Caroline Charissé: Auf Schwankungen im Beschäftigungsbedarf reagieren

Interview mit Caroline Charissé
Caroline Charissé ist Rechtsanwältin in der WSW-Kanzlei in Offenburg. Mit ihr sprechen wir über Wiedereinstellungszusage, schriftliche Vereinbarung sowie Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung.

Nach einer Kündigung wird manchen Arbeitnehmern gesagt, dass man sie in ein paar Monaten, wenn der Bedarf an Arbeitskräften erneut steige, wieder einstellen werde. In welchen Branchen ist so etwas üblich und wie unterscheidet sich die Wiedereinstellungszusage von einer Wiedereinstellungsvereinbarung?

Caroline Charissé: Die Kündigung verbunden mit dem Versprechen der Wiedereinstellung wird allgemein gesprochen meistens vom Arbeitgeber genutzt, um auf Schwankungen im Beschäftigungsbedarf zu reagieren. Insbesondere in witterungsabhängigen Branchen ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Saisonende verbunden mit einem Versprechen der Wiedereinstellung zum nächsten Saisonbeginn nicht ungewöhnlich. Dieses Vorgehen wird oft gewählt, wenn die genaue Dauer des jeweiligen Beschäftigungsbedarfs nicht absehbar ist, z.B. weil die Öffnungszeit eines Gartenlokals von den Außentemperaturen im jeweiligen Jahr abhängig gemacht wird. Der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags gestaltet sich in diesem Fall schwierig, weil die Planungssicherheit fehlt. Oder ein Auftragsengpass veranlasst den Arbeitgeber dazu das Arbeitsverhältnis zu beenden, jedoch mit der Hoffnung es bald wieder aufnehmen zu können. Ob die Kündigung in einem solchen Fall rechtswirksam ist, ist eine andere Frage. Das Instrument ist jedoch nicht nur in bestimmten Branchen relevant. Im Zusammenhang mit einem Aufhebungsvertrag kann es auch genutzt werden, um den Arbeitsvertragsparteien eine Unterbrechung des Arbeitsvertrags zu ermöglichen. Zum Beispiel damit der Arbeitnehmer eine Weiterbildung durchführen oder eine Auszeit nehmen kann, deren Dauer nicht exakt absehbar ist oder wenn aus anderen Gründen keine Ruhendstellung des Arbeitsverhältnisses gewünscht ist. Letzteres kann z.B. der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Konzerns für eine nicht absehbare Zeit für ein Unternehmen im Ausland tätig werden und die Sicherheit bekommen soll, im Anschluss wieder einen Arbeitsplatz in Deutschland zu erhalten.Der Unterschied zwischen einer Wiedereinstellungszusage und einer Wiedereinstellungsvereinbarung liegt i.d.R. in der Bindung auf Arbeitnehmerseite. Bei einer Wiedereinstellungszusage verpflichtet sich der Arbeitgeber, zu einem späteren Zeitpunkt einen Arbeitsvertrag abzuschließen, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin dies wünscht. Für Arbeitnehmer ist die Wiedereinstellungszusage damit eine Option, die sie bei gegebener Zeit ausüben oder verfallen lassen können. Bei der Wiedereinstellungsvereinbarung hingegen verpflichten sich in aller Regel sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall kein Wahlrecht, er ist an die Vereinbarung ebenso gebunden wie der Arbeitgeber.

Die Zusage der Wiedereinstellung muss in einer besonderen Form festgehalten werden. Können Sie uns sagen, was genau in eine schriftliche Vereinbarung gehört?

Caroline Charissé: Weder die Wiedereinstellungszusage noch die Wiedereinstellungsvereinbarung unterliegen streng genommen besonderen Formvorgaben. Vielmehr steht es den Parteien frei, alle Abreden auch mündlich zu treffen. Davon ist jedoch wegen der Darlegungs- und Beweislast dringend abzuraten. Vielmehr ist unbedingt geboten, solche Absprachen zumindest in Textform, besser in Schriftform, d.h. mit Unterschrift des/der Erklärenden festzuhalten. Inhaltlich sollte das Zugesagte so präzise wie möglich beschrieben werden: insbesondere der Zeitraum oder Zeitpunkt des Wiederantritts sollte genau bezeichnet werden. Hinsichtlich der übrigen Arbeitsbedingen kann entweder auf den vorherigen Arbeitsvertrag verwiesen oder etwas hiervon Abweichendes vereinbart werden. Auch die Umsetzung sollte exakt beschrieben werden, d.h.: wer muss wann was tun, damit ein neuer Arbeitsvertrag zustande kommt. Der Arbeitnehmer sollte insbesondere darauf achten, dass unmissverständlich deutlich wird, dass ihm ein Anspruch auf die Wiedereinstellung zusteht und es sich nicht nur um ein unverbindliches Inaussichtstellen handelt. Je genauer und klarer die Vereinbarung ausgestaltet wird, desto mehr Rechtssicherheit bietet sie.  Als Beispiel: Wird eine Wiedereinstellung „im Frühjahr“ vereinbart, so ist dies sehr ungenau und die (gerichtliche) Durchsetzung des Anspruchs wird sich schwierig gestalten. Es könnte schon darüber gestritten werden, wann das Frühjahr beginnt und ob auch eine Einstellung erst Ende des Frühjahrs noch der Zusage entspricht.

Inwiefern kann die Zusage zur Wiedereinstellung ein Trick des Arbeitgebers sein und wie profitiert dieser davon?

Caroline Charissé: Denkbar wäre, dass ein Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht und diese mit einer nur mündlichen und/oder sehr wagen Zusage der Wiedereinstellung zu einem späteren Zeitpunkt verbindet. Unlauter handelt dieser Arbeitgeber dann, wenn er entgegen seiner Bekundung  nicht die Absicht hat, den Arbeitnehmer wieder einzustellen, sondern nur darauf hofft, dass der Arbeitnehmer im Vertrauen auf eine Wiedereinstellung nicht gerichtlich gegen die unter Umständen unwirksame Kündigung vorgeht. Infolge lässt der gekündigte Arbeitnehmer die dreiwöchige Frist des § 4 KSchG zur Erhebung der Kündigungsschutzklage verstreichen, wodurch die Kündigung in aller Regel unangreifbar wird. Verlangt der Arbeitnehmer die versprochene Wiedereinstellung, bestreitet der unredliche Arbeitgeber die Zusage oder verweist auf deren Unverbindlichkeit. Er hätte damit das Ziel erreicht, das Arbeitsverhältnis zu beenden, obwohl unter Umständen die Kündigung nicht wirksam gewesen wäre. Dies erspart ihm den Aufwand und die Kosten einer Kündigungsschutzklage, möglicherweise die Zahlung einer Abfindung oder ermöglicht es ihm überhaupt das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Welche Rechtsfolgen treten ein, wenn der Arbeitgeber die Vereinbarung oder Zusage nicht einhalten will?

Caroline Charissé: Kann der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass eine ausreichend bestimmte Wiedereinstellungszusage oder – vereinbarung existiert, hat er einen entsprechenden Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Dieser Wiedereinstellungsanspruch kann gerichtlich durchgesetzt werden. Die Klage richtet sich vereinfacht ausgedrückt darauf, dass das Gericht den Arbeitgeber verurteilt, mit dem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen oder den Neuabschluss anzuerkennen. Es werden in der Praxis viele rechtlich unterschiedlich einzuordnende Vereinbarungen und Zusagen verwendet. Der Inhalt hat infolge auch Einfluss auf die Art der Durchsetzung. Je nach Ausgestaltung der Zusage oder Vereinbarung kommen im Falle der Weigerung des Arbeitgebers auch Ansprüche des Arbeitnehmers auf Zahlung der vereinbarten Vergütung ab dem Zeitpunkt der zugesagten Wiedereinstellung und Schadenersatzansprüche, insbesondere infolge des Verzugs des Arbeitgebers mit seiner Verpflichtung in Betracht. Ist die Zusage jedoch zu unverbindlich formuliert oder mangels Dokumentation nicht nachweisbar kann der Arbeitnehmer in aller Regel die Wiedereinstellung nicht erreichen.

Viele Arbeitnehmer realisieren erst in was für einer Situation sie sind, nachdem es schon zu spät ist. Was raten Sie Arbeitnehmern, falls diese sich nicht sicher sind, ob die Zusage des Arbeitgebers ernst gemeint ist?

Caroline Charissé: Es gilt der Grundsatz: „Wer schreibt, der bleibt“. Wer sich nicht auf das bloße „Wort“ seines Arbeitgebers verlassen möchte, sollte unbedingt eine schriftliche Zusage bzw. Vereinbarung verlangen und diese von einem rechtskundigen Berater inhaltlich überprüfen lassen. Im Falle des Erhalts einer Kündigung ist es ohnehin ratsam rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, und zwar wegen der nur 3-wöchigen Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage möglichst umgehend. Aber auch Arbeitgeber sollten sich vor einer solchen Zusage oder Vereinbarung rechtliche beraten lassen, wenn sie sicher gehen wollen, dass sie nicht unversehens etwas versprechen, was sie nicht erfüllen können oder möchten.

Frau Charissé, vielen Dank für das Gespräch!

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