und sich dann über die Konsequenzen wundern. Manchmal würde ich mir wünschen, dass mehr weitsichtigen und innovativen Menschen die Arbeit in der Politik schmackhaft gemacht würde. Diese Menschen brauchen wir.
Die Mietspiegelreform soll mehr Transparenz bringen, kann das funktionieren oder ist es nur Mehraufwand für Mieter und Vermieter?
Nino Calzada Calzada: Theoretisch ist es ein ganz kleiner Mehraufwand für den Vermieter, da dieser die ortsübliche Miete im Auge behalten muss und nicht frei eine neue Miete bestimmen darf. Für die Mieter ist es theoretisch kein Mehraufwand. Theorie zu Ende. Wir kommen zur Realität: Wie ich vorhin schon erwähnt habe, wird sich wenig an diese Regelung gehalten – staatliche Kontrolle gibt es kaum! Selbst wenn der Staat aktiv kontrolliert und eine Widersetzung dieser Regelung zum Vorschein kommt, darf der Vermieter die überschüssige Miete bis zum Tag der Rüge einbehalten und muss diese nicht zurückzahlen. Den nötigen Mehraufwand, den ich sehe, liegt zum großen Teil in der Politik um gute, umsetzbare und umsetzpflichte Regeln zu bestimmen, damit die Mietpreisbremse für alle Beteiligten lohnenswert wird.
Ist die Sorge berechtigt, dass in Regionen mit Mietpreisbremse weniger investiert wird?
Nino Calzada Calzada: Viele Investoren hatten Angst vor der neuen Mietpreisbremse. Bei der letzten Gesetzgebung für die Mietpreisbremse 2015, hatte der Staat viele Sachen übersehen und undeutlich beschrieben. Die jetzige Mietpreisbremse ist quasi ein Update der alten Regelung. Durch die aktuelle Regelung wird es so sein, dass Investoren das meiste Geld in Neubauten und modernisierte Wohnungen investieren werden. Wir erinnern uns; die Miete für eine neu errichtete oder eine modernisierte Wohnung kann der Eigentümer ohne Beschränkung festlegen. Damit sich die Kosten rechnen ist daher die erste Vermietung von der Mietpreisbremse ausgenommen. Der Hintergrund dieser Ausnahme: Investoren sollen durch die Mietpreisbremse nicht gehemmt werden neuen Wohnraum zu schaffen oder zu verbessern. Bei dieser Art von Investment reden wir allerdings von großen Geldsummen. Das heißt, Immobilienkäufer, die eine oder weniger Immobilie für Ihre Altersvorsorge als Renditeobjekt kaufen wollen, müssen länger und stärker suchen. Meist rechnen sich aktuelle Bestandsmieten zu dem Kaufpreis nicht. Dies lässt die großen Firmen einen unerreichbaren Vorsprung gegenüber dem Privatinvestor haben. Es wird also insgesamt weniger investiert, da der Bestandswohnungenmarkt im Großen und Ganzen nicht so attraktiv ist wie vor der Mietpreisbremse. Es muss mehr Geld in die Hand genommen werden. Geld, dass man erstmal wieder mit dem Kauf verdienen muss.
Im Grunde ist die Mietpreisbremse eine tolle Sache, nur wir müssen Sie noch etwas in die aktuelle Situation bringen. Wenn das geschafft ist, sehe ich in eine tolle, bunte Innenstadt mit vielen Kulturen und noch mehr Geschichten.