Kündigungsschutz durch Corona-Pandemie nicht eingeschränkt – Gabriele Xaver (Anders & Xaver Rechtsanwälte)

Interview mit Gabriele Xaver
Gabriele Xaver ist Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Anders & Xaver Rechtsanwälte. Im Interview spricht sie über die rechtlichen Folgen von Kurzarbeit für Unternehmen und Mitarbeiter und die richtige Strategie im Kündigungsfall.

Viele Unternehmen haben Kurzarbeit angemeldet. Was sind die Folgen für Arbeitnehmer?

Gabriele Xaver: Die Einführung von Kurzarbeit bedeutet für Arbeitnehmer eine verkürzte oder sogar auf „Null“ heruntergefahrene Arbeitszeit mit entsprechend verringerten Vergütungsansprüchen. Sind die Voraussetzungen gegeben, wird das Kurzarbeitergeld in Höhe von 67% (für Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind) und in Höhe von 60% (für alle übrigen Arbeitnehmer) der Nettoentgeltdifferenz gewährt. Die Gewährung des Kurzarbeitergeldes erfolgt für längstens 12 Monate, kann aber durch Rechtsverordnung auf bis zu 24 Monate verlängert werden. Zwar handelt es sich bei dem Kurzarbeitergeld um eine steuerfreie Lohnersatzleistung, diese unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt. Es kann daher durch den Bezug des Kurzarbeitergeldes unter Umständen zu einer Erhöhung des persönlichen Steuersatzes und damit zu einer Lohnsteuernachforderung kommen.

Dürfen Arbeitnehmer Kurzarbeit verweigern oder liegt die Entscheidung allein beim Arbeitgeber?

Gabriele Xaver: Der Arbeitgeber darf die Kurzarbeit einseitig anordnen, wenn dies nach den Regelungen im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag zulässig ist. In diesen Fällen dürfen Arbeitnehmer die Kurzarbeit nicht verweigern. Enthält der Arbeitsvertrag keine entsprechende Klausel zur Kurzarbeit und existiert im Unternehmen kein Betriebsrat, müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine entsprechende Vereinbarung treffen. Der Arbeitnehmer kann seine Zustimmung dazu verweigern. Allerdings ist dann davon auszugehen, dass der Arbeitgeber versuchen wird, die Änderung mittels einer Änderungskündigung durchzusetzen. Hier kann auch eine Kündigung drohen, die durch die Kurzarbeit an sich vermieden werden sollte. Ordnet der Arbeitgeber die Kurzarbeit ohne rechtliche Grundlage an, besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld und der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmern die vollständige Vergütungsanspruch zahlen.

Ausgelöst durch Corona erhalten immer mehr Menschen eine Kündigung. Gilt der Kündigungsschutz in der Pandemie nur eingeschränkt?

Gabriele Xaver: Der Kündigungsschutz ist durch die Corona-Pandemie nicht eingeschränkt. Die bisherigen Grundsätze gelten auch weiterhin. Das bedeutet, dass eine Kündigung in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern nur dann wirksam ist, wenn sie durch Gründe in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt ist. Betriebsbedingte Kündigungen bleiben grundsätzlich zulässig, auch wenn Kurzarbeit angeordnet worden ist. Die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den jeweiligen Betrieb können einen betriebsbedingten Grund für eine Kündigung darstellen.

Die Kündigung ist im Briefkasten. Was ist jetzt zu tun?

Gabriele Xaver: Es gilt eine 3-wöchige Klagefrist, wenn man sich gegen die Kündigung zur Wehr setzen möchte. Diese Frist ist zwingend einzuhalten. Wird sie versäumt, hat man nur in wenigen Ausnahmefällen die Möglichkeit die Kündigung noch anzugreifen. Um abzuklären, ob der Kündigungsschutz greift, wie die Erfolgsaussichten für eine Kündigungsschutzklage einzuschätzen sind und ob ggf. vorab Kontakt mit dem Arbeitgeber für Vergleichsverhandlungen aufgenommen werden sollten, empfiehlt sich eine Beratung durch einen auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt.

Um Nachteile beim Bezug des Arbeitslosengeldes zu vermeiden, ist der gekündigte Arbeitnehmer verpflichtet, sich persönlich innerhalb von drei Tagen nach Erhalt der Kündigung bei der Agentur arbeitssuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehr als drei Monate, muss die Meldung spätestens drei Monate vor dem Beendigungszeitpunkt erfolgen. Damit die Unterlagen für künftige Bewerbungen vollständig sind, ist anzuraten den Arbeitgeber um Erteilung ggf. eines Zwischen- und/oder Endzeugnisses zu bitten. Erfahrungsgemäß beschleunigt es die Abläufe, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber dafür einen Zeugnisentwurf vorlegt.

Häufig lassen sich Prozesse vermeiden. Was ist die beste Strategie für Abfindungsverhandlungen?

Gabriele Xaver: Liegt bereits eine Kündigung vor, muss bei außergerichtlichen Abfindungsverhandlungen auch immer die 3-wöchige Klagefrist im Blick behalten werden. Kommt vor Ablauf dieser Frist keine Einigung zustande, ist dringend anzuraten die Klage fristgerecht einzureichen, um sich alle Möglichkeiten offen zu halten und damit auch den Druck auf den Arbeitgeber zu erhöhen. Grundsätzlich muss sich das Vorgehen bei den Verhandlungen immer an den Rahmenbedingungen orientieren, die je nach Größe des Unternehmens, der ausgeübten Position und der Dauer der Betriebszugehörigkeit unterschiedlich ausfallen. Es bietet sich an, bei den Gesprächen über die Höhe einer Abfindung einen Verhandlungsspielraum einkalkulieren, um am Ende ein tragbares Ergebnis aushandeln zu können. Da durch die Zahlung einer Abfindung und der zugrunde liegenden Vereinbarung möglicherweise das Risiko einer Sperrzeit beim Bezug des Arbeitslosengeldes besteht, sollte vor Aufnahme der Verhandlungen mit dem Arbeitgeber eine rechtliche Beratung erfolgen, um unnötige Nachteile zu vermeiden.

Was ist bei einem Aufhebungsvertrag zu beachten?

Gabriele Xaver: Ein Aufhebungsvertrag sollte für beide Seiten ausgewogene Regelungen enthalten und möglichst alle offenen Punkte abschließend regeln. Der Aufhebungsvertrag sollte deshalb beispielsweise auch immer eine Regelung über die Erteilung eines Zeugnisses mit bereits feststehender Note enthalten. So lassen sich künftige Auseinandersetzungen ersparen. Negative Auswirkungen, wie beispielsweise die Verhängung einer Sperrzeit für den Arbeitnehmer beim Bezug des Arbeitslosengeldes, sofern es für ihn keine Anschlussbeschäftigung gibt, müssen unbedingt vermeiden werden. Dafür müssen bestimmte Vorgaben beachtet werden, wie die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist bei der Vereinbarung des Beendigungsdatums und die Obergrenze für eine Abfindungszahlung, sofern diese vereinbart wird.

Manche Arbeitgeber versuchen durch mehrfache Abmahnungen eine außerordentliche Kündigung herbeizuführen. Wie kann ich mich gegen falsche Abmahnungen wehren?

Gabriele Xaver: Zunächst sollte eine Gegendarstellung zu den konkreten Vorwürfen schriftlich formuliert und an den Arbeitgeber gerichtet werden, verbunden mit der Aufforderung, die Abmahnung innerhalb einer kurzen Frist aus der Personalakte zu entfernen. Besteht im Unternehmen ein Betriebs- oder Personalrat, kann der Arbeitnehmer sich dort über die Abmahnung beschweren, damit ggf. von dieser Stelle weitere Schritte veranlasst werden. Sollte dies alles nicht erfolgreich sein, kann der Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte auch gerichtlich geltend gemacht werden. Da der Arbeitgeber in der Regel mit den Abmahnungen eine Kündigung vorbereiten will, kann es aus taktischen Gründen zunächst auch ratsam sein, gegen die Abmahnungen erst im Rahmen eines möglichen Kündigungsschutzverfahrens vorzugehen. Fristen laufen dafür nicht, so dass gegen die Abmahnungen auch unproblematisch zu einem späteren Zeitpunkt vorgegangen werden kann. Damit dann alles gut vorbereitet ist, empfiehlt es sich ggf. vorhandene Nachweise und Belege, die den unberechtigten Vorwürfen entgegengebracht werden können, bis dahin aufzubewahren und zu sichern.

Frau Xaver, vielen Dank für das Gespräch.

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