Katharina Hain: Flexible Arbeitskonzepte stehen weit oben auf der Personal-Agenda

Interview mit Katharina Hain
Katharina Hain ist Leitung Employer Branding & Recruitment HAYS. Im Interview sprechen wir mit ihr über traditionelle und ausgefallene Bewerbungen sowie Ablauf eines Bewerbungsgesprächs.

BewerberInnen sind sich uneins, ob das Passfoto oben rechts nicht längst out ist in Deutschlands Personalabteilungen. Ist die traditionelle Bewerbung noch zeitgemäß?

Katharina Hain: Dazu sollte man zunächst wissen, dass Deutschlands Personalabteilungen in Bezug auf den Umgang mit dem Bewerbungsfoto sehr unterschiedliche Standards haben. Handelt es sich beispielsweise um ein fortschrittliches Unternehmen oder Start-up, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass kein Passfoto mehr benötigt wird. Wird man allerdings bei einem traditionellen Konzern vorstellig, kann man davon ausgehen, dass hier auch bei den Bewerbungen eher „klassisch“ vorgegangen wird. Unter dem Strich lässt sich aber sagen, dass das Bild eines Menschen in jedem Fall den ersten Eindruck komplettiert. Personaler, die Bewerbungen ohne Foto erhalten, recherchieren nicht selten gleich im Anschluss in sozialen Netzwerken wie XING oder Linked-In, um zu erfahren, mit wem sie es überhaupt zu tun haben. Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die Tendenz eher weg vom Passfoto geht. Es geht darum, dass ein Bild eines Menschen eine gewisse Voreingenommenheit beim Personalmitarbeiter erzeugen kann, er beispielsweise unbewusst nach seiner Hautfarbe beurteilt wird, und nicht nach seinen Kompetenzen. In den USA wird auf diesen Aspekt in den Bewerbungsverfahren bereits sehr stark geachtet.

Was halten Sie von ausgefallenen Bewerbungen, die den üblichen Rahmen mehr oder weniger sprengen?

Katharina Hain: Insgesamt betrachtet, ist der Grad der Kreativität immer sehr stark von der Branche und der Firma abhängig. Bewirbt man sich beispielsweise bei einer Werbeagentur, gehört ein gewisses Maß an Kreativität (z.B. ein Bewerbungsvideo) dazu, um überhaupt in die engere Wahl zu gelangen. Generell gilt:  wenn Kreativität im Mittelpunkt steht, sollte das auch die Bewerbung widerspiegeln. Allerdings ist von zu viel Kreativität auch abzuraten, wenn sie auf Kosten der Struktur und Übersichtlichkeit geht. Das Design des Lebenslaufes sollte immer übersichtlich und nachvollziehbar sein. Zudem gilt: ohne einen aussagekräftigen, pointierten Inhalt nutzt auch die beste Verpackung nichts. Kleiner Tipp: am besten sind kreative Ansätze bei Initiativbewerbungen aufgehoben, da sich der Bewerber darüber am besten von anderen differenzieren kann.

Welche Tipps können Sie für die Bewerbungsunterlagen geben? 

Katharina Hain: Hier sollten sich alle Bewerber zunächst mit der Tatsache anfreunden, dass ihre Bewerbung heute zuerst durch eine maschinelle Vorselektion, also ein Bewerbermanagementsystem, läuft.  Das bedeutet, dass alle Unterlagen eine Maschinenlesbarkeit aufweisen sollten. Hier geht es darum, die Anordnung der Struktur des Lebenslaufes sowie der Beschreibung des Profils möglichst linear anzufertigen. Die maschinelle Vorauswahl richtet sich dann beispielsweise nach entsprechenden Keywords aus, die mit der gesuchten Position abgeglichen werden, oder sie erkennen die Positionierung des Namens, der Kontaktdaten und der beruflichen Erfahrung. Zudem sollten alle Bewerbungsunterlagen einen aufgeräumten und sauberen Eindruck machen und jederzeit digital verfügbar sein.

Was ist entscheidend im Bewerbungsgespräch?

Katharina Hain: Im Hinblick auf eine hybride Arbeitswelt in der Bewerbungsgespräche zunehmend per Video stattfinden, kommt es insgesamt besonders darauf an, seine Persönlichkeit so gut es geht, wirken zu lassen. Denn virtuell sind Gesprächsverläufe häufig nicht so intuitiv, das heißt, Bewerber*innen sollte sich gut auf fachliche, aber auch persönliche Fragen vorbereiten. Jüngere Bewerber*innen trauen sich häufig nicht zu „unterbrechen oder wissen nicht so genau, wann sie am besten ins Gespräch einsteigen sollen. Das wird durch die Bewerbung über den PC natürlich nochmals stärker deutlich. In diesem Zusammenhang auch ganz wichtig: zeigen Sie, wie flexibel und offen Sie mit unterschiedlichen Situationen zurechtkommen, auch wenn der Ton mal weg ist. Für gestandene Führungskräfte gilt eher: anstatt große Überlegenheit durch viel Erfahrungen zu demonstrieren, besser zeigen, dass man auch nach jahrelangem beruflichem Aufstieg immer noch in der Lage ist, sich an neue Aufgabenstellungen anzupassen. 

Welche Faktoren versuchen Sie in Ihrem Unternehmen vor eine Einstellung zu erörtern?

Katharina Hain: Da gibt es drei zentrale Fragen: Kann die Person das, was sie verspricht? Was treibt die Person an (z.B. nur das Gehalt oder auch die eigene Entwicklung)? Und passt die Person zur Unternehmenskultur?  

Wie wichtig ist die Work-Life-Balance, schließlich kann das System nicht in jeder Branche berücksichtigt werden?

Katharina Hain: Insgesamt betrachtet steigt der Anspruch sowohl seitens der Bewerber*innen als auch seitens der Mitarbeiter, sich Arbeit- und Privatleben individuell einzuteilen und dem Job nicht mehr die höchste Priorität einzuräumen. Die Fachwelt spricht hier bereits von der Work-Life-Integration. Dieser Anspruch hat sich nicht zuletzt durch die Homeoffice-Zeiten während der Pandemie nochmals gefestigt. Viele Personalentscheider sehen diesen Punkt und wissen auch, dass sie immer stärker auf die individuellen Arbeitsbedürfnisse ihrer Bewerber*innen eingehen müssen. Denn sowohl bei ihnen als auch den eigenen Mitarbeiter*innen geht es am Ende des Tages darum, sie produktiv und leistungsfähig zu halten und sie dauerhaft zu binden. Flexible Arbeitskonzepte stehen heute sehr weit oben auf der Personaler-Agenda.

Welche Berufe werden derzeit in Ihrem Unternehmen gesucht? Stellen Sie langfristig ein?

Diese Frage würden wir gerne aus Expertensicht des Personaldienstleisters beantworten, nicht aus Arbeitgebersicht:

Katharina Hain: Wie unser quartalsweise erhobener Fachkräfte-Index zeigt, werden deutschlandweit besonders Fach- und Führungspositionen in den Branchen Informationstechnologie, Chemie- und Pharma, aber auch im verarbeitenden Gewerbe oder im Personalwesen und Vertrieb gesucht. Dabei beobachten wir, dass sich je nach Branche und Position das Bild der Beschäftigung immer stärker verändert. Nehmen wir den Bereich Ingenieurswesen, hier zeichnet sich ein Zuwachs an Planungs- und Bauingenieuren ab, hingegen Antriebsingenieure, die Könige des Verbrennungsmotors aus der Vergangenheit, müssen sich vermutlich schnell intern umschulen lassen, ihr Job wird in seiner jetzigen Form immer weniger nachgefragt. 

Frau Hain, vielen Dank für das Gespräch!

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