Martin Bauer ist Haus- und Sportarzt mit Praxis in Berlin-Schöneberg. Im Interview spricht er über Wirksamkeit und Risiken der verfügbaren Covid19-Impfstoffe.
Es sind mehrere Impfstoffe gegen Covid-19 von unterschiedlichen Anbietern auf dem Markt. Werden Sie sich als Mediziner impfen lassen?
Martin Bauer: Gerade als Mediziner würde ich mich sofort impfen lassen. Ich möchte meine Umgebung, meine Familie und mich vor diesem Virus schützen – und ich sehe das als solidarische Notwendigkeit, vielleicht sogar Pflicht an.
Der mRNA-basierte Impfstoff von Biontech ist der erste synthetische Impfstoff seiner Art. Gibt es Grund für Bedenken oder sind die Argumente von Impfkritikern aus der Luft gegriffen?
Martin Bauer: Seit den neunziger Jahren wird an mRNA-Impfstoffen – insbesondere zur Bekämpfung von Malignomen – geforscht. Dies ist keine neue Technik mehr, sie wurde auch schon früher an Menschen getestet. Nach meinem Kenntnisstand kann mRNA den Zellkern nicht erreichen und eine DNA-Veränderung hervorrufen – schon gar nicht am gesamten Körper in allen Zellen. Ich halte die bisherigen kritischen Argumente für nicht haltbar. Mittlerweile wurde der Impfstoff in einigen Länder schon mehrere hunderttausend Male verimpft, und mir sind bislang drei Fälle von schweren allergischen Reaktionen durch die Medien bekannt – bei
vorbestehenden schweren Allergien bei diesen Menschen! Unter entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen, die bei jeder Impfung eingehalten werden sollten, ist dieser Impfstoff weiterhin als sehr sicher einzustufen.
Braucht Deutschland eine Impfpflicht?
Martin Bauer: Dies ist eine juristische Frage und muss meines Empfindens nach verfassungsrechtlich geprüft werden. Aus einem medizinischen Blickwinkel ist dies wünschenswert, da so Krankenheiten ausgerottet werden können – wie dies schon mit den Pocken und weitestgehend mit der Poliomyelitis geschafft wurde. Dies sind Impferfolge – auch Tetanus und Diphterie kommen bei uns kaum noch vor.
Wie kann man mehr Menschen zur Covid-Impfung motivieren?
Martin Bauer: Durch eine „Belohnungsstrategie“ wäre die Motivation zur Impfung wahrscheinlich zu verbessern: Auch wenn man politisch keinen „CoVid-Ausweis“ möchte, wäre dies sicher ein Motivationsschub, wenn man wieder – weiterhin mit Maske! – ins Kino oder zu anderen Veranstaltungen als geimpfte Person gehen dürfte und vieles andere mehr – vielleicht ab einem bestimmten Zeitpunkt, z. B. Juli 2021, wenn fast alle die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen. Sogenannte „Lockerungen“ können die Impfung attraktiv erscheinen lassen. Inwieweit dies rechtlich umsetzbar wäre, kann ich nicht beurteilen.
Halten Sie es für richtig, dass Unternehmen, z.B. Airlines, es in Erwägung ziehen nur noch geimpften Kunden ihre Dienstleistungen anzubieten?
Martin Bauer: Auch dies ist eine juristische Frage, die ich als Nichtjuristist kaum beantworten kann: Aus medizinischer Sicht ist eine strikte Handhabe – wie schon gesagt – sehr wünschenswert, um die Pandemie schnell in den Griff zu bekommen. Als freiheitsliebender Mensch sehe ich das kritisch. Aber wir müssen begreifen: Das Virus kennt kein Erbarmen und macht keine Pause, schon gar nicht Ferien. Jede Lockerung, jeder unnötige Kontakt, jeder Verstoß gegen die Hygieneregeln kann ernsthafte Folgen für viele Menschen haben. Nur eigenes konsequentes Handeln und Einhalten der Regeln wird erfolgreich sein – da darf und sollte keiner ausbrechen! Das spielt dem Virus in die Karten. Kann er keinen neuen Wirt finden, kann er sich nicht vermehren und niemanden mehr anstecken! Es lebt von der Verbreitung durch „unvorsichtige“ Menschen!
Welche Wege gibt es für eine Herdenimmunität in Deutschland? Ist sowas überhaupt denkbar bei über 80 Millionen Einwohnern?
Martin Bauer: Mir sind nur 2 Wege zur Herdenimmunität bekannt:
1) Durchseuchung durch überstandene Infektion und
2) durch Impfung großer Teile der Bevölkerung. Dabei gibt es bei beiden Wegen, meines Wissens nach, die große unbekannte Variable wie lange die Immunität nach überstandener
Infektion bzw. Impfung anhält. Mir ist zur Kenntnis gekommen, dass es schon wiederholt Fälle von Zweitinfektionen nach gut sechs Monaten gab, so dass eine Einschätzung hier schwierig ist. Einzelfälle sind immer mit Vorsicht zu betrachten und können nicht verallgemeinert werden. Deshalb werden auch nach einer Impfung die AHA-Regeln längere Zeit beachtet werden müssen!
Unser Kenntnisstand über dieses Virus und diese Erkrankung reicht noch nicht aus, um alle Fragen hinreichend sicher beantworten zu können.