Claudette Sinn ist Paartherapeutin und Paarberaterin in ihrer Praxis ebbeflut in Hamburg. Mit ihr sprechen wir über Veränderungen in einer Beziehung, Hoffnung sowie Ziele einer Paartherapie.

Eine Paartherapie ist für viele Paare gar keine Option. Obwohl die Beziehung auf der Kippe steht, denken viele Partner, dass professionelle Hilfe nichts bringt. Was umfasst eine Paartherapie und welche Themen werden in den Sitzungen meistens behandelt?
Claudette Sinn: Wenn die Beziehung auf der Kippe steht, und ein Paar denkt, dass eine Paartherapie nichts mehr bringt, dann haben die Partner:innen in den allermeisten Fällen Recht damit. Für sich selbst. Denn für eine Paartherapie sollten bestenfalls beide zumindest ein Quäntchen Hoffnung mitbringen, dass es etwas zu retten, wiederzuentdecken, neu zu gestalten gibt. Eine Krise ist immer ein Zeichen dafür, dass irgendetwas nicht mehr funktioniert – darum ist sie geradezu notwendig, um neue Wege zu entdecken, Veränderung zuzulassen und aktiv etwas dafür zu tun. Häufig wissen die Menschen nicht, was sie zu mehr Zufriedenheit führt, und wie sie das in ihre Beziehung und ihren Alltag intergieren sollen. Ihre Strategien haben sich als nicht hilfreich erwiesen. Und genau da setzt Paartherapie an. Woher kommt Ihr? Wo steht Ihr? Wo wollt Ihr hin?
Die meisten Menschen treten Paartherapeuten:innen eher skeptisch gegenüber. Vielen Paaren fällt es schwer, mit einer fremden Person über ihre Beziehungsprobleme zu reden. Besonders wenn sich Partner nach der Sitzung wieder im Alltag befinden, neigen sie dazu, in alte Muster zu verfallen. Denken Sie, dass eine Paarberatung die Beziehung nachhaltig und positiv beeinflussen kann?
Claudette Sinn: Die Haltung, sich Unterstützung bei Problemen zu holen, die wir alleine nicht lösen können, wird immer populärer, somit auch die Offenheit gegenüber Paartherapie. Wagt ein Paar den kalten Sprung ins Wasser, ist der Effekt in der Regel ein entlastender. Endlich ist da jemand, der uns aus unseren destruktiven Spiralen rausholt! Mit der Erwartung zu kommen, jemand anders solle da etwas reparieren, ist verständlich, aber nicht ausreichend. Die Kunst als Paartherapeutin besteht darin, wie eine gute Sporttrainerin zu verfahren: Zu analysieren, zu begleiten, zu motivieren und darauf zu vertrauen, dass das Paar unter Anleitung lernt, sich zu regulieren und dran bleibt, weil es merkt, dass es ihnen gut tut und ihre Lebenszufriedenheit steigert. Und sollte das Resultat sein, dass beide getrennte Wege gehen möchten, hilft eine Paartherapie auch, diesen schweren Weg zu meistern.
Welche Probleme führen Ihrer Erkenntnis nach Paare meistens in eine Therapie?
Claudette Sinn: Bei vielen Paaren führen immer wiederkehrende Konflikte dazu, dass sie irgendwann eine Paartherapeutin aufsuchen. Beide Partner:innen sind durch gegenseitige Verletzungen mürbe, oft auch verschlossen gegenüber dem anderen geworden. Hinter Streit und Vorwürfen verstecken sich in der Regel unausgesprochene Erwartungen, selbst gemachte Interpretationen (du machst das und das (nicht), also liebst du mich nicht …), auch unser Unvermögen, Vorwürfe und Kritik zu unterlassen und stattdessen über unsere Bedürfnisse zu sprechen. Unbefriedigende oder mangelnde Sexualität ist auch oft ein Grund, zur Paartherapie zu gehen – und nicht zuletzt führt ein Seitensprung oder eine Affäre Paare häufig zum Aufsuchen einer Paartherapie – trennen sich die Partner:innen nicht gleich voneinander, sondern kommen zu einer Paarberatung, wird die Beziehung danach in der Regel inniger und erfüllter als sie vorher war.
Muss man in einer Partnerschaft sein, um eine Paartherapie aufzusuchen oder kann man dies auch als Einzelperson tun, um eine Krisensituation zu entspannen?
Claudette Sinn: Auch für eine Einzelperson ist es hilfreich, wenn sie sich in einer Krise Unterstützung holt – sei es, dass die Partnerin, der Partner nicht mitkommen möchte, sei es, dass es um eigene Muster geht, mit denen ich mir in Beziehungen immer wieder selbst im Weg stehe.
Eine Therapiestunde kann bei einem seriösen Anbieter schon einiges kosten. In welchen Fällen kann die Krankenkasse einem Paar unter die Arme greifen?
Claudette Sinn: Paartherapie ist keine Leistung, die die Krankenkasse bezahlt. Günstiger als selbstständige Paartherapeut:innen bieten gemeinnützige Einrichtungen Paartherapien an. Dies können kirchliche Institutionen wie die Caritas, die Diakonie oder auch Familienbildungsstätten oder Pro Familia sein.