Eva Queißer-Drost: Berufliche Neuorientierung

Interview mit Eva Queißer-Drost
Eva Queißer-Drost ist Inhaberin von Coaching Studio Berlin. Mit ihr sprechen wir über fehlende Sinnhaftigkeit, Suche nach der Bedeutsamkeit sowie berufliche Tätigkeit.

Es gibt zahlreiche Gründe, warum Beschäftigte unzufrieden mit ihrem Job sind. Für viele ist aber eine berufliche Neuorientierung keine Option. Was sind die häufigsten Gründe, die zu einer Jobunzufriedenheit führen?

Eva Queißer-Drost: Am häufigsten führt fehlende Sinnhaftigkeit der Tätigkeit zur Unzufriedenheit. Denn wir alle suchen nach einer gewissen Bedeutsamkeit im Leben. Ob die berufliche Tätigkeit von uns als sinnvoll erlebt wird, ist sehr individuell. Im Prinzip kann jede Arbeit sinnvoll sein. Unsere Wertevorstellungen verändern sich mit unserer Lebenserfahrung. So kann in jüngeren Jahren etwas sinnvoll erscheinen, was zehn Jahre später nicht mehr stimmig ist. Dann ist es an der Zeit, die Sinnfrage für sich neu zu bearbeiten, um aktuelle Antworten zu finden und sich ggf. neuen Herausforderungen zu stellen.

Unzufriedenheit im Job kann zudem durch das Fehlen erkennbarer Entwicklungsmöglichkeiten entstehen. Hierbei unterschätzen Beschäftigte oft ihren eigenen Gestaltungsspielraum! Wer seine Ziele und Möglichkeiten wirklich kennt, wird einen Weg finden, diese zu erreichen. Und wenn eine berufliche Neuorientierung keine Option zu sein erscheint, ahnt man vielleicht, dass es eher eine neue Strategie braucht, um sich in der aktuellen Tätigkeit weiterzuentwickeln. Diese Menschen stecken quasi fest, weil ihnen ein Impuls von außen fehlt, der ihre Gedanken wieder in konstruktive Bahnen lenkt. Auch Unter- oder Überforderung sowie anhaltende Konfliktsituationen sind Gründe, warum sich Beschäftigte beruflich neu orientieren. In meiner Coachingpraxis erlebe ich oft, dass diese Themen miteinander verstrickt sind.

Woher weiß man, dass es Zeit ist den Job zu wechseln, um sich neuen Herausforderungen zu stellen?

Eva Queißer-Drost: Wir erleben dann einen starken inneren Widerstand und einen hohen Leidensdruck, der auch das Privatleben überschattet. Auf der körperlichen Ebene können Symptome wie Schlafstörungen, Nervosität, Verdauungsstörungen etc. beobachtet werden. Bevor es tatsächlich zu einem Jobwechsel kommt, reflektieren viele Beschäftigte ihre berufliche Situation mit einem Business Coach. Durch eine professionelle Begleitung im Karrierecoaching kann die Quelle der Unzufriedenheit aufgedeckt und eine Richtung für die berufliche Weiterentwicklung besprochen werden.

Viele Beschäftigte über 35 haben Hemmungen sich neu zu orientieren. Kann man im fortgeschrittenen Alter noch adäquat Karriere machen?

Eva Queißer-Drost: Mit steigender Berufs- und Lebenserfahrung eröffnen sich sogar ganz neue Betätigungsfelder! Für etliche Tätigkeiten braucht es eine gewisse Souveränität oder auch Kontakte, die man sich mit der Zeit beruflich aufgebaut hat. Und manchmal dauert es etwas länger, die eigene Berufung zu finden – oder den Mut, ihr zu folgen. 

Bei einigen Menschen entpuppen sich die Hemmungen für eine berufliche Neuorientierung auch als wertvolle Ressource. Diese können im Coaching entschlüsselt werden. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Wunsch nach beruflicher Veränderung unbewusst eine Flucht vor nicht gelösten Schwierigkeiten im Arbeitskontext ist. Dann stehen diese Themen im Vordergrund und die berufliche Veränderung kommt zur passenden Zeit.

Ein Neuanfang ist immer schwer. Wie kann man mentale Hürden der Neuorientierung überwinden?

Eva Queißer-Drost: Dem möchte ich optimistisch Hermann Hesse entgegensetzen: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …“ Eine gute Vorbereitung, z.B. in einem begleitenden Coaching, kann den Neuanfang ebnen. Wer die Erwartungen an die neue Rolle klar hat und sich der eigenen Stärken (wieder) bewusst ist, darf auf die zauberhafte Energie eines Neuanfangs vertrauen.

Aber natürlich bedeutet eine berufliche Veränderung auch das Verlassen der Komfortzone. Wir begeben uns auf noch unbekanntes Terrain und müssen uns neu orientieren. Das kostet Energie und birgt einige Unsicherheiten. Schließlich geben wir einen Job und ein Arbeitsumfeld auf, in dem wir die Erwartungen an uns weitgehend abschätzen können. 

Was muss man also tun, damit eine berufliche Neuorientierung gelingt?

Eva Queißer-Drost: Zunächst sollten wir uns darüber klar sein, was durch die berufliche Neuorientierung eigentlich anders sein und was bewahrt werden soll. Die eigenen beruflichen Werte und Ziele sollten präsent sein. Sind die Ziele gesteckt, würde ich z.B. für Führungskräfte ein begleitendes 100-Tage-Coaching empfehlen. Denn in dieser Zeit werden wichtige Weichen für den Erfolg in der neuen Position gestellt.

Was raten Sie Beschäftigten, die mit dem Gedanken spielen, den Beruf zu wechseln?

Eva Queißer-Drost: Wir alle streben stets nach Stimmigkeit im Leben. Ist diese Kohärenz im beruflichen Umfeld nicht mehr gegeben, steht eine Veränderung an. Diesem Impuls sollten wir nachgehen. Ob ein beruflicher Wechsel tatsächlich die Lösung ist, kann in einem Veränderungscoaching erarbeitet werden. 

Frau Queißer-Drost, vielen Dank für das Gespräch!

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Eva Queißer-Drost

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