Barbara Förster: Mobiles Arbeiten ist nicht gleich Homeoffice

Interview mit Barbara Förster
Barbara Förster ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Pflüger Rechtsanwälte GmbH in Frankfurt am Main. Mit ihr sprechen wir über Telearbeit, Homeoffice sowie mobiles Arbeiten.

Vor allem während der Corona-Pandemie hat das Thema Telearbeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten eine zunehmend größere Rolle eingenommen. Wie unterscheiden sich Telearbeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten im rechtlichen Sinne?

Barbara Förster: Mobiles Arbeiten ist nicht gleich Homeoffice. Die Begriffe Telearbeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten werden in der Praxis oft fälschlicherweise als Synonym verwendet, obwohl sie sich rechtlich und tatsächlich unterscheiden. Für Telearbeit und Homeoffice ist kennzeichnend, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung dauerhaft von seinem Zuhause aus erbringt, bei der sogenannten „alternierenden Telearbeit“ wird die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer sowohl in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers als auch von seinem Zuhause aus erbracht. Ausschlaggebend ist, dass der Arbeitgeber für die Arbeiten außerhalb des Betriebes dem Arbeitnehmer einen sogenannten Telearbeitsplatz fest zu Hause einrichtet, also mit Mobiliar und Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen bereitstellt und installiert. Mobile Arbeit ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung unabhängig von einem festen Arbeitsplatz und einem festen Arbeitsort erbringt. Der Arbeitnehmer kann dann grundsätzlich im Café, zu Hause, beim Kunden oder auf einer Reise arbeiten. Regelmäßig hat der Arbeitnehmer in diesen Fällen auch einen festen Arbeitsort in der Betriebsstätte, erbringt aber nur gelegentlich bzw. unregelmäßig die Arbeit an dem frei zu wählenden Ort außerhalb der Betriebsstätte.

Beim Arbeiten im eigenen Wohnhaus ergeben sich oft arbeitsrechtliche Fragen. Gelten die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes auch für Tele- und mobile Arbeit und welche weiteren arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften gelten hier?

Barbara Förster: Bei der Arbeit im Homeoffice und bei mobilem Arbeiten gelten für die Arbeitszeiten grundsätzlich keine Besonderheiten. Der Arbeitnehmer muss also seine Arbeitsleistung im gleichen Umfang und zu den gleichen Zeiten erbringen, als wenn er in der Betriebsstätte des Arbeitgebers arbeiten würde. Genauso bleiben auch die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes bestehen. Das gilt insbesondere für die werktägliche Höchstarbeitszeit, für Ruhepausen, Mindestruhezeiten und für Sonn- und Feiertagsruhe. Vor allem bleibt aber auch der Arbeitgeber während der Homeoffice-Zeit und dem mobilen Arbeiten verpflichtet, die Einhaltung der entsprechenden Regelungen zu kontrollieren und sicherzustellen. Mit Blick auf die Zielsetzung von Homeoffice- und mobilem Arbeiten, für den Arbeitnehmer die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf zu verbessern, finden sich in vielen kollektiven Vereinbarungen Regelungen, die dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, seine Arbeitszeit flexibler zu gestalten. Eine Möglichkeit ist hier z.B., den Zeitrahmen, innerhalb dessen der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat, weiter zu fassen. Aber auch, wenn Arbeitgeber von einer solchen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch machen, müssen die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes natürlich weiterhin beachtet werden, insbesondere, was Höchstarbeitszeiten und die Ruhepausen angeht. Neben den Vorschriften zum Arbeitszeitgesetz gelten bei Homeoffice und Telearbeit und mobilem Arbeiten auch die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes. Der Arbeitgeber muss also bei all diesen Arbeitsformen grundsätzlich sicherstellen, dass Gefährdungen des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden. Die umfassenden Regelungen der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) gilt hingegen nur für Telearbeiten und Homeoffice. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber für die Sicherstellung dieser Vorschriften verantwortlich bleibt, er also dafür Sorge tragen muss, dass der Arbeitnehmer zu Hause einen ergonomisch eingerichteten Arbeitsplatz hat und auch im Wege einer Gefährdungsbeurteilung sicherstellen muss, dass der Arbeitnehmer an dem Homeoffice-Arbeitsplatz keinen Gefährdungen ausgesetzt ist. Diese Verantwortlichkeit gilt sowohl für die Umsetzung als auch für die Kostenübernahme. Im Hinblick auf die mobile Arbeit werden hier allerdings teilweise Einschränkungen vorgenommen, wie etwa die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Abs. 1 ArbSchG, die Unterweisung des Arbeitnehmers nach § 12 ArbSchG oder etwa die Betriebssicherheitsverordnung gelten bei mobiler Arbeit nur eingeschränkt. Die Arbeitsstättenverordnung findet bei der mobilen Arbeit keine Anwendung. Das ist auch nachvollziehbar, weil der Arbeitgeber aufgrund des unbestimmten Arbeitsortes hier nicht in die Verantwortung genommen werden kann, ob der vom Arbeitnehmer frei gewählte Arbeitsort auch den entsprechenden Sicherheitsvorschriften entspricht.

Auch beim Arbeiten von Zuhause können Verstöße gegen Arbeitszeiten geahndet werden. Welche Sanktionen drohen bei Nichtbeachtung der Arbeitszeit und der Arbeitsschutzvorschriften?

Barbara Förster: Bei einem potenziellen Arbeitszeitbetrug hat der Arbeitgeber die gleichen rechtlichen Möglichkeiten, als wenn der Arbeitnehmer den Arbeitszeitbetrug in der Betriebsstätte verübt hätte. Das heißt, der Arbeitszeitbetrug kann von einer Abmahnung, bis hin zu einer fristlosen Kündigung geahndet werden.

Allerdings gilt auch für den Arbeitgeber, dass – sofern er seiner Verpflichtung zur Überprüfung und Sicherstellung der Einhaltung der Vorgaben nach dem ArbZG nicht nachkommt – ebenso mit Sanktionen seitens der Ordnungsbehörden zu rechnen hat. Es empfiehlt sich daher, durch klare Regelungen die Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten auf den Arbeitnehmer zu delegieren. Auch bei Nichteinhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften drohen schlimmstenfalls Bußgelder und Regressforderungen der Berufsgenossenschaft.

Was kann der Arbeitgeber gegen einen mutmaßlichen Arbeitszeitbetrug beim Arbeiten im Homeoffice tun?

Barbara Förster: Natürlich liegt es aber in der Natur der Sache, dass ein Arbeitszeitbetrug im Rahmen von mobilem Arbeiten oder auch im Falle von flexiblen Arbeitszeitmodellen außerhalb der Betriebsstätte oft umso schwerer nachzuweisen ist, als wenn der Arbeitnehmer „vor Ort“ in der Betriebsstätte seine Arbeitsleistung erbringt. Sollte der Arbeitgeber feststellen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten nicht wie vereinbart einhält, weil z.B. auch die Arbeitsergebnisse von denen, wie sie in der Betriebsstätte erbracht wurden, qualitativ oder quantitativ abweichen, sollte er das Homeoffice bzw. die Möglichkeit, mobil zu arbeiten, zunächst einmal widerrufen und je nach Verstoß auch die übrigen arbeitsrechtlichen Konsequenzen ziehen, wie der Ausspruch einer Abmahnung bis hin zu einer Kündigung. Ziel sollte es allerdings sein, dass der Arbeitgeber bereits im Vorfeld die Rahmenbedingungen so gestaltet und klar kommuniziert, dass es nach Möglichkeit erst gar nicht zum Arbeitszeitbetrug kommt. Wichtig ist, die Mitarbeiter für die Einhaltung der Arbeitszeit auch im Homeoffice und bei der mobilen Arbeit durch Aufklärung bereits von Anfang an zu sensibilisieren. Darüber hinaus sollten auch technische Voraussetzungen zur Aufzeichnung der Arbeitszeit aus dem Homeoffice und während der mobilen Arbeit geschaffen werden.

Technische Möglichkeiten zur Überwachung von Arbeitnehmern gibt es zuhauf. Aber darf der Arbeitgeber seine Mitarbeiter beim Arbeiten zuhause überhaupt überwachen und welche Möglichkeiten sind dabei legal und welche nicht?

Barbara Förster: Grundsätzlich gilt bei der Arbeitnehmerüberwachung im Homeoffice nichts anderes als am üblichen Arbeitsplatz: technisch mag zwar vieles möglich sein, aber nicht jede Form der Überwachung ist auch zulässig. Eine Mitarbeiterüberwachung ist aber in sehr engen Grenzen grundsätzlich anerkannt, um Verstöße des Arbeitnehmers gegen arbeitsvertragliche Pflichten feststellen zu können. In jedem Fall muss dabei aber der Datenschutz, die individuellen Rechte der Arbeitnehmer sowie die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beachtet werden. Für die Überwachung im Homeoffice heißt das, dass der Arbeitgeber die Arbeitszeit der Arbeitnehmer erfassen kann und muss. Eine Auswertung der Login-Daten wäre daher in Grenzen der Mitbestimmung und des Datenschutzes als zulässig anzusehen. Ganz anders sieht es aber mit dem Einsatz von Spionagesoftware auf dem PC aus, um die Aktivitäten des Mitarbeiters aufzuzeichnen oder dem Einsatz eines Detektivs, der kontrolliert, ob der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit im Homeoffice bleibt. Ebenso sieht es mit der Überwachung mittels Kamera oder GPS aus. Der Arbeitgeber darf keinesfalls heimlich und ohne Wissen den Arbeitnehmer mittels dieser Technik überwachen. Das wäre nur bei einem dringenden Verdacht einer Straftat oder gravierenden Pflichtverletzungen erlaubt. In jedem Fall hat der Arbeitgeber stets die individuellen Rechte der Arbeitnehmer zu beachten, weil grundsätzlich erst einmal jede Form der Mitarbeiterüberwachung gegen das Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verstößt. Nur, wenn die gewählte Maßnahme verhältnismäßig ist und ein „Erlaubnisgrund“ für die Überwachung im Sinne des Datenschutzes gegeben ist, kann der Arbeitgeber dann auch tätig werden.

Frau Förster, vielen Dank für das Gespräch!

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