Cora Roloff ist Osteopathin in Berlin. Mit ihr sprechen wir über Selbstheilungskräfte des Körpers, die Ausbildung zum Osteopathen sowie den Unterschied zum Chiropraktiker.

Osteopathie ist eine alternative Heilmethode, die auf die Selbstheilungskräfte des Körpers setzt. Auf welchen Grundlagen basiert die Osteopathie?
Cora Roloff: Zusammengefasst wird der Körper als eine komplexe Einheit verstanden, deren Einzelteile in Wechselwirkung zueinanderstehen. Auch Gedanken, Emotionen, das soziale Umfeld und Umweltfaktoren beeinflussen unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Osteopath*innen versuchen diese Zusammenhänge über ein ausführliches Erstgespräch und eine umfassende körperliche Untersuchung zu erkennen, um über spezielle Handgriffe die Regenerationsmechanismen des Organismus wieder anzuregen. Auch Beratung zu Lebensstilveränderungen und eine vertrauensvolle und auf Augenhöhe stattfindende Patienten- Therapeutenbeziehung ist dabei wesentlicher Bestandteil der Therapie.
Osteopathen arbeiten teils ähnlich wie Chiropraktiker. Worin unterscheiden sich die Behandlungsansätze?
Cora Roloff: Eigentlich ist die Chiropraktik, also die „Manipulation“ von Zwischenwirbel- und anderen Gelenken, ein wichtiger Bestandteil der Osteopathie. Je nach Schule werden diese Techniken mehr oder weniger intensiv vermittelt. Während ein Chiropraktiker sich darauf spezialisiert hat, wenden Osteopathen zusätzlich auch noch andere Techniken an. Diese zielen auf die Behandlung von Organfunktionen, Faszien und des kraniosakralen Systems ab.
Viele Krankenkassen übernehmen osteopathische Behandlungskosten. Ist die Branche auf dem Weg aus der Nische in den Mainstream?
Cora Roloff: Obwohl viele gesetzliche Krankenkassen gerade wieder dabei sind, ihre Zuschüsse für osteopathische Behandlungen zu kürzen, erfreut sich die Osteopathie immer größerer Beliebtheit. Trotzdem wird die Wirksamkeit von Osteopathie immer wieder angezweifelt. Das Problem ist wohl, dass die Durchführbarkeit von großen Studien, die dem Goldstandard der medizinischen Wissenschaftlichkeit entsprechen, sehr schwierig ist. Es fehlt an Lobby und Geld, und ganzheitliche Betrachtung lässt sich eben nicht auf eine einzelne Technik und deren Wirksamkeit reduzieren.
Welche Ausbildung müssen Osteopathen haben, um eine Praxis eröffnen zu dürfen?
Cora Roloff: In Deutschland dürfen Osteopathen zur Zeit nur selbständig praktizieren, wenn Sie eine Zulassung als Heilpraktiker haben. Die Osteopathieausbildungen unterscheiden sich in Ihrem Umfang und den Inhalten übrigens sehr. Die umfassendste Ausbildung erhält man zur Zeit wohl über das Vollzeitstudium. Medizinischen Grundlagen wie Physiologie, Anatomie, Pathologie, Innere Medizin, Neurologie etc. werden übermittelt und vom ersten Tag an osteopathische Techniken und Palpation an Kollegen geübt. Meine Ausbildung beinhaltete z.B. 2844 Präsenzstunden inkl. zwei Jahre Lehrklinik mit echten Patienten. Wer also einen qualifizierten Osteopathen aufsuchen möchte, sollte sich z.B. über die Verbände informieren.
Worin unterscheiden sich die Ausbildung und das Studium der Osteopathie?
Cora Roloff: Im Studium führen die Studenten zusätzlich zur medizinischen Grundausbildung und den osteopathischen Fächern eben noch eine Bachelor bzw. Masterarbeit durch. Ich habe mich beispielsweise mit der Wirksamkeit von Osteopathie bei Migräne beschäftigt und einen Beratungsbogen für Migränepatienten entwickelt und getestet.