Sarah Pieper: Flexibilität durch ortsungebundenes Arbeiten

Interview mit Sarah Pieper
Sarah Pieper ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Wittig Ünalp Rechtsanwälte PartGmbB. Mit ihr sprechen wir über Telearbeit, Arbeitsschutzregeln sowie Homeoffice.

Vor allem während der Corona-Pandemie hat das Thema Telearbeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten eine zunehmend größere Rolle eingenommen. Wie unterscheiden sich Telearbeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten im rechtlichen Sinne?

Sarah Pieper: Aus arbeitsrechtlicher Sicht unterscheiden sich die Begriffe zunächst insbesondere darin, dass bisher nur einer der Begriffe – die Telearbeit – tatsächlich gesetzlich definiert ist. Gemäß § 2 Absatz 7 Arbeitsstättenverordnung sind Telearbeitsplätze vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.

Eine gesetzliche Definition der Begriffe Homeoffice und mobiles Arbeiten fehlt jedoch bisher. Dies liegt insbesondere daran, dass es derzeit kein einheitliches Gesetz gibt, welches das mobile Arbeiten oder aber auch weitere Einzelheiten der Telearbeit klar umrissen regelt. Das in der letzten Legislaturperiode eingebrachte Mobile Arbeit Gesetz (MAG) ist nicht mehr verabschiedet worden. Durch die Neueinführung des § 87 Absatz 1 Nummer 14 Betriebsverfassungsgesetz, welches ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird, normiert, findet der Begriff mobile Arbeit erstmals eine gesetzliche Grundlage.

Mobile Arbeit in diesem Sinne meint entsprechend der Gesetzesbegründung, dass der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik außerhalb der Betriebsstätte von einem anderen Ort oder von Orten seiner Wahl oder von einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort oder von mit dem Arbeitgeber vereinbarten Orten erbringt. Diese Begriffsbestimmung ist mithin deutlich weitreichender, bei der mobilen Arbeit kommt grundsätzlich jeder denkbare Ort außerhalb der Betriebsstätte in Betracht.

Der Begriff Homeoffice wurde stark durch die Corona-Pandemie und die dazu erlassenen Arbeitsschutzregeln geprägt. Entsprechend der Ziffer 2.2.3. Sars- CoV-2-Arbeitsschutzregel ist das Homeoffice eine Form des mobilen Arbeitens. Sie ermöglicht es Beschäftigten, nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber zeitweilig im Privatbereich, zum Beispiel unter Nutzung tragbarer IT-Systeme (zum Beispiel Notebooks) oder Datenträger, für den Arbeitgeber tätig zu sein. Im Einzelnen ist bei der Begriffsbestimmung „Homeoffice“ vieles umstritten. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Begriffsdefinitionen in dem öffentlichen Diskurs teilweise überschneiden und keine klaren Abgrenzungen vorgenommen werden. Zweifelsohne muss jedoch zu den Regelungen der Telearbeit eine Abgrenzung vorgenommen und diese zwingend beachtet werden. Für die Einordnung als Telearbeit bedarf es mithin zwingend einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer über die genannten Punkte sowie einen Arbeitsplatz im Privatbereich des Arbeitnehmers.

Gemein ist jedoch allen Begrifflichkeiten, dass die Arbeit zumindest teilweise außerhalb der Betriebsstätte des Arbeitgebers mittels Informations- und Kommunikationstechnik, welche eine Verbindung zu der betrieblichen Arbeitsstätte herstellt, erbracht wird.

Beim Arbeiten im eigenen Wohnhaus ergeben sich oft arbeitsrechtliche Fragen. Gelten die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes auch für Tele- und mobile Arbeit und welche weiteren arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften gelten hier?

Sarah Pieper: Der Arbeitgeber muss grundsätzlich auch im Rahmen der mobilen Arbeit und der Telearbeit Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes treffen.

Die gesetzlichen Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes gelten auch für die Telearbeit und das mobile Arbeiten. Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist nicht auf die Tätigkeit an einer betrieblichen Arbeitsstätte beschränkt. Es sind mithin insbesondere die Höchstarbeitszeiten, die Ruhepausen und die Ruhezeiten einzuhalten.

Auch eine Vielzahl von weiteren Arbeitsschutzvorschriften sind im Rahmen der mobilen Arbeit und der Telearbeit einzuhalten. Das Arbeitsschutzgesetz gilt für jede Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Nach dem Ort der

Erbringung wird hier explizit nicht differenziert, sodass das Gesetz grundsätzlich auch auf die mobile Arbeit und die Telearbeit Anwendung findet. Der Arbeitgeber muss somit zum Beispiel auch bei diesen Arbeitsformen eine Gefährdungsbeurteilung und eine Unterweisung durchführen. Darüber hinaus gelangen unter Umständen weitere Rechtsverordnungen zum Arbeitsschutz zur Anwendung, die auf Grundlage von § 18 Arbeitsschutzgesetz erlassen worden sind. Bei Vorliegen der Telearbeit ist hier insbesondere die Arbeitsstättenverordnung zu nennen.

Auch beim Arbeiten von Zuhause können Verstöße gegen Arbeitszeiten geahndet werden. Welche Sanktionen drohen bei Nichtbeachtung der Arbeitszeit und der Arbeitsschutzvorschriften?

Sarah Pieper: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Vorschriften des Arbeitsschutzes zu beachten. So ist er auch derjenige, der darüber zu wachen hat, dass die entsprechenden Vorgaben zur Arbeitszeit eingehalten werden. Diese Unternehmerpflichten kann er teilweise auf geeignete Mitarbeiter übertragen und Arbeitnehmer dazu verpflichten, die erbrachte Arbeitszeit nebst Pausen zu dokumentieren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass er nicht gänzlich von seinen Pflichten frei wird. Der Arbeitgeber muss auch hier stichprobenartige Kontrollen und Überwachungen dahingehend durchführen, ob die von ihm beauftragte Person die übertragene Aufgabe ordnungsgemäß wahrnimmt. Bei einem Verstoß gegen die Arbeitsschutzvorschriften drohen erhebliche Bußgelder sowie unter Umständen auch eine Freiheits- oder Geldstrafe, dies ist zum Beispiel für das Arbeitszeitgesetz in §§ 22 f. geregelt.

Was kann der Arbeitgeber gegen einen mutmaßlichen Arbeitszeitbetrug beim Arbeiten im Homeoffice tun?

Sarah Pieper: Begeht der Arbeitnehmer einen Arbeitszeitbetrug im Homeoffice, kann dies grundsätzlich kündigungsrelevant sein.

Ein Arbeitnehmer, der dem Arbeitgeber eine geleistete Arbeitszeit vorspiegelt, verspätet zur Arbeit erscheint oder diese früher verlässt, kann verhaltensbedingt gekündigt werden, da er seiner Hauptleistungspflicht, der Erbringung der Arbeitsleistung, nicht oder nicht im vereinbarten Umfang nachgekommen ist und dafür dennoch eine Gegenleistung, das Arbeitsentgelt, erhalten hat.

Geringfügige Verstöße dürften jedoch zunächst abzumahnen sein. Dort gelten die gleichen Grundsätze wie im Rahmen des Arbeitens in der Betriebsstätte.

In jedem Fall sollte darüber nachgedacht werden, dass bei Vorliegen eines Arbeitszeitbetrugs die Tätigkeit im Homeoffice beendet wird und der Arbeitnehmer an seinen betrieblichen Arbeitsplatz zurückkehrt.

Technische Möglichkeiten zur Überwachung von Arbeitnehmern gibt es zuhauf. Aber darf der Arbeitgeber seine Mitarbeiter beim Arbeiten zuhause überhaupt überwachen und welche Möglichkeiten sind dabei legal und welche nicht?

Sarah Pieper: Ortsungebundenes Arbeiten bietet den Arbeitnehmern Flexibilität. Für den Arbeitgeber geht hiermit oftmals ein gewisser Kontrollverlust einher. Die Überwachung von Arbeitnehmern ist immer wieder vielfach diskutiert – insbesondere auch vor dem Hintergrund der Einführung der Datenschutzgrundverordnung.

Es gibt neben der bekannten Variante der Videoüberwachung viele verschiedene Kontrollmaßnahmen, derer sich Arbeitgeber bedienen. Bei der Frage der Zulässigkeit ist jedoch hier die Besonderheit zu beachten, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in seinem Privatbereich ausübt und hierbei unter Umständen auch Grundrechte Dritter tangiert sein können.

Grundsätzlich ist zu empfehlen, in regelmäßigen Abständen Berichte über den Arbeitsfortschritt bei den Mitarbeitern einzuholen oder kontinuierlich Zwischenarbeitsergebnisse bei den Mitarbeitern zu erfragen. Dies ist zulässig. Der Arbeitnehmer muss dieser Nachfrage durch Darlegung der Berichte und Ergebnisse nachkommen. Der Arbeitgeber kann auch einzelne Tätigkeitsnachweise verlangen, auch eine Pflicht zur detaillierten Zeiterfassung unter Nennung des Gegenstandes der Tätigkeit käme in Betracht.

Gerade technische Möglichkeiten zur Überwachung des Arbeitnehmers, wie zum Beispiel die Nutzung eines Keyloggers zur Prüfung des Tastenanschlags, sind jedoch stark umstritten und wenn überhaupt nur ausnahmsweise zulässig. Eine Zulässigkeit wird bejaht, wenn für den Arbeitgeber der begründete Verdacht einer Straftat oder einer schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht. Der Hintergrund dieser restriktiven Handhabung ist, dass bei dem Einsatz von technischen Mitteln zur Mitarbeiterüberwachung stets das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nach Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz verletzt sein dürfte und die Hürden der Rechtfertigung einer solchen Verletzung sehr hoch sind.

Etwas Anderes dürfte zum Beispiel gelten, wenn im Betrieb die private Internetnutzung ausdrücklich untersagt ist und der Arbeitgeber die Aufzeichnung und Speicherung von Tastatureingaben und das Anfertigen von Screenshots einzig und allein dazu nutzt, dieses Verbot zu kontrollieren, die Daten nicht für andere Zwecke genutzt werden und es sich nur um eine stichprobenartige Kontrolle sowie eine kurzfristige Speicherung handelt.

Auch eine Auswertung von Login-Daten zur Überprüfung der Einhaltung der Arbeitszeiten, insbesondere auch der Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten, kann im Einzelfall zulässig sein.

Sofern der Arbeitgeber hingegen eine unzulässige Arbeitnehmerüberwachung durchführt, kann der Arbeitnehmer einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, gegebenenfalls einen Anspruch auf Schadenersatz wegen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts, ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht geltend machen oder aber auch ein Beweisverwertungsverbot entstehen.

Grundsätzlich sind bei der Frage der zulässigen Arbeitnehmerüberwachung stets auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu wahren.

Frau Pieper, vielen Dank für das Gespräch!

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