Timo Lehne: Ein Vorstellungsgespräch ist keine Einbahnstraße

Interview mit Timo Lehne
Timo Lehne ist Managing Director von SThree GmbH. Im Interview beantwortet er Fragen klassischen Vorstellungsgesprächen, professionelles Erscheinungsbild sowie Vorbereitung von Bewerbern.

Human Ressource-Leiter wollen mit Kandidaten ins Gespräch kommen, statt sie wie früher zu verhören. Was bedeutet das im Alltag?

Timo Lehne: Heute bedeutet ein gutes Vorstellungsgespräch, dass ein Austausch auf Augenhöhe stattfindet. Der erste Schritt dafür ist eine angenehme Gesprächsatmosphäre, die sich durch ehrliches Interesse auszeichnet. Für einen Dialog ist es wichtig, offene Fragen zu stellen, die nicht einfach nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden. Aber ein Vorstellungsgespräch ist keine Einbahnstraße! Personaler sollten sich genauso auf mögliche Fragen ihrer Kandidaten vorbereiten. Auch Unternehmen bewerben sich schließlich bei den Kandidaten. Fragen zu Weiterbildungsmöglichkeiten, Sabbaticals, Aufstiegsmöglichkeiten oder zum Führungsstil und zum sozialen Engagement des Unternehmens werden immer häufiger gestellt. Personaler sollten daher über aktuelle Unternehmensprojekte informiert sein und auch Antworten darauf haben, warum welche Maßnahmen auf den Weg gebracht wurden. Klassisch sind viele Vorstellungsgespräche verhaltensorientiert aufgebaut, das heißt: Der Personaler fragt beispielsweise, wie sich die Kandidaten in bestimmten Arbeitssituationen in ihren bisherigen Positionen verhalten haben. Die Antworten und Reaktionen der Bewerber geben ihm dann ein klares Bild von ihren Stärken und Schwächen. Gleichzeitig wird dadurch der Cultural Fit, also die kulturellen Ähnlichkeiten eines Kandidaten zum Unternehmen, deutlich. Beide Seiten sollten bei der Beantwortung der Fragen nicht zu weit ausholen, abschweifen oder gar ablenken. Besonders für den Arbeitgeber ist Vertrauen eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Zusammenarbeit. Fragen auszuweichen ist hier kontraproduktiv, daher sollten auch unangenehme Fragen offen beantwortet und als Chance genutzt werden, um sich als Kandidat in ein positives Licht zu rücken – schlecht über den ehemaligen Arbeitgeber zu sprechen, gehört aber definitiv nicht dazu!

Welche Tipps haben Sie für Bewerber, um authentisch und professionell zu erscheinen?

Timo Lehne: Professionalität beginnt schon in den schriftlichen Unterlagen und hier liegt ein besonderer Fokus auf dem Lebenslauf: Grammatik- und Rechtschreibfehler sind genauso verpönt wie unübersichtliche Formate oder Informationen, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Stellenausschreibung stehen. Auch Fach- und Führungskräfte mit den besten Fachkenntnissen werden häufig abgelehnt, weil es in der schriftlichen Bewerbung an Professionalität mangelt. Ein authentisches Bild der Kompetenzen der Anwärter erhalten Personaler in dieser frühen Phase meist durch die Referenzen früherer Arbeitgeber oder Kollegen. Beim Vorstellungsgespräch und am Probearbeitstag sollten die Kandidaten ihren Lebenslauf dann genau im Kopf haben – eine ausgedruckte Kopie mitzuführen schadet aber nie. Manche Bewerber wollen sich während des Gesprächs keine Notizen machen, weil sie glauben, das sei unhöflich. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Niemand kann sich alles merken und Notizen zeigen, dass echtes Interesse am Job da ist. Zu einem authentischen und professionellen Auftritt gehört natürlich auch das passende Outfit. Auf Homepages der Unternehmen kann man sich oftmals anhand von Mitarbeiterfotos einen ersten Eindruck über den Dresscode verschaffen. Man sollte sich auf keinen Fall verkleiden, aber im Zweifelsfall gilt: Lieber overdressed statt underdressed. Auch die technischen Vorbereitungen und ein reibungsloser Ablauf bei den aktuell aufgrund der Corona-Pandemie üblichen virtuellen Vorstellungsgesprächen sind Professionalitätsindikatoren. Am besten macht man einen Probelauf mit Freunden und sucht sich einen ruhigen Ort mit möglichst neutralem Hintergrund, an dem die Übertragung mit dem Laptop gut funktioniert.

Worauf sollten sich Bewerber vorbereiten, die das Unternehmen betreffen? Klassische Daten wie Gründungsdatum und Co. oder auch Daten, die in die Tiefe gehen?

Timo Lehne: Klar ist: Eine gute Vorbereitung ist das A und O. Die Vorteile einer simplen Vorbereitung auf ein Gespräch mit dem potenziellen neuen Arbeitgeber werden häufig unterschätzt. Es schadet nie zu wissen, mit wem man es zu tun hat. Eine gute Übersicht zum beruflichen Background des Gegenübers findet sich häufig auf Xing oder LinkedIn. Zudem ist es hilfreich zu wissen, ob das Gespräch nur mit der Personalabteilung stattfindet, oder auch Mitarbeiter der Fachabteilung teilnehmen. Daraus lassen sich schon erste Hinweise auf mögliche Fragen ableiten. Was das Unternehmen betrifft, reichen grundlegende Informationen, Details sind nicht notwendig. Man sollte aber auf jeden Fall wissen, was das Unternehmen macht und wie es sein Geld erwirtschaftet. Recherchen zu den notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten für die ausgeschriebene Position sind von großem Vorteil, damit Kandidaten auch überzeugend aufzeigen können, inwiefern sie mit ihrer bisherigen Berufserfahrung punkten können.

Die Frage nach den Gehaltsvorstellungen ist ein heißdiskutiertes. Welche Tipps haben Sie für Bewerber? Pokern oder Zurückhaltung?

Timo Lehne: Zunächst einmal sollte jeder seinen Wert im Arbeitsleben kennen. Welche Bezahlung ist in welcher Branche und Position üblich? Renommierte Gehaltsstudien aus dem Internet bieten einen guten Anhaltspunkt. Unsere Beobachtung der Gehaltsentwicklungen am Markt zeigt: Bei einem Jobwechsel ist eine Steigerung von zehn bis 15 Prozent möglich, bei einer Beförderung ein Anstieg um fünf bis zehn Prozent. Aber natürlich hängt das alles von Faktoren wie Branche und Unternehmensgröße ab. Vorstellungsgespräche sowie Gehaltsverhandlungen sind quasi Selbstvermarktungsmaßnahmen. Das heißt: Kandidaten müssen ihr Know-how und ihre Leistung darlegen und verkaufen. Dafür hilft es, sich in das Unternehmen hineinzuversetzen und zu fragen: Was biete ich dem Unternehmen, wie kann ich zu dessen Erfolg beitragen und was werde ich darüber hinaus leisten, um die Unternehmensziele zu realisieren? Kennt man die Antwort auf diese Fragen, kennt man auch seinen Verhandlungsspielraum. Bei jedem Gehaltsgespräch sollten Bewerber eine konkrete Zahl im Kopf haben und diese sollte hoch angesetzt sein, damit Raum für Verhandlungen bleibt. Falsche Bescheidenheit ist dann auch fehl am Platz, aber Offenheit für Kompromisse ist essenziell: Häufig sind Benefits wie eine betriebliche Altersvorsorge, Weiterbildungsmaßnahmen oder Änderungen der Arbeitsbedingungen genauso attraktiv wie ein höheres Gehalt – und in den Gesprächen leichter durchzusetzen.

Welche Gewichtung nimmt die Persönlichkeit und welche die objektiven Fertigkeiten und Fachkenntnisse bei der Auswahl eines Kandidaten ein? 

Timo Lehne: Im Durchschnitt nehmen sich Arbeitgeber 30 Sekunden für die Durchsicht des Lebenslaufs Zeit und automatisierte Prozesse sortieren Bewerbungen zumeist anhand von Schlüsselbegriffen und ‑Kompetenzen aus. In dieser frühen Phase des Bewerbungsprozesses steht also die fachliche Qualifikation im Vordergrund. Danach, also im persönlichen Interview bzw. dem ersten Gespräch via Onlinekonferenz, zählen eher die Soft Skills und der Cultural Fit. Die Wertevorstellung von Arbeitnehmer und Unternehmer sollten bestenfalls übereinstimmen – nur so werden beide Seiten auf lange Sicht gemeinsam erfolgreich sein. Den Versuch, sich anders zu geben, als man eigentlich ist, entlarven erfahrene Personaler sehr schnell. Sollte während eines Online-Interviews die Technik doch einmal streiken, gilt es, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Solche Situationen kommen in unserer digitalisierten und globalisierten Arbeitswelt immer wieder vor. Wird souverän auf das Problem reagiert und nach einer Lösung gesucht, können Kandidaten mit ihrem persönlichen Krisenmanagement sogar Pluspunkte beim Personaler gewinnen. In Zeiten von New Work und vor allem durch die Rahmenbedingungen der Corona-Pandemie sind eigenverantwortliches und flexibles Arbeiten sowie agile Prozesse und das entsprechende Mindset gefragt. Das bedeutet für die Angestellten, dass sie in einem zunehmend dynamischen und komplexen Markt internationaler und vernetzter arbeiten müssen als bisher. Es kommt auf Kommunikations- und Teamfähigkeit an, aber auch Empathie und Flexibilität sind wichtige Soft Skills für modernes Arbeiten. Die Abfrage zwischenmenschlicher Kompetenzen wird daher im Bewerbungsverfahren immer zentraler.

Welche Methoden und Kanäle nutzen Sie für die Rekrutierung von Personal?

Timo Lehne: Für unser Recruiting greifen wir auf unser umfassendes Netzwerk aus Kandidaten und Freelancern zurück, stehen also in engem Kontakt mit aktiv oder passiv suchenden Bewerbern ‑ und finden so für jede offene Stelle bzw. jedes Projekt den passenden Experten. Außerdem nutzen wir einschlägige Jobportale und soziale Netzwerke, wo wir professionelle Stellenanzeigen aufgeben. Der zunehmende Fachkräftemangel und die Veränderungen in der Arbeitswelt – Stichwort: New Work – verlangen aber auch nach dem Einsatz neuer Technologien. Eine internationale Personalsuche sowie der Einbezug von (Quer-)Einsteigern sollte ebenfalls berücksichtigt werden. IT ist zwar schon lange Bestandteil der Personalvermittlung, doch die Verknüpfung der Daten, die man aus einem Lebenslauf ablesen kann, mit Big Data-Analytics macht das Auswahlverfahren strategischer und effizienter. So können wir geeignete Kandidaten gezielt und proaktiv ansprechen. Die Technologie ist dabei aber nur als eine Ergänzung zu betrachten, denn ein Bewerber ist nie eine bloße Anhäufung von Zahlen und Fakten. Unsere Aufgabe ist es, sowohl Kandidaten als auch unsere Unternehmenskunden zu verstehen und sicherzustellen, dass sie bekommen, was sie sich wünschen. Kandidaten sprechen wir daher auch auf Aspekte abseits der Arbeitswelt an, die ihnen in ihrem Leben wichtig sind. Mit der erfolgreichen Vermittlung ist unser Job daher noch nicht getan: Wir bleiben im Austausch, stehen immer als Ansprechpartner bereit und bieten auf unserer Website und Social-Media-Kanälen wichtige News und Branchenupdates an.

Herr Lehne, vielen Dank für das Gespräch!

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