Prof. Dr. Josef Kraus: Ein Projektleiter kann auf der strategischen oder taktischen Ebene verortet sein

Interview mit Prof. Dr. Josef Kraus
Prof. Dr. Josef Kraus ist Professor, Fachbereich IV – Architektur und Gebäudetechnik und zudem Studienbeauftragter Facility Management in der Beuth Hochschule für Technik. Mit ihm sprechen wir über Facility-Management, Aufgaben eines Projektleiters sowie die Bedeutung von Facility-Management.

Was früher vielleicht mal der „Hausmeister-Service“ war, hat sich heutzutage zu einem komplexen Aufgabenbereich entwickelt. Können Sie den Unterschied einmal kurz erklären?

Prof. Dr. Josef Kraus: Facility Management oder abgekürzt FM umfasst grundsätzlich die Planung und Steuerung aller Unterstützungsprozesse, die nicht unmittelbar zu den Hauptaktivitäten einer Organisation. Diese Unterstützungsprozesse sind nicht unmittelbar Teil der Wertschöpfungsprozesse der Organisation, aber beeinflussen deren Effektivität und Effizienz zumindest mittelbar. Zu den Unterstützungsprozessen gehört auch die Erbringung von diesbezüglichen operativen Leistungen, wie z.B. den Facility Services, aber auch operative Managementleistungen können in Unternehmen intern oder extern erfolgen.

Hier wird der Unterschied zwischen Hausmeister-Service und Facility Management Dienstleister deutlich, der Hausmeister-Service erbringt Facility Services auf der operativen Ebene, ein Facility Management Dienstleister hingegen Dienstleistungen auf der strategischen, taktischen und operativen Ebene.

Ein guter Projektleiter ist das „A und O“ eines reibungslosen Betriebsablaufes, wobei dieser die menschlichen und technischen Aspekte (Zeit, Ressourcen, Personal und Kommunikation) miteinander verbinden muss. Wie ist da Ihre Erfahrung?

Prof. Dr. Josef Kraus: Die Erfahrung zeigt, dass die Wurzel des Erfolges für einen reibungslosen Betriebsablauf auf der strategischen Ebene liegt. Dort erfolgt die Bedarfsdefinition und daraus ableitend die Bestimmung der Standards bzw. Richtlinien sowie die Sicherstellung der Verfügbarkeit aller Unterstützungsressourcen. Im Vergleich hierzu werden auf der taktischen Ebene die bestimmten kerngeschäftskonformen Bedarfe und infrastrukturkonformen Anforderungen objektübergreifend gleichermaßen sichergestellt. Ein Projektleiter kann sowohl auf der strategischen als auch auf der taktischen Ebene verortet sein. Sollte allerdings mehr ein Objektleiter betrachtet werden, wäre der auf der taktischen Ebene einzuordnen, dort kommen im Vergleich zur strategischen Ebene natürlich vielmehr technische Aspekte hinzu.

Welche Fähigkeiten und Kompetenzen sowohl auf menschlicher als technischer Seite (Zeit, Ressourcen, Personal und Kommunikation) zeichnen nun einen Facility Manager auf Projekt- oder Objektebene aus?

Facility Manager auf Projekt- oder Objektebene muss selbstorganisiert denken und arbeiten, vor allem wenn zeitlich schnelle Problemlösungen (z.B. Havarie) gefragt sind. Natürlich benötigt er hierzu umfassende Wissensressourcen aus den speziellen Bereichen Planen, Bauen, Bewirtschaften, Betreiben und Verwalten um Problemstellungen einschätzen und lösen zu können. Eine abteilungs- und projektübergreifende sowie kundenorientierte Denkweise und Kommunikation lässt den Facility Manager auf Projekt- oder Objektebene besonnen aber entschlossen handeln. Als Manager müssen aber auch Mitarbeiter geführt werden, daher ist Sozialkompetenz für die agierenden zwingend erforderlich.

In diesem Zusammenhang sind es genau die genannten Aspekte, die ein Facility Manager auf Projekt- oder Objektebene mitbringen muss.

Effiziente Prozesse dienen einem reibungslosen Ablauf bei der Betreuung von Liegenschaften. Was qualifiziert ein Facility- und Projektmanagement zu größeren und anspruchsvolleren Aufgaben?

Prof. Dr. Josef Kraus: Studierende lernen schon früh in der Ausbildung mit Prozessen zu arbeiten, bereits im 2. Semester im Modul „Energieeffizienz von Gebäuden und effiziente Betriebsprozesse“ oder im 3. Semester im „Betrieblichen Informationsmanagement“. Facility Manager werden sie speziell in Projektarbeiten an die Arbeit mit Prozessen herangeführt.

Im 5. Semester (Vertiefungssemester) bearbeiten die Studierenden im Rahmen ihrer gewählten Vertiefungsrichtung „Methoden des Objektmanagements“ bzw. „Methoden des Ressourcenmanagements“ ein ganzes Semester lange ein komplexes Projekt, mit den Teilaspekten Geschäftsprozessmanagement, Projektmanagement, Personalmanagement und Kosten und Controlling. Ziel ist es bereits während des Studiums mit Prozessen zu arbeiten und in praktischen Projekten anzuwenden. Die Studierenden wurden so auf die komplexe Betreuung von Corporates bzw. Properties optimal vorbereitet.

Eine hohe Ausbildungsqualität und verschiedene Kompetenzbereiche, die laut IFMA (International Facility Management Association) Bestandteil des Facility Managements sind, kann man sich ja nicht „im Vorbeigehen“ erwerben. Wie sieht die Ausbildung eines Facility-Managers aus?

Prof. Dr. Josef Kraus: Das Studium im Bachelor Studiengang gliedert sich in mehrere Abschnitte: die Grundlagen, das Praxisstudium, das vertiefende Semester und die Bachelor-Arbeit. Die ersten drei Semester sind den Grundlagen vorbehalten: Technik, Informatik, Wirtschaftsfächer, Fremdsprachen und Projektmanagement.

Aufbauend aus dem Wissen aus dem Schulcurriculum erlernen die Studierenden die Grundlagen des Facility Managements. Kaum ein Begriff in der Immobilienbranche zeigt so viele Facetten, wenn es um die inhaltliche Beschreibung geht, wie das Facility Management. Im technischen Bereich lernen die Studierenden verschiedenste Immobilien, vom Wohngebäude über die Bauten für Erziehung und Bildung, den Gaststätten bis zu Büro- und Industriebauten kennen. Mit diesem Wissen wenden die Studierenden die jeweils vorhandenen spezifischen Anforderungen z.B. eines potentiellen Investors für verschiedenste Anforderungen an Gebäude an (z.B. Umnutzungskonzepte). Die grundsätzliche Relevanz gebäudetechnischer Anlagen in Gebäuden hinsichtlich Nutzen und Aufwand wird ebenfalls gelehrt. Da der Facility Manager eine Liegenschaft über den gesamten Lebenszyklus betreut, sind Themen der Wartung, Instandhaltung, Instandsetzung und Modernisierung ebenfalls bedeutende Themen der Ausbildung.

Die Informatik stellt eine weitere wichtige Säule der Ausbildung dar. Wer Flächen und Immobilien managen will braucht einen Überblick! Daher ist es wichtig die grundlegenden Kenntnisse über CAD-Prinzipien (Modellierung, Verarbeitung, Visualisierung) zu vermitteln und auf die zugehörige Gerätetechnik anzuwenden. Ziel

ist es hier, dass die Studierenden mit den grundlegenden Ideen des Building Information Modeling (BIM) vertraut werden.

Die Studierenden erlangen Kenntnisse über die Immobilienwirtschaft hinsichtlich globaler und internationaler Trends und die wirtschaftlichen Einflussfaktoren beim Betrieb einer Immobilie einschließlich Immobilienfinanzierung und Investitionsrechnung.

Im strategischen Bereich analysieren sie die Bedeutung des Dienstleistungssektors, beurteilen die Komponenten der Dienstleistungen im FM und entwickeln unterschiedliche Modelle zur Unterscheidung von Dienstleistungsarten, stets mit dem Kunden im Fokus.

Die Studierenden verinnerlichen die Bedeutung der Betreiberverantwortung, der Verkehrssicherung und des Arbeitsschutzes im FM und beurteilen die einzelnen Komponenten, um zukünftig Liegenschaften sicher betreiben zu können. Der Facility Manager ist für die Sicherheit der Liegenschaft verantwortlich.

Das betriebliche Prozessmanagement stellt die Basis für das Verstehen von betrieblichen Aufbau- und Prozessorganisationen, Managementmethoden und Anforderungen an die Mitarbeiterführung dar. Die Studierenden verstehen die Handlungserfordernisse bei der rationellen Gestaltung von betrieblichen Arbeitsprozessen im Facility Management einschließlich des Work Place Managements. Der Zusammenhang von Geschäftsprozessen und Informationssystemen im betrieblichen Informationsmanagement bildet die IT- technologische Abrundung der Prozesse.

Da es sich um eine Ingenieurausbildung handelt erlernen die Studierenden selbstverständliche auch alle wesentlichen naturwissenschaftlichen (Physik, Chemie) und mathematischen Grundlagen, speziell für die Branche angepasst. D.h. Chemie ist z.B. in der Ausbildung „Chemie, Gesundheits- und Umweltschutz im FM“.

Das Studium im Master Studiengang gliedert sich in vier Semester und baut auf dem Bachelor Studiengang auf, ist aber auch für Studierende anderer Disziplinen geeignet. Hier lernen die Studierenden wie man anspruchsvolle Führungsaufgaben professionell löst. Sie vertiefen Ihre Fachkenntnisse in der Gebäudetechnik, im Management komplexer Prozesse, in der Kommunikationstechnik und in der Bewirtschaftung von Immobilien. Auch Marketing und Unternehmensführung stehen auf dem Lehrplan. Außerdem lernen Sie, wie Sie Teams führen.

Die Ausbildung im Masterstudium beginnt mit dem strategischen Management dem Nachhaltigkeitsmanagement und dem strategischen IT-Management. Im zweiten Semester folgen Fragestellungen zur Immobilie und zur Finanzierung, das Work Place Management und die Bearbeitung eines Pilotprojektes.

Im dritten Semester stehen technische Fragestellungen im Vordergrund wie Techniktrends im FM und Immobilien-Portfolio-Management. Abgerundet wird das Studium mit dem Thema Entrepreneurship d.h. für alle die sich selbständig machen wollen und mit der Masterarbeit.

Dieser Studiengang stellt den „Lift zur Chefetage“ in der FM Branche dar. Nach diesem Studium können die Absolventen im strategischen Management arbeiten. Sie

sind vorbereitet auf eine Führungsposition in Unternehmen, in der öffentlichen Verwaltung und in Non-Profit-Organisationen.

Das Berufsbild „Facility-Management“ ist mittlerweile IT-lastig geworden, wenn man z.B. Computer Aided Facility Management (CAFM) als digitale Komponente berücksichtigt, um notwendige Daten zu erfassen und auszuwerten. Schreckt das potenzielle Interessenten an diesem Beruf ab oder weckt es eher Interesse?

Prof. Dr. Josef Kraus: Die Studierenden erwerben ein Verständnis bzgl. der IT-Unterstützung für die Digitalisierung von FM-Prozessen und erlernen den Aufbau und die Wirkungsweise von CAFM-Software. Hier zeigt sich warum die Studierenden nicht abgeschreckt werden, es ist vielmehr ihre Aufgabe Anforderungen an eine integrierte CAFM- Lösung formulieren und nicht Programmierer zu werden.

Natürlich arbeiten und üben die Studierenden auch mit marktführender CAFM- Software, eben aber auf einer Ebene die motiviert Ausschreibungs- und Auswahlprozess für CAFM-Lösungen zu begleiten. Die Studierenden werden explizit keine Programmierer von diesen Systemen.

Sie beherrschen hingegen die Einführung eines CAFM-Systems und können dessen Wirtschaftlichkeit beurteilen. FM-Datenerfassung und des FM-Datenmanagements sind die wichtigen Grundlagen für alle weiteren Managementaufgaben. Die Ausbildung in diesem Bereich sowie das Kennen der hierfür grundlegenden Technologien und Verfahren bilden eine gute Grundlage für den Beruf im FM.

Die Bedeutung des Facility Managements wächst in Zeiten von immer komplexer werdenden Unternehmensstrukturen. Das Bewirtschaftungsvolumen liegt im 3- stelligen Milliardenbereich. Wie geht diese Entwicklung weiter?

Prof. Dr. Josef Kraus: Das Facility Management kann als eine krisensichere Branche betrachtet werden. Auch in der Corona-Pandemie wird deutlich, wie wichtig und systemrelevant diese Branche ist. Die Facility Management Dienstleister betreuen unterschiedlichste Kunden in verschiedensten Gebäuden mit stark voneinander abweichenden Nutzungsarten, aber bei allen gilt der Satz „die Prozesse müssen laufen“.

Das Thema Nachhaltigkeit wird die Branche noch lange und noch intensiver beschäftigen. Gewerblich genutzte Immobilien sind für einen großen Anteil der Treibhausgase verantwortlich, die FM-Branche begleitet hier bei der Optimierung. Die Optimierungsansätze können hierbei komplex sein und reichen von der Digitalisierung bis zur intelligenten Gebäudetechnik.

Die Facility Management Dienstleister blicken positiv in die Zukunft. Selbst in der Krise ist davon auszugehen, dass die Vielfalt an Dienstleistungen der einzelnen Anbieter eine sichere Zukunft schafft, selbst wenn die eine Rezession droht.

Prof. Dr. Kraus, vielen Dank für das Gespräch!

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