Katrin Seidel: Braucht man ein Managementtraining?

Interview mit Katrin Seidel
Katrin Seidel ist Geschäftsführerin der bfkm GmbH / Die Trainingscompany in Halle. Mit ihr sprechen wir über erfolgreiche Manager, Führungskräftetrainings sowie Wandel der Arbeitswelt.

Es gibt eine zunehmende Zahl von Instituten und freien Trainern, die das Internet mit Angeboten im Managementtrainingssektor überschwemmen. Was macht einen erfolgreichen Manager eigentlich aus, und benötigt der überhaupt ein Führungskräfteseminar?

Katrin Seidel: Ja, es ist wahr: Es gibt unheimlich viele freie Trainer und das Angebot an Managementtrainings bzw. Führungskräftetrainings ist riesig groß. Selbst Mitte der Neunzigerjahre, als ich begann als Trainerin zu arbeiten, gab es schon um die 400.000 freie Führungskräftetrainer. Ich weiß nicht, ob sich die Anzahl verändert hat oder nur die Angebote.

Ja, und braucht es ein Führungskräfteseminar? Das braucht es auf jeden Fall, aber eines der ganz anderen Art. Früher haben wir Techniken gelernt und uns über Führungsstile unterhalten. Heute ist es umso wichtiger, über unsere Rolle und Verantwortung zu sprechen und dem auf den Grund zu gehen, was Leadership wirklich für uns bedeutet. Statt verschiedener Techniken steht für mich heute die eigene persönliche Weiterentwicklung an erster Stelle. War sie früher noch Luxus, so ist sie heute für mich absolut notwendig.

Wenn ja, warum sind zunehmend weitere Kompetenzen heutzutage für Manager gefragt?

Katrin Seidel: Wir befinden uns derzeit in einem Wandel der Arbeitswelt. Wie im Zeitalter der Industrialisierung, als die Arbeitsprozesse kompliziert wurden und wir diese in Einzelschritte zerlegt haben, so sind heute unsere Arbeitswelten komplex.

Entscheidungen und Verantwortungen können nicht mehr vom Einzelnen getragen werden. Es braucht die Eigenverantwortung und das eigenständige Handeln jedes Mitarbeiters. Somit sind meine Mitarbeiter wesentlich mehr als früher mit mir auf Augenhöhe und mir im gewissen Sinne gleichgestellt. Das erfordert von mir, um wirklich in Führung zu bleiben, ein ganz anderes persönliches Standing als noch vor 20 Jahren. War es früher wichtig, meine Professionalität zu zeigen und Berufliches von Privatem strikt zu trennen, so geht es heute um Beziehung, um die gemeinsame Gestaltung von Arbeitswelten und der Verbindung zwischen einer Führungskraft und den Mitarbeitern auch über große Distanzen hinweg.

Sind quantitative Ziele wie Wachstum, Rendite und Umsatz immer noch der Hauptfokus einer Managementspitze?

Katrin Seidel: Wir befinden uns im Wandel der Arbeitswelt, was gleichermaßen auch ein gesamtgesellschaftlicher Wandlungsprozess ist. Und natürlich ist es für ein Unternehmen wichtig, auch Wachstum, Rendite und Umsatz im Blick zu haben. Ich gehe davon aus, dass   diese Punkte für die meisten Unternehmen immer noch Hauptfokus sind. Doch ich nehme auch wahr, wie viel Geld für Mitarbeiter-Recruiting und Mitarbeiterbindung ausgegeben wird. Hier sehe ich einen großen Hebel für Führungskräfte. Diese Punkte haben meines Erachtens an Priorität zugenommen. Es gibt gute Vorreiter, deren Fokus anders gesetzt ist. Schauen wir uns Bodo Janssen an, der mit seiner eigenen Geschichte im Film „Die stille Revolution“ einen anderen Fokus setzt. Schauen wir uns Götz Werner an, der neben Wachstum, Rendite und Umsatz u. A. mit konsequentem Wandel und mehr Entscheidungsfreiheit für Mitarbeiter einen weiteren Fokus legt. Für mich stellt sich nicht die Frage, ob das eine oder das andere, sondern welche Dinge gleichwertig im Fokus stehen.

Können Sie kurz erklären, was ein Managementtraining umfasst und welche gängigen Lernziele verfolgt werden?

Katrin Seidel: Diese Frage kann ich natürlich nicht all umfassend, aber aus meiner Perspektive beantworten.

Wenn wir als bfkm | Die Trainingscompany Trainings für Führungskräfte planen, dann ist es für uns wichtig einen Part zum Verständnis des menschlichen Handelns zu integrieren. Diesen nennen wir immer gern: „Wie tickt der Mensch“. Wir integrieren Teile wie: „Meine Rolle als Führungskraft“, Grundhaltungen, Handlungsprinzipien und „Meine Visionen bzw. meine Werte als Führungskraft“.

Ein großer Bestandteil ist die Art und Weise der Kommunikation. Hier legen wir Wert darauf, dass ein systemisches Grundverständnis vermittelt wird. Der Teil „Die Führungskraft als Coach“ ist ebenfalls immer dabei.

Wichtig finde ich es auch, dass wir das Thema „Missbrauch von Führung“ gelegentlich besprechen. Denn sind wir mal ehrlich: In Führung geht es immer auch um Macht. Und wenn ich Macht habe, erkenne ich den Charakter. In dem Führungsbild, welches wir vorgelebt bekommen haben, ist dabei noch einiges an Missbrauch von Führung zu erkennen. Mitarbeiter werden gefördert, solange sie meiner Meinung sind. Widersetzen sie sich meiner Meinung, werden sie teilweise von heute auf morgen einfach fallen gelassen. Das nenne ich Missbrauch von Führung.

Natürlich gibt es auch klassische Elemente, die wir integrieren, wie zum Beispiel anlassbezogene Gesprächsführung, Umgang mit Konflikten und Deeskalationsstrategien. Wichtig für uns ist, mit den Führungskräften darüber ins Gespräch zu kommen, was sie wie tun können, um ihre Mitarbeiter in ihre eigene Kraft, bzw. in ihre eigene Stärke zu bringen, sodass sie zukünftig eigenverantwortlich im Sinne des Unternehmens handeln. Zur eigenen Stärke gehört für uns auch der Punkt, sich seiner selbst und seiner Rolle wirklich bewusst zu sein.

Manchmal sage ich gern: Ich bezahle Führungskräfte, damit sie meine Sicht durch die ihre ergänzen, damit sie sich mit mir im Sinne der Organisation um die beste Lösung streiten. Wenn ich das von meinen Führungskräften erwarte, dann braucht es den Raum und die Möglichkeit, in dem sie sich selbst in einen tiefen persönlichen Weiterentwicklungsprozess begeben können. Hier sehe ich meine Verantwortung in der Führung.

Ist ein Managementtraining sinnvoll und kann das Führungsverhalten dadurch wirklich nachhaltig verbessert werden?

Katrin Seidel: Ein Managementtraining öffnet mich für eine neue Sichtweise, kann meinen Horizont erweitern und kann mir einige Techniken und Tools mit an die Hand geben. Es bietet mir einen geschützten Übungsraum und den Austausch mit Gleichgesinnten und ist damit wertvoll für bestimmte Entwicklungsschritte.

Damit das Führungsverhalten wirklich nachhaltig verbessert, oder ich sag mal lieber verändert werden kann, braucht es eine langfristige Begleitung. Hier setzen wir auf individuelles Einzelcoaching, die Begleitung in regelmäßigen Supervisionen, aber auch auf den monatlich moderierten aktiven Austausch mit Gleichgesinnten. Und ja, dann kann ich mein Verhalten positiv im Sinne von Leadership verändern. Ich darf sozusagen in die Rolle hineinwachsen, mich als Lernende verstehen und mich mit den Herausforderungen immer wieder neu weiterentwickeln.

Was halten Sie vom Training für Führungskräfte und worauf sollte bei der Wahl der Trainings-Seminare und des Coaches geachtet werden?

Katrin Seidel: Wenn ich jetzt als Anbieter von Führungskräftetrainings sagen würde, dass ich davon nicht viel halte, dann wäre das schon sehr absurd.

Ich halte viel davon, wenn, und das finde ich wirklich sehr wichtig, es wirklich eine tiefe, und ich betone dabei tiefe, persönliche Weiterentwicklung enthält. Ich halte viel davon, wenn dieses Training sich über einen langen Zeitraum erstreckt, denn niemand kann sein Verhalten binnen weniger Tage nachhaltig verändern. Ich halte viel davon, wenn es einen klaren Raum für Übungen gibt, in dem ich mich frei ausprobieren darf. Und ich halte viel davon, wenn ich Führungskräften die Möglichkeit gebe, entsprechend ihren Typen und ihren Persönlichkeiten einen Führungsstil zu entwickeln.

Ich halte wenig davon, nach Schema F zu handeln und von allen Führungskräften Gleiches zu erwarten.

Frau Seidel, vielen Dank für das Gespräch!

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