Markus Helmecke ist selbständiger Osteopath in Berlin. Mit ihm sprechen wir über Selbstheilungskräfte des Körpers, osteopathische Behandlungskosten sowie die Ausbildung zum Osteopathen.
Osteopathie ist eine alternative Heilmethode, die auf die Selbstheilungskräfte des Körpers setzt. Auf welchen Grundlagen basiert die Osteopathie?

Markus Helmecke: Osteopathie ist quasi eine Lebensphilosophie. Gerade im letzten Jahr hat es sich in fast allen Lebensbereichen gezeigt: Nichts funktioniert unabhängig – alles ist mit allem verbunden und steht in ständiger Wechselwirkung – im kleinen wie im Großen. Auch der menschliche Körper ist Teil unserer komplexen Welt. Ein besonderes Augenmerk legt die Osteopathie auf die Beziehung zwischen „Struktur und Funktion“. Ein einfaches Beispiel wäre der barfüßige Tritt auf eine Reißzwecke – die kleine Verletzung einer Körperstruktur legt zumindest zeitweise das ganze System Mensch lahm. Therapeutisch denkt man an Muskeln, Faszien, Gelenke oder Gleitebenen von Organen – sind diese strukturell gestört – etwa verkürzt, verletzt oder nicht in ihrer natürlichen Position – entstehen auch funktionelle Probleme, wie schlechtere Zirkulation von Körperflüssigkeiten oder die Ausschüttung von Stresshormonen und damit kann eine ganze Kaskade negativer Folgeketten ausgelöst werden. Dies passiert eigentlich ständig und ist Teil unseres Lebens auf dem Planeten Erde – welch gutes Glück, dass unser Körper stets und ständig und auch ohne unser bewusstes Steuern den Weg zurück zum neutralen Zustand sucht und meist auch findet. Es gibt aber Situationen, in denen ein Organismus nicht von allein zurückfindet und eine körpertherapeutische Hilfe sinnvoll ist, und dann z.B. die trainierten Hände eines Osteopathen den Körper wieder zurück zum Gleichgewicht begleiten.
Osteopathen arbeiten teils ähnlich wie Chiropraktiker. Worin unterscheiden sich die Behandlungsansätze?
Markus Helmecke: Laut meinen Informationen über die historische Entwicklung der Ursprünge unseres Berufes im wilden Westen der USA sind die beiden Wege schon immer nah beieinander. Die Chiropraktik könnte man vermutlich als Meilenstein innerhalb der seit ca. 150 Jahren sich fortan weiter entwickelnden Osteopathie bezeichnen. Die Chiropraktik ist Teil der Ausbildung eines Osteopathen. Hierbei wird „direkt korrigiert“ d.h. ein Gelenk wird kontrolliert und schnell in seine natürliche Position zurückbewegt (manipuliert). Osteopathen arbeiten teilweise wie Chiropraktiker auch sehr manipulativ. Andere bevorzugen die eher „indirekten Techniken“, bei denen nicht die Korrektur am Gelenks selbst stattfindet, sondern die umgebenen Gewebe sanft, aber effektiv behandelt werden. Wieder andere sind mit beiden Ansätzen, je nach Befund des Patienten, erfolgreich.
Viele Krankenkassen übernehmen osteopathische Behandlungskosten. Ist die Branche auf dem Weg aus der Nische in den Mainstream?
Markus Helmecke: Es ist gut, dass es diese Entwicklung gibt, Osteopathie sollte nicht nur einer bestimmten Bevölkerungsgruppe offen stehen . Auch wenn es den einen oder anderen Stolperstein auszuräumen gilt. Für viele gesetzlich Versicherte ist es
noch ungewohnt, für eine therapeutische Leistung Geld zu bezahlen und für Verwirrung sorgt dabei die Vorgabe von vielen gesetzlichen Kassen, dass vor der Behandlung ein Arzt die osteopathische Behandlung empfehlen muss. Dies ist meiner Meinung nach unnötig, da die „osteopathische Medizin“ eigentlich nur von Ärzten oder Heilpraktikern durchgeführt werden darf, die ohnehin selbständig, d.h. aufgrund eigener Diagnostik tätig werden dürfen. Im Begriff Mainstream sehe ich dabei nichts negatives, denn adäquate Therapie an möglichst viele mit Bedarf abzugeben ist doch mehr als wünschenswert.
Welche Ausbildung müssen Osteopathen haben, um eine Praxis eröffnen zu dürfen?
Markus Helmecke: Wir müssen eine Ausbildung an einer offiziellen Osteopathieschule absolvieren. Die Ausbildung dauert mehrere Jahre, in denen neben sehr umfangreicher Theorie gleichzeitig die praktischen Techniken intensiv vermittelt werden. Bei bereits bestehendem medizinischem Beruf wie bei den Physiotherapeuten kann die Ausbildung berufsbegleitend erfolgen oder auch v.a. für Berufseinsteiger als Vollzeitausbildung. Beide Systeme haben Vor- und Nachteile. Des Weiteren muss ein Osteopath auch eine Heilpraktiker-Erlaubnis erlangen und seine Praxis dem Gesundheitsamt anmelden.
Worin unterscheiden sich die Ausbildung und das Studium der Osteopathie?
Markus Helmecke: Ein akademischer Abschluss ist nach einer abgeschlossenen Ausbildung separat möglich und bei einem Studium der Osteopathie von Hause aus angelegt. In unserem Beruf gibt es nie ein Fertig, ein klassischer Osteopath möchte immer noch mehr lernen und erfahren. Die Akademisierung ist wichtig, um medizinisch hohe Standards zu etablieren. Allerdings ist ein Osteopath nur so gut, wie es die Qualität seiner Hände, besser gesagt die Reflexion und Behandlung eines Patienten mit seinem ganzen Wesen, ermöglicht.
Der von mir verwendete Terminus Osteopath schließt unsere hervorragenden Osteopathinnen natürlich mit ein!