Prof. Dr. Daniel Knickenberg: Änderungskündigung

Interview mit Prof. Dr. Daniel Knickenberg
Prof. Dr. Daniel Knickenberg ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Dr. Wilke – Rechtsanwälte PartGmbB in Köln. Mit ihm sprechen wir über Kündigungsformen, Änderungskündigung sowie arbeitsrechtliche Praxis.

Nicht jeder ist mit allen Formen einer Kündigung vertraut. Was versteht man unter einer Änderungskündigung?

Prof. Dr. Daniel Knickenberg: Bei einer Änderungskündigung handelt es sich um eine arbeitgeberseitige Beendigungskündigung verbunden mit dem gleichzeitigen Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen. Diese geänderten Arbeitsbedingungen wirken in der Regel zum Nachteil des/der Arbeitnehmer/s/in, da den Vertragsparteien alternativ stets die Möglichkeit einer einvernehmlichen Vertragsänderung offensteht. Für eine solche fehlt es aber typischerweise an der Zustimmung des/der Arbeitnehmer/s/in, soweit diese/r mit der Vertragsänderung nicht einverstanden ist. Da die Änderungskündigung in der Praxis nur als ordentliche, also fristgerechte Kündigung in Erscheinung tritt, muss der Arbeitgeber auch im Rahmen einer Änderungskündigung, die vertraglich vereinbarten oder andernfalls geltenden gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsfristen beachten. Wird das Arbeitsverhältnis zu den geänderten Bedingungen tatsächlich fortgesetzt, so gilt es rechtlich gesehen als einheitliches Arbeitsverhältnis mit der Folge, dass z.B. die geltenden Kündigungsfristen nicht neu berechnet werden und damit faktisch auch keine neue „Probezeit“ vereinbart werden kann.

Können Sie uns Gründe oder Situationen nennen, in denen eine Änderungskündigung häufig zum Einsatz kommt?

Prof. Dr. Daniel Knickenberg: Hier ist vorauszuschicken, dass die Änderungskündigung in der arbeitsrechtlichen Praxis nur dann Bedeutung erlangt, soweit auf das betreffende Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung findet.  Denn nur in diesen Fällen kann der/die Arbeitnehmer/in die mit der Änderungskündigung verbundene Beendigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses einer gerichtlichen Kontrolle im Wege einer sogenannten Kündigungsschutzklage unterziehen. Das KSchG ist immer – aber auch nur dann – anwendbar, wenn das von der Kündigung betroffene Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt eines Kündigungszugangs länger als sechs Monate bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KSchG) und der Betrieb, in dem der/die betroffene Arbeitnehmer/in tätig ist, in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer/innen beschäftigt (§ 23 Abs. 1 KSchG). Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber die von ihm gewünschte Veränderung der Arbeitsbedingungen nicht bereits einfach durch ein ihm durch das Gesetz grundsätzlich eingeräumtes sogn. Direktionsrecht (vgl. § 106 Gewerbeordnung) einseitig anordnen und durchsetzen kann. Ist ein Arbeitnehmer beispielsweise im Münchener Betrieb eines Unternehmens beschäftigt und soll nach Willen des Arbeitgebers künftig im Hamburger Betrieb eingesetzt werden, wäre eine Änderungskündigung (Beendigung des Arbeitsverhältnisses in München, Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Hamburg) nur dann notwendig, soweit der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag nur eine Tätigkeit in München schuldet. Häufig finden sich in Arbeitsverträgen aber sogenannte Versetzungsklauseln, die den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitnehmer auch an anderen Standorten einzusetzen oder Ihnen bspw. andere, vergleichbare und gleichwertige Tätigkeiten zuweisen kann. Eine solche arbeitgeberseitige Personalentscheidung unterliegt dann nur einer sogn. Billigkeitskontrolle, die für den/die Arbeitnehmer/in selten Schutz bietet. In diesen Versetzungsfällen kommt für den/die Arbeitnehmer/in zusätzlich belastend hinzu, dass der Arbeitgeber nicht an die im Falle einer Änderungskündigung zu beachtenden Kündigungsfristen gebunden ist, sondern eine Versetzung auch früher anordnen kann. Der eigentlich „klassische“ Fall der Änderungskündigung findet seinen Grund in § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG, wonach eine arbeitgeberseitig ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt ist und damit einer gerichtlichen Überprüfung standhält, wenn der/die betroffene Arbeitnehmer/in, dessen bisheriger Arbeitsplatz aus betrieblichen Gründen entfallen ist, nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz unter geänderten Arbeitsbedingungen in seinem bisherigen Betrieb oder einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden könnte (sogenannter Vorrang der Änderungskündigung).

Eine Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG ist also eine “richtige” Kündigung. Wann ist eine Änderungskündigung rechtmäßig und wann unwirksam?

Prof. Dr. Daniel Knickenberg: Zunächst einmal wäre eine solche Kündigung immer auf formale Fehler hin zu überprüfen. So ist bei der Änderungskündigung neben dem für jede Kündigung geltenden strengen Schriftformerfordernis zu beachten, dass das Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter geänderten Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Kündigung so bestimmbar formuliert ist, dass es durch den/die Arbeitnehmer/in durch eine einfache Annahmeerklärung auch angenommen werden kann. Hieran würde es z.B. fehlen, wenn der Arbeitgeber zwei alternierende Änderungsangebote unterbreitet und dem/der Arbeitnehmer/in die Wahl ließe. Auch wäre ein im Betrieb bestehender Betriebsrat vor Ausspruch einer Änderungskündigung ordnungsgemäß zu beteiligen. Im Übrigen prüft das Arbeitsgericht im Falle einer seitens des/der Arbeitnehmerin gegen die Änderungskündigung eingereichten Kündigungsschutzklage die soziale Rechtfertigung der Kündigung des bisher bestehenden Arbeitsverhältnisses nach den für eine betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingte Kündigung jeweils geltenden allgemeinen Voraussetzungen.

Kommt es zu einer Änderungskündigung, hat der Arbeitnehmer wie bei einer konventionellen Kündigung verschiedene Reaktionsmöglichkeiten. Welche Optionen hat der Arbeitnehmer und was haben die einzelnen Reaktionen für Konsequenzen?

Prof. Dr. Daniel Knickenberg: Der/die Arbeitnehmer/in kann

(1)       das im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung ausgesprochene Angebot auf Weiterbeschäftigung zu den geänderten Arbeitsbedingungen annehmen und die 3-wöchige Kündigungsschutzklagefrist des § 4 KSchG verstreichen lassen (in diesem Fall endet das bisherige Arbeitsverhältnis mit Ablauf der geltenden Kündigungsfrist und wird unter den geänderten Bedingungen nahtlos nach Ablauf der Kündigungsfrist fortgesetzt),

(2)       das im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung ausgesprochene Angebot auf Weiterbeschäftigung zu den geänderten Arbeitsbedingungen ablehnen und die 3-wöchige Kündigungsschutzklagefrist des § 4 KSchG verstreichen lassen (in diesem Fall endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der geltenden Kündigungsfrist insgesamt) oder aber – und hierin

liegt die Besonderheit des in § 2 KSchG gesetzlich geregelten Änderungskündigungstatbestandes –

(3)       das im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung ausgesprochene Angebot auf Weiterbeschäftigung zu den geänderten Arbeitsbedingungen innerhalb von 3 Wochen ab Kündigungszugang gegenüber dem Arbeitgeber unter Vorbehalt annehmen und innerhalb von 3 Wochen ab Kündigungszugang Kündigungsschutzklage gegen die Änderungskündigung vor dem Arbeitsgericht einreichen. In diesem Fall wird Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist zunächst unter den geänderten Bedingungen fortgesetzt, stellt das Arbeitsgericht im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses fest, dass die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt war, wird das Arbeitsverhältnis zu den ursprünglichen Arbeitsbedingungen wieder aufgenommen und dem/der Arbeitnehmer/in ein in der Zwischenzeit ggfs. eingetretener finanzieller Verlust vom Arbeitgeber ausgeglichen. Verliert hingegen der/die Arbeitnehmer/in den Kündigungsschutzklageprozess, so verbleibt dem/der Arbeitnehmer/in zumindest das Arbeitsverhältnis zu den geänderten Bedingungen.

Arbeitnehmer können verschieden mit der Änderungskündigung umgehen. Wann raten Sie Betroffenen dazu, eine Änderungskündigung abzulehnen und wie müssen diese dann dahingehend vorgehen?

Prof. Dr. Daniel Knickenberg: Das hängt jeweils von der persönlichen Situation des/der betroffenen Arbeitnehmer/s/in sowie dem Inhalt des Änderungsangebotes ab. So kann es dem/der Arbeitsnehmer/in z.B. aus familiären Gründen unmöglich sein, ein Änderungsangebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an einem anderen Arbeitsort anzunehmen. In Fällen der gesamten Verlagerung des betrieblichen Standortes würde dies dann zwangsläufig zum Verlust des Arbeitsplatzes insgesamt führen, da der Arbeitsplatz am bisherigen Standort ja ersatzlos entfällt und eine entsprechende arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung kaum angreifbar sein dürfte. Bei Ablehnung eines zumutbaren Änderungsangebotes muss der/die Arbeitnehmerin allerdings damit rechnen, dass im Falle einer sich anschließenden Arbeitslosigkeit das zuständige Arbeitsamt ALG I-Leistungen unter Hinweis auf die Sperrzeittatbestände der § 158 SGB III verwehrt. Dasselbe Problem entsteht im Übrigen auch dann, soweit der/die Arbeitnehmerin das Änderungsangebot aus „prozesstaktischen Gründen“ zunächst annimmt und dann im Laufe des Klageverfahrens einen Abfindungsvergleich bei gleichzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses insgesamt schließt. Es ist insoweit dringend zu empfehlen sich in diesen Fällen fachanwaltlich beraten und begleiten zu lassen.

Herr Prof. Dr. Knickenberg, vielen Dank für das Gespräch!

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