Dr. med. Markus Moser: Der Seele wird viel zu wenig Beachtung geschenkt

Dr. med. Markus Moser ist Präventionsarzt im Helios Prevention Center Berlin. Mit ihm sprechen wir über den Begriff Burnout, Auslöser der Krankheit sowie besonders betroffene Berufsgruppen.

Der Begriff Burnout ist in der Arbeitswelt weit verbreitet. 2018 erlitten rund 176.000 Beschäftigte in Deutschland ein Burnout. Was genau versteht man unter diesem Krankheitsbild?

Dr. med. Markus Moser: Der Begriff Burnout wurde in den 1970er Jahren von Herbert Freudenberger geprägt. Der New Yorker Psychotherapeut litt an starken Erschöpfungssymptomen und beschrieb seinen Zustand als „ausgebrannt“. Mittlerweile gilt das Beschwerdebild als moderne Volkskrankheit.

Wie kommt es zu einem Burnout, was sind die Auslöser?

Dr. med. Markus Moser

Dr. med. Markus Moser: Burn-out-Erleben hat selten nur eine Ursache und spiegelt in hohem Maße unsere derzeitigen beruflichen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen wider. So haben Ärzt:innen und Psychotherapeuten im Verlauf des vergangenen Jahres einen Anstieg insbesondere an jungen Patient:innen verzeichnet, die unter Ängsten, Sorgen oder depressiver Stimmung litten. Die weltweite Corona-Pandemie nahm einen ausschlaggebenden Einfluss auf die vermehrte Entstehung der Erkrankung, die bei Patient:innen Stress, Überforderung und dadurch Anzeichen einer beginnenden Depression auslöste. Schließlich ist besonders die soziale Isolation ein Umstand, der unser gesellschaftliches Leben in einer noch nie dagewesenen Art und Weise maßgeblich beeinflusst hat. Soziale Kontakte sind jedoch für jedes Individuum essentiell und ein Mangel kann auf Dauer zu einer fühlbaren Verstimmung bis hin zu Krankheiten führen. Der Seele wird in unserer technischen Welt leider viel zu wenig Beachtung geschenkt. Wir leben in einer Zeit, in der wir der Meinung sind, alle Probleme mit digitalen und technischen Mitteln lösen zu können. In der Corona Pandemie hat sich jedoch gezeigt, dass wir aus weit mehr als nur aus „Fleisch und Blut“ bestehen und dass es für unsere Gesundheit unerlässlich ist, unser seelisches Wohlbefinden zu pflegen.

Wie äußert sich ein Burnout am menschlichen Körper? Welche Symptome treten auf?

Dr. med. Markus Moser: Es sind vor allem starke Erschöpfungssymptome, die dazu führen, dass Betroffene sich ausgebrannt fühlen. Expert:innen grenzen drei Beschwerdebereiche ein:

•          Erschöpfung: Betroffene leiden sowohl an emotionalen als auch an körperlichen Beschwerden wie ständiger Müdigkeit, Erschöpfung, Niedergeschlagenheit, Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Problemen.

•          Berufliche Entfremdung / Depersonalisierung: Menschen, die ein Burnout haben, empfinden ihre Arbeit über einen längeren Zeitraum hinweg zunehmend als Belastung und entwickeln eine negative, teilweise sogar zynische Einstellung gegenüber ihren Aufgaben sowie Kolleg:innen.

•          Abnehmende Leistungsfähigkeit: Burnout-Patienten erleben sowohl berufliche als auch private Tätigkeiten zunehmend als Belastung. Selbst der Haushalt sorgt für Überforderung und Frust, die sich auf unterschiedliche Weise bemerkbar machen können.

Welche Berufsgruppen sind besonders betroffen und warum ausgerechnet diese?

Dr. med. Markus Moser: Besonders gefährdet sind Menschen, die dauerhaftem Druck und Stress ausgesetzt sind und denen grundlegend geringere Ressourcen zur Verfügung stehen. Letztlich kann es aber fast jeden treffen. Überstunden, Wochenendarbeit und ständige Erreichbarkeit, schlechte Abgrenzung von der Arbeit, als auch eine fehlende Wertschätzung, sind ausschlaggebende Faktoren, die die Entstehung eines Burn-outs begünstigen. Gerade auch das vielumworbene Homeoffice kann hier zum gesundheitlichen Bumerang werden, da eine adäquate Abgrenzung zwischen Freizeit und Arbeit vielen Menschen schwerfällt.

Kann man ein Burnout präventiv vermeiden, wenn ja wie?

Dr. med. Markus Moser: Ja, man kann ein Burnout präventiv vermeiden. Selbstwirksamkeit steht hierbei im Vordergrund, also die innere Überzeugung selbst einen effektiven Einfluss auf die eigene Gesundheit zu haben. Optionen seitens der Arbeitgeber sind bspw. Trainings zur Förderung der Resilienz, in denen man verstärkt lernt, seine mentale Gesundheit und das psychische Wohlbefinden zu stärken. Bei Helios erhalten beispielsweise alle 73.000 Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, an einer Schulung zur Förderung der Resilienz teilzunehmen und achtsamkeitsbasierte Stressreduktion und Selbstfürsorge zu lernen.

Wie lange dauert die Behandlung eines Burnout-Symptoms?

Dr. med. Markus Moser: Neben der Bereitschaft, aktiv zu werden und sich helfen zu lassen, müssen Menschen, die an einer Depression oder einem Burnout-Syndrom leiden, in erster Linie Besonnenheit mitbringen. Geduld mit sich, mit ihrem Körper und mit ihrer seelischen Gesundheit. Um das eigene Leben neu strukturieren zu können sowie neue Verhaltensstrategien zu etablieren, braucht es in den meisten Fällen vor allem eines: Genügend Zeit und Behutsamkeit mit sich selbst!

Wann sollte man nach einem Burnout wieder anfangen zu arbeiten und sollte man danach wirklich demselben Beruf erneut nachgehen?

Dr. med. Markus Moser: Die Betroffenen sollten gemeinsam mit dem behandelnden Arzt entscheiden, ob Maßnahmen wie ein Arbeitsplatzwechsel notwendig sind und wann die Arbeit wiederaufgenommen werden kann.

Herr Moser, vielen Dank für das Gespräch!