Nicht jeder ist mit allen Formen einer Kündigung vertraut. Was versteht man unter einer Änderungskündigung?
Prof. Dr. Moll: Die Änderungskündigung hat zwei Bestandteile. Sie enthält als erstes eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber verbindet mit dieser Kündigung des Arbeitsverhältnisses als zweites das Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen. Die Änderungskündigung hat, wenn der Arbeitnehmer das Angebot der geänderten Arbeitsbedingungen nicht annimmt, was mit oder ohne Vorbehalt erfolgen kann (s.u.), die Wirkung einer Beendigungskündigung: Das Arbeitsverhältnis endet (falls die Kündigung wirksam ist).
Können Sie uns Gründe oder Situationen nennen, in denen eine Änderungskündigung häufig zum Einsatz kommt?
Prof. Dr. Moll: Die Gründe für eine Änderungskündigung sind vielfältig. Ein Schwerpunkt in tatsächlicher Hinsicht dürfte im Bereich der betriebsbedingten Kündigungsgründe liegen, also wenn sich Arbeitsplätze oder Strukturen in einem Betrieb ändern. Solche Änderungen können dazu führen, dass der bisherige Arbeitsplatz des Arbeitnehmers wegfällt, aber andere Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die mit geänderten Arbeitsbedingungen wie z.B. einem anderen Arbeitsort, einer anderen Arbeitszeit, einem anderen Anforderungsprofil oder einer anderen Vergütung verbunden sind. Eine Änderungskündigung kann, obschon im betriebsbedingten Bereich der Schwerpunkt liegen dürfte, auch in Erwägung gezogen werden, wenn der Arbeitnehmer aufgrund persönlicher Umstände seine bisherige Tätigkeit nicht mehr wie bisher fortsetzen kann und ein anderer freier Arbeitsplatz vorhanden ist, dessen Anforderungen der Arbeitnehmer genügt und der mit anderen Arbeitsbedingungen verbunden ist. Eine Änderungskündigung ist schließlich im Bereich verhaltensbedingter Gründe denkbar, allerdings eher selten, wenn im Falle eines Arbeitsplatzwechsels mit dem Ende eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers zu rechnen ist. Ist es beispielsweise zu Streitigkeiten zwischen Kollegen gekommen, so kann erwogen werden, ob mit einem Arbeitsplatzwechsel (der mit Änderungen der Arbeitsbedingungen verbunden ist) derartige Streitigkeiten künftig vermieden werden. Die Änderungskündigung ist in allen Fällen gegenüber der Beendigungskündigung das mildere Mittel: Das Arbeitsverhältnis wird nicht beendet, sondern zu geänderten Arbeitsbedingungen fortgesetzt. Wird beispielsweise eine Hierarchieebene abgebaut und stehen auf der niedrigeren Ebene Arbeitsplätze zur Verfügung, deren Anforderungsprofil der Arbeitnehmer erfüllt, so sind dem von dem Abbau der Hierarchieebene betroffenen Arbeitnehmer die Beschäftigungsmöglichkeiten auf der niedrigeren Hierarchieebene zu geänderten Arbeitsbedingungen anzubieten. Der Arbeitnehmer muss allerdings in allen Fällen geeignet sein, diesen anderen Arbeitsplatz wahrzunehmen.
Eine Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG ist also eine „richtige“ Kündigung. Wann ist eine Änderungskündigung rechtmäßig und wann unwirksam?
Prof. Dr. Moll: Das Kündigungsschutzgesetz formuliert, dass der Arbeitnehmer Klage auf Feststellung erhebt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist (§ 4 Satz 2 KSchG). Die Änderungskündigung muss also sozial gerechtfertigt sein und darüber hinaus alle sonstigen Anforderungen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes erfüllen. Die Wirksamkeitserfordernisse der Änderungskündigung im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes orientieren sich an dem zweiaktigen rechtsgeschäftlichen Tatbestand der Änderungskündigung. Als erstes muss nach § 1 Abs. 2 und 3 KSchG der Arbeitgeber im Falle einer betriebsbedingten Kündigung etwa wegen eines Arbeitsplatzwegfalls oder einer Arbeitsplatzänderung berechtigt sein, die Kündigung zu erklären. Die Kündigung muss also zunächst einmal in dem Sinne sozial gerechtfertigt sein, wie es eine Beendigungskündigung sein müsste, dass nämlich die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit entfällt und eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses deswegen, falls die Änderungsmöglichkeit nicht zur Verfügung stünde, sozial gerechtfertigt wäre. Als zweites hängt die Wirksamkeit der Änderungskündigung dann davon ab, dass sich die mit dem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verbundenen Änderungen der Arbeitsbedingungen auf das beschränken, was zur Anpassung des Arbeitsverhältnisses an die neue Beschäftigungsmöglichkeit erforderlich ist, wobei bei der Durchführung der Änderung wie bei der Beendigungskündigung die Grundsätze der Sozialauswahl einzuhalten sind. Wenn also beispielsweise der Arbeitsplatz von Ort A nach Ort B verlagert wird (und ansonsten keine Änderung eintritt), muss sich eine Änderungskündigung darauf beschränken, einen im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitsort A durch einen neu vereinbarten Arbeitsort B zu ersetzen; andere Änderungen der Arbeitsbedingungen sind nicht möglich. Dies ergibt sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Arbeitsbedingungen dürfen nur insoweit geändert werden, wie dies aufgrund der abgeänderten Beschäftigungsmöglichkeit erforderlich ist.
Kommt es zu einer Änderungskündigung, hat der Arbeitnehmer verschiedene Reaktionsmöglichkeiten. Welche Option der Arbeitnehmer und was haben die einzelnen Reaktionen für Konsequenzen?
Prof. Dr. Moll: Der Arbeitnehmer hat im Falle einer Änderungskündigung drei Handlungsoptionen: Ablehnung des Änderungsangebots, Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt, Annahme des Änderungsangebots ohne Vorbehalt. Lehnt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot ab, wird vor Gericht im Falle einer Klage des Arbeitnehmers nicht darum gestritten, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist, sondern nach § 4 Satz 1 KSchG darum, ob die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Der Arbeitnehmer kann in diesem Falle auch unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 KSchG ggf. die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht gegen Zahlung einer Abfindung beantragen. Nimmt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot ohne Vorbehalt an, so wird die Änderung der Arbeitsbedingungen zu dem Zeitpunkt wirksam, der sich aus dem Änderungsangebot des Arbeitgebers ergibt. Es kommt damit eine Änderungsvereinbarung zustande, aufgrund derer das Arbeitsverhältnis mit den geänderten Arbeitsbedingungen fortgeführt wird. Nimmt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter Vorbehalt an, was ihm als Reaktionsmöglichkeit durch § 2 Satz 1 KSchG eröffnet wird, so bedeutet dies, dass die durch diese Annahme unter Vorbehalt zustande gekommene Änderung der Arbeitsbedingungen unter der auflösenden Bedingung steht, dass die Sozialwidrigkeit der Arbeitsbedingungen gerichtlich festgestellt wird. Der Arbeitnehmer kann in diesem Falle gemäß § 4 Satz 2 KSchG Klage auf Feststellung erheben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist. Hat die Klage Erfolg, so bleibt es bei den bisherigen Arbeitsbedingungen. Hat die Klage keinen Erfolg, wird das Arbeitsverhältnis mit den geänderten Arbeitsbedingungen fortgesetzt. Der Arbeitnehmer muss die Annahme der geänderten Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt innerhalb der Kündigungsfrist erklären, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung (§ 2 Satz 2 KSchG).
Wie verhält es sich mit dem Kündigungsschutzgesetz bei Änderungskündigungen?
Prof. Dr. Moll: Das Kündigungsschutzgesetz findet auf Änderungskündigungen ebenso Anwendung wie auf Beendigungskündigungen. § 4 Satz 1 KSchG betreffend die Beendigungskündigung und § 4 Satz 2 KSchG betreffend die Änderungskündigung sehen – lediglich – unterschiedliche Klageanträge vor. § 2 KSchG räumt dem Arbeitnehmer für die Änderungskündigung eine Option ein, die nach allgemeiner Rechtsgeschäftslehre nicht zur Verfügung stünde: Der Arbeitnehmer kann durch Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt den Rechtsstreit auf die Frage beschränken, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen wirksam ist, ohne einerseits sich mit den Arbeitsbedingungen endgültig einverstanden zu erklären oder ohne andererseits aufs Ganze gehen und über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung streiten zu müssen.
Arbeitnehmer können verschieden mit der Änderungskündigung umgehen. Wann raten Sie Betroffenen dazu, eine Änderungskündigung abzulehnen und wie müssen diese dann dahingehend vorgehen?
Prof. Dr. Moll: Welche Reaktionsmöglichkeit des Arbeitnehmers „richtig“ oder sinnvoll ist, hängt von der individuellen Interessenlage des Arbeitnehmers ab. Eine Ablehnung des Änderungsangebots, d.h. dass der Arbeitnehmer von der Möglichkeit des § 2 Satz 1 KSchG keinen Gebrauch macht, kann in Erwägung gezogen werden, wenn überwiegen wahrscheinlich ist, dass der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzrechtsstreit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses obsiegt und wenn der Arbeitnehmer entschlossen ist, seine Tätigkeit bei dem Arbeitgeber keinesfalls mehr fortzusetzen. Der Arbeitnehmer kommt in diesem Falle in eine Verhandlungsposition im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Eine Ablehnung des Änderungsangebots wird umso eher aus der Sicht des Arbeitnehmers in Betracht kommen, je stärker das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beeinträchtigt ist oder je mehr die mit dem Änderungsangebot vorgesehene geänderte Tätigkeit gegenüber der bisherigen Tätigkeit unterwertig ist. Der Arbeitnehmer kann das Änderungsangebot entweder ausdrücklich ablehnen oder die in dem Änderungsangebot von dem Arbeitgeber mitgeteilte Frist für eine Annahme mit oder ohne Vorbehalt verstreichen lassen. Er kann dann binnen einer Frist von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wird. Nach und vor der Klageerhebung werden von beiden Seiten üblicherweise Verständigungsmöglichkeiten ausgelotet, d.h. ob und wie ein Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung vereinbart werden kann.