Nina Dittmann-Kozub: Ein gewisses Vertrauen sollte vorhanden sein

Interview mit Nina Dittmann-Kozub
Nina Dittmann-Kozub ist Partnerin und Rechtsanwältin in der Kanzlei DITTMANN & HARTMANN Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB. Mit ihr sprechen wir über zunehmend größere Rolle des mobilen Arbeitens, Telearbeit sowie mutmaßlichen Arbeitszeitbetrug.

Vor allem während der Corona-Pandemie hat das Thema Telearbeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten eine zunehmend größere Rolle eingenommen. Wie unterscheiden sich Telearbeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten im rechtlichen Sinne?

Nina Dittmann-Kozub: Ich möchte erst einmal erklären, was man unter Telearbeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten versteht. Allein die Telearbeit ist gesetzlich definiert, nämlich in § 2 Abs. 7 S. 1 der Arbeitsstättenverordnung wie folgt: „Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.“ Telearbeit findet ausschließlich zuhause oder alternierend, d.h., teilweise zuhause, teilweise im Betrieb statt.  Wenn wir von Homeoffice sprechen, meinen wir, dass die Arbeitsleistung zumindest gelegentlich von zuhause aus erbracht wird, was in erster Linie der Telearbeit entspricht, aber auch beim mobilen Arbeiten der Fall sein kann. Mobiles Arbeiten bedeutet dahingegen, dass die Arbeitsleistung nicht im Betrieb, sondern von ständig wechselnden Arbeitsorten aus erbracht wird. Das kann beinhalten, dass gelegentlich von zuhause aus gearbeitet wird. Ausdrückliche Erwähnung findet lediglich die Telearbeit in der Arbeitsstättenverordnung. Das heißt selbstverständlich nicht, dass gesetzliche Schutzvorschriften, wie z.B. das Arbeitszeitgesetz, keine Anwendung finden. Regelungen können sich aus Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen ergeben. Die Arbeitsbedingungen für Telearbeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten sollten in jedem Fall vertragliche geregelt werden, damit keine unnötigen Konflikte entstehen, etwa wer die Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen hat.

Beim Arbeiten im eigenen Wohnhaus ergeben sich oft arbeitsrechtliche Fragen. Gelten die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes auch für Tele- und mobile Arbeit und welche weiteren arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften gelten hier?

Nina Dittmann-Kozub: Für die Geltung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften gilt grundsätzlich nichts anderes, als wenn die Arbeitsleistung im Betrieb erbracht wird. Beginnend damit, dass der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht zu erfüllen hat. Die wichtigsten Schutzgesetze sind sicherlich das Arbeitszeitgesetz und die Arbeitsstättenverordnung. Die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes gelten uneingeschränkt auch für Telearbeit und mobiles Arbeiten. Die Arbeitsstättenverordnung beinhaltet Vorgaben für die sichere Einrichtung und Gefährdungsbeurteilung der sog. häuslichen Arbeitsstätte, gilt aber nur für die Teleheimarbeit; es gehört zum Wesen des mobilen Arbeitens, dass dort gerade kein fester Arbeitsplatz eingerichtet ist.  

Auch beim Arbeiten von Zuhause können Verstöße gegen Arbeitszeiten geahndet werden. Welche Sanktionen drohen bei Nichtbeachtung der Arbeitszeit und der Arbeitsschutzvorschriften?

Nina Dittmann-Kozub: Vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße gegen die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes, etwa die in §§ 3-5, 9 und 11 und/oder 16 ArbZG geregelten Grenzen, sind Ordnungswidrigkeiten, die mit einer Geldbuße von bis zu 15.000,00 EUR geahndet werden könne. In besonders schwerwiegenden Fällen (z.B. bei Gefährdung der Gesundheit des Arbeitnehmers), kommt unter Umständen sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe in Betracht. Auch im Arbeitsschutzgesetz finden sich ähnliche Bußgeld- und Strafvorschriften.

Was kann der Arbeitgeber gegen einen mutmaßlichen Arbeitszeitbetrug beim Arbeiten im Homeoffice tun?

Nina Dittmann-Kozub: Es sollte ein zuverlässiges System zur Arbeitszeiterfassung eingeführt werden, wobei das Bundesamt für Arbeit und Soziales Apps zur Zeiterfassung empfiehlt, in dem die Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten und ggf. ihre Tätigkeiten dokumentieren. Ein gewisses Vertrauen sollte vorhanden sein, da die Mitarbeiter diese eigenverantwortlich führen und eine anlasslose allgemeine Überwachung der Mitarbeiter deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt rechtswidrig wäre. Als zulässig wird die Auswertung der Log-in-Daten erachtet. Das sagt allerdings nichts darüber aus, ob der Mitarbeiter während er eingeloggt war, tatsächlich gearbeitet hat. Um zumindest stichprobenartig den dienstlichen E-Mail-Account und den Browserverlauf auf unerlaubtes Surfen prüfen zu können, sollte die private Nutzung der dem Arbeitnehmer überlassenen Arbeitsmittel, die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Account und des Internets ausdrücklich untersagt werden.

Technische Möglichkeiten zur Überwachung von Arbeitnehmern gibt es zuhauf. Aber darf der Arbeitgeber seine Mitarbeiter beim Arbeiten zuhause überhaupt überwachen und welche Möglichkeiten sind dabei legal und welche nicht?

Nina Dittmann-Kozub: Eine präventive, dauerhafte Überwachung der Arbeitnehmer, etwa durch eine Spionage-Software (Stichwort „Keylogger“), ist unzulässig. Auf der anderen Seite ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Einhaltung der Grenzen des Arbeitszeitgesetzes sicherzustellen und hat ein offenkundiges Interesse daran, Arbeitszeitbetrug auszuschließen. Das Erfassen der Log-In-Daten, die Einführung eines Zeiterfassungssystems sowie die stichprobenartige Überprüfung des Browserverlaufes und des dienstlichen E-Mail-Accounts sind legal. Letzteres jedoch nur, wenn die Privatnutzung des dienstlichen Internetzugangs und des dienstlichen E-Mail-Accounts verboten ist. Zu sonstigen Überwachungsmaßnahmen, wie z.B. den Einsatz eines Detektivs, darf der Arbeitgeber grundsätzlich nur Greifen, wenn ein konkreter Anfangsverdacht auf eine Straftat oder ein grob vertragswidriges Verhalten besteht. Besteht im Betrieb ein Betriebsrat ist zudem stets zu prüfen, inwieweit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu wahren sind.

Frau Dittmann-Kozub, vielen Dank für das Gespräch!

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